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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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weniger Weiber, desto mehr Aufklärung" und machte alljährlich eine Reise --
mindestens bis Trieft. Einmal war er sogar "u Been", d. h. in Wien, ge¬
wesen, es hatte ihm aber nicht gefallen. Bei seinen häusigen Reisen nach
und von Spalato kehrte er regelmäßig bei dem Verfasser ein, wurde dessen
Frau vorgestellt und half dann mit seinem in nahezu kindischer Urwüchsigkeit
vorgebrachten Geplauder über die Eintönigkeit so mancher Abendstunde
hinweg. Und nun soll das Buch mit einigen Kürzungen selbst weiter er¬
zählen :

"Einmal überraschte er uns, indem er gegen alle türkische Sitte uns
Grüße von seiner Frau und die Ankündigung überbrachte, daß dieselbe mit
dem Sticken eines Schnupftuchs für meine Ehegesponsin beschäftigt sei. Zu¬
gleich lud er mich ein, ihn in seine Heimath zu begleiten und das Tuch ab¬
zuholen. Seine Frau, meinte er, könne ich allerdings nicht sehen, weil das
die türkischen Sitten nicht zugäben, auch das Haus, in welchem er mit ihr
wohne, dürfe ich nicht betreten. Dafür aber wolle er mir das Gebäude zeigen,
das er für seine Dienerschaft errichtet, den Stall, seine Aecker und seine Wäl¬
der. Mich hatte es schon längst verlangt, einen Blick in die böhmische Wild-
niß zu werfen, und so nahm ich die Einladung nicht ungern an."

Am folgenden Tage brachen die beiden Freunde auf, überstiegen in hals^
brechendem Ritte das Felsgebirge Prolog, wurden in pechfinstrer Nacht von
den Wolfshunden einer Schafheerde angefallen, von denen Mahmud ohne
Weiteres einen über den Haufen schoß, durchschwammen reitend einen Waldfluß
und kamen endlich. von Regen und Kälte halb erstarrt, bet dem einsamliegen¬
den Besitz des Türken an.

"Ein Dutzend in rothe, goldgestickte Jacken und blaue Pumphosen ge¬
kleidete Gestalten, von denen jeder eine Kienfackel schwang, empfing uns vor
einem thurmähnlichen Gebäude, dessen unterstes Geschoß dem Gerüche nach
einen Pferdestall zu enthalten schien, und geleitete uns über eine hölzerne,
von außen angebrachte Treppe in ein vollkommen kreisrundes Gemach, das von
der in der Mitte desselben aufgehängten Oellampe und dem in in einem offnen
Kamine flackernden Feuer erleuchtet wurde. Vor letzterem kniete ein graubär¬
tiger Türke und kochte in einer großen kupfernen Pfanne Kaffee. Rund um
die roh angeworfene Wand lief ein gegen dieselbe sanft ansteigender Breter-
boden, der mit Teppichen bedeckt und mit Polstern als Kopfkissen belegt war
^ die Schlafstätte der Dienerschaft.

Die Diener -- ich zählte deren sechsundzwanzig -- nahmen uns die
Reisemantel ab und präsentirten jedem von uns einen Tschibbuk. Mahmud
Firdus Beg nahm auf zwei übereinandergelegten Polstern in der Mitte des
Zimmers mit untergeschlagnen Beinen Platz und lud mich mit würdevoller
Handbewegung ein, des Gleichen zu thun. Hierauf credenzte uns der Grau-


Grenzbotm IV. 187S. 28

weniger Weiber, desto mehr Aufklärung" und machte alljährlich eine Reise —
mindestens bis Trieft. Einmal war er sogar „u Been", d. h. in Wien, ge¬
wesen, es hatte ihm aber nicht gefallen. Bei seinen häusigen Reisen nach
und von Spalato kehrte er regelmäßig bei dem Verfasser ein, wurde dessen
Frau vorgestellt und half dann mit seinem in nahezu kindischer Urwüchsigkeit
vorgebrachten Geplauder über die Eintönigkeit so mancher Abendstunde
hinweg. Und nun soll das Buch mit einigen Kürzungen selbst weiter er¬
zählen :

„Einmal überraschte er uns, indem er gegen alle türkische Sitte uns
Grüße von seiner Frau und die Ankündigung überbrachte, daß dieselbe mit
dem Sticken eines Schnupftuchs für meine Ehegesponsin beschäftigt sei. Zu¬
gleich lud er mich ein, ihn in seine Heimath zu begleiten und das Tuch ab¬
zuholen. Seine Frau, meinte er, könne ich allerdings nicht sehen, weil das
die türkischen Sitten nicht zugäben, auch das Haus, in welchem er mit ihr
wohne, dürfe ich nicht betreten. Dafür aber wolle er mir das Gebäude zeigen,
das er für seine Dienerschaft errichtet, den Stall, seine Aecker und seine Wäl¬
der. Mich hatte es schon längst verlangt, einen Blick in die böhmische Wild-
niß zu werfen, und so nahm ich die Einladung nicht ungern an."

Am folgenden Tage brachen die beiden Freunde auf, überstiegen in hals^
brechendem Ritte das Felsgebirge Prolog, wurden in pechfinstrer Nacht von
den Wolfshunden einer Schafheerde angefallen, von denen Mahmud ohne
Weiteres einen über den Haufen schoß, durchschwammen reitend einen Waldfluß
und kamen endlich. von Regen und Kälte halb erstarrt, bet dem einsamliegen¬
den Besitz des Türken an.

„Ein Dutzend in rothe, goldgestickte Jacken und blaue Pumphosen ge¬
kleidete Gestalten, von denen jeder eine Kienfackel schwang, empfing uns vor
einem thurmähnlichen Gebäude, dessen unterstes Geschoß dem Gerüche nach
einen Pferdestall zu enthalten schien, und geleitete uns über eine hölzerne,
von außen angebrachte Treppe in ein vollkommen kreisrundes Gemach, das von
der in der Mitte desselben aufgehängten Oellampe und dem in in einem offnen
Kamine flackernden Feuer erleuchtet wurde. Vor letzterem kniete ein graubär¬
tiger Türke und kochte in einer großen kupfernen Pfanne Kaffee. Rund um
die roh angeworfene Wand lief ein gegen dieselbe sanft ansteigender Breter-
boden, der mit Teppichen bedeckt und mit Polstern als Kopfkissen belegt war
^ die Schlafstätte der Dienerschaft.

Die Diener — ich zählte deren sechsundzwanzig — nahmen uns die
Reisemantel ab und präsentirten jedem von uns einen Tschibbuk. Mahmud
Firdus Beg nahm auf zwei übereinandergelegten Polstern in der Mitte des
Zimmers mit untergeschlagnen Beinen Platz und lud mich mit würdevoller
Handbewegung ein, des Gleichen zu thun. Hierauf credenzte uns der Grau-


Grenzbotm IV. 187S. 28
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[0221] weniger Weiber, desto mehr Aufklärung" und machte alljährlich eine Reise — mindestens bis Trieft. Einmal war er sogar „u Been", d. h. in Wien, ge¬ wesen, es hatte ihm aber nicht gefallen. Bei seinen häusigen Reisen nach und von Spalato kehrte er regelmäßig bei dem Verfasser ein, wurde dessen Frau vorgestellt und half dann mit seinem in nahezu kindischer Urwüchsigkeit vorgebrachten Geplauder über die Eintönigkeit so mancher Abendstunde hinweg. Und nun soll das Buch mit einigen Kürzungen selbst weiter er¬ zählen : „Einmal überraschte er uns, indem er gegen alle türkische Sitte uns Grüße von seiner Frau und die Ankündigung überbrachte, daß dieselbe mit dem Sticken eines Schnupftuchs für meine Ehegesponsin beschäftigt sei. Zu¬ gleich lud er mich ein, ihn in seine Heimath zu begleiten und das Tuch ab¬ zuholen. Seine Frau, meinte er, könne ich allerdings nicht sehen, weil das die türkischen Sitten nicht zugäben, auch das Haus, in welchem er mit ihr wohne, dürfe ich nicht betreten. Dafür aber wolle er mir das Gebäude zeigen, das er für seine Dienerschaft errichtet, den Stall, seine Aecker und seine Wäl¬ der. Mich hatte es schon längst verlangt, einen Blick in die böhmische Wild- niß zu werfen, und so nahm ich die Einladung nicht ungern an." Am folgenden Tage brachen die beiden Freunde auf, überstiegen in hals^ brechendem Ritte das Felsgebirge Prolog, wurden in pechfinstrer Nacht von den Wolfshunden einer Schafheerde angefallen, von denen Mahmud ohne Weiteres einen über den Haufen schoß, durchschwammen reitend einen Waldfluß und kamen endlich. von Regen und Kälte halb erstarrt, bet dem einsamliegen¬ den Besitz des Türken an. „Ein Dutzend in rothe, goldgestickte Jacken und blaue Pumphosen ge¬ kleidete Gestalten, von denen jeder eine Kienfackel schwang, empfing uns vor einem thurmähnlichen Gebäude, dessen unterstes Geschoß dem Gerüche nach einen Pferdestall zu enthalten schien, und geleitete uns über eine hölzerne, von außen angebrachte Treppe in ein vollkommen kreisrundes Gemach, das von der in der Mitte desselben aufgehängten Oellampe und dem in in einem offnen Kamine flackernden Feuer erleuchtet wurde. Vor letzterem kniete ein graubär¬ tiger Türke und kochte in einer großen kupfernen Pfanne Kaffee. Rund um die roh angeworfene Wand lief ein gegen dieselbe sanft ansteigender Breter- boden, der mit Teppichen bedeckt und mit Polstern als Kopfkissen belegt war ^ die Schlafstätte der Dienerschaft. Die Diener — ich zählte deren sechsundzwanzig — nahmen uns die Reisemantel ab und präsentirten jedem von uns einen Tschibbuk. Mahmud Firdus Beg nahm auf zwei übereinandergelegten Polstern in der Mitte des Zimmers mit untergeschlagnen Beinen Platz und lud mich mit würdevoller Handbewegung ein, des Gleichen zu thun. Hierauf credenzte uns der Grau- Grenzbotm IV. 187S. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/221>, abgerufen am 22.07.2024.