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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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nicänischen Glauben überzugehn, daß er die Kirchen räume, und überließ die
größte Basilika dem Gregor von Nazianz. 40 Jahre lang hatten die Arianer
die Gotteshäuser der Hauptstadt besessen und war man auch über die Absichten
des Kaisers unterrichtet, so glaubte man doch nicht an solchen Ernst derselben.
Leicht läßt sich denken, wie groß der Unwille und die Empörung unter den
Bedrängten war. Noch 8 Jahre später nach dem Tode des Demophilus, als
Theodosius gegen den Usurpator Marinus kämpfte, kam der in den Gemüthern
der Arianer gährende Zorn in Constantinopel zum gewaltsamen Ausbruch.

Damals aber gelang es jenem besonnenen Bischof die Aufgebrachten zu be¬
schwichtigen und zu bewegen, daß sie außerhalb der Stadt ihre Zusammenkünfte
abhielten. Doch gerade diese Wanderungen zahlreicher Arianer nach entfernten
Versammlungsorten mochte den Gegnern die Stärke der Betheiligten näher vor
Augenführen. Dem Kaiser selbst waren die Verhältnisse in der Ferne durch die
Berichte seiner Umgebung in anderem Lichte erschienen, als sie nun sich zeigten.
Noch drohte der äußere Feind und schon erweckte er sich im Herzens des
Reichs einen neuen, vielleicht nicht minder starken, da Leute aus allen Stän¬
den, selbst viele von den Beamten des eigenen Palastes und vor allem ein
großer Theil von den in Sold genommenen Gothen der Gegenpartei ange¬
hörten. Die Lage forderte zu größter Vorsicht auf und Theodosius beschloß
sie zu üben.

Mehr als ein Beispiel kluger Milde bietet seine folgende Geschichte.
Man denke nur an den Aufstand in Antiochien 387, auf dessen blutige
Unterdrückung bald gnädige Vergebung folgte. Man denke an das Blutbad
von Thessalonich 390, welches der Kaiser in demüthiger Selbstverleugnung
öffentlich büßte. Auch bei der schon erwähnten Empörung der Arianer in
Konstantinopel ließ der Kaiser verzeihende Milde walten. Die Rücksicht auf
die Gothen aber bestimmte fortwährend so seine Regierungshandlungen, daß
ihm in unverholener Misstimmung ungerechte Bevorzugung derselben vorge¬
worfen wird. Wenn sich daher bei so entschiedenem Eintreten für den nicä¬
nischen Glauben nun ein Schwanken des Kaisers bemerklich macht, so erklärt
sich das genügend aus seinem Charakter und den Umständen. Dazu kam
noch, daß die einflußreichen und hochgestellten Anhänger des Arianismus alles
in Bewegung setzten, um das Staatsoberhaupt ihrer Partei günstiger zu
stimmen. In der That zeigte sich der Kaiser sogar dem arianischen Eiferer
Eunomius geneigt, der in Folge der beleidigenden Schroffheit seines Auftretens
ein fortwährend zwischen Anerkennung und Verbannung wechselndes Leben
geführt hatte. Jetzt war er herbeigekommen, um bei dem allgemeinen Wett¬
lauf um des Kaisers Gunst auch seine Sache zu fördern, und hielt sich in
Bithynien Constantinopel gegenüber auf. Viele fuhren zu ihm hinüber, um


nicänischen Glauben überzugehn, daß er die Kirchen räume, und überließ die
größte Basilika dem Gregor von Nazianz. 40 Jahre lang hatten die Arianer
die Gotteshäuser der Hauptstadt besessen und war man auch über die Absichten
des Kaisers unterrichtet, so glaubte man doch nicht an solchen Ernst derselben.
Leicht läßt sich denken, wie groß der Unwille und die Empörung unter den
Bedrängten war. Noch 8 Jahre später nach dem Tode des Demophilus, als
Theodosius gegen den Usurpator Marinus kämpfte, kam der in den Gemüthern
der Arianer gährende Zorn in Constantinopel zum gewaltsamen Ausbruch.

Damals aber gelang es jenem besonnenen Bischof die Aufgebrachten zu be¬
schwichtigen und zu bewegen, daß sie außerhalb der Stadt ihre Zusammenkünfte
abhielten. Doch gerade diese Wanderungen zahlreicher Arianer nach entfernten
Versammlungsorten mochte den Gegnern die Stärke der Betheiligten näher vor
Augenführen. Dem Kaiser selbst waren die Verhältnisse in der Ferne durch die
Berichte seiner Umgebung in anderem Lichte erschienen, als sie nun sich zeigten.
Noch drohte der äußere Feind und schon erweckte er sich im Herzens des
Reichs einen neuen, vielleicht nicht minder starken, da Leute aus allen Stän¬
den, selbst viele von den Beamten des eigenen Palastes und vor allem ein
großer Theil von den in Sold genommenen Gothen der Gegenpartei ange¬
hörten. Die Lage forderte zu größter Vorsicht auf und Theodosius beschloß
sie zu üben.

Mehr als ein Beispiel kluger Milde bietet seine folgende Geschichte.
Man denke nur an den Aufstand in Antiochien 387, auf dessen blutige
Unterdrückung bald gnädige Vergebung folgte. Man denke an das Blutbad
von Thessalonich 390, welches der Kaiser in demüthiger Selbstverleugnung
öffentlich büßte. Auch bei der schon erwähnten Empörung der Arianer in
Konstantinopel ließ der Kaiser verzeihende Milde walten. Die Rücksicht auf
die Gothen aber bestimmte fortwährend so seine Regierungshandlungen, daß
ihm in unverholener Misstimmung ungerechte Bevorzugung derselben vorge¬
worfen wird. Wenn sich daher bei so entschiedenem Eintreten für den nicä¬
nischen Glauben nun ein Schwanken des Kaisers bemerklich macht, so erklärt
sich das genügend aus seinem Charakter und den Umständen. Dazu kam
noch, daß die einflußreichen und hochgestellten Anhänger des Arianismus alles
in Bewegung setzten, um das Staatsoberhaupt ihrer Partei günstiger zu
stimmen. In der That zeigte sich der Kaiser sogar dem arianischen Eiferer
Eunomius geneigt, der in Folge der beleidigenden Schroffheit seines Auftretens
ein fortwährend zwischen Anerkennung und Verbannung wechselndes Leben
geführt hatte. Jetzt war er herbeigekommen, um bei dem allgemeinen Wett¬
lauf um des Kaisers Gunst auch seine Sache zu fördern, und hielt sich in
Bithynien Constantinopel gegenüber auf. Viele fuhren zu ihm hinüber, um


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/22>, abgerufen am 24.08.2024.