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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Zunächst Probst in Leipzig. Ihm wurde am 10. März 1824 außer dem
Opserlied. dem Bundeslied, dem Kuß und den VI Bagatellen Op. 126 die
Ouvertüre "zur Weihe des Hauses" (Op. 124) und die große Messe angeboten,
wobei denn nach des Meisters damaliger Stimmung über die letztere bemerkt
wird: ". . . . leider muß ich nun doch über mich selbst sprechen, indem ich
sage, daß sie wohl mein größtes Werk was ich geschrieben." Sogleich heißt
es weiter: "Eine neue große Simphonie. welche ein Finale hat mit eintreten¬
den Singstimmen. Solo und Chören mit den Worten von Schiller's unsterb¬
lichem Lied an die Freude auf die Art wie meine Clavierfantasie mit Chor,
jedoch weit größer gehalten als selbe." Und dieser Taxirung entsprechend ist
hier das Honorar nur 600 si., während es dort 1000 si. sind. Man stand
dem Werke mit der eigenen Empfindung noch zu nahe, um den rechten Werth-
wesser dafür zu finden, und bei der Messe wirkte der heilige Vorwurf das
eigene Urtheil bindend mit. Auch blieb die "Neunte" immer nur eine --
Simphonie, und eine solche wird selbst bei Beethoven damals mit blos
40--60 Duc. d. h. 2 -- 300 si, taxirt. Also war 600 si. immer noch viel,
sehr viel.

Probst erbittet sich am 22. März die Lieder, die Bagatellen und die
Ouvertüre für "100 Stück vollwichtige Ducaten" und behält sich, wenn dieses
Geschäft zur beiderseitigen Zufriedenheit geordnet sei, den Entschluß wegen
Messe und Symphonie vor. Beethoven schreibt auf diesen Brief: "Glauben
Sie nur nicht, Gewäsche, ich habe jetzt keine Zeit um Sie darüber aufzu¬
klären, habe alle Beweise in Händen, nächstens." Die "Differenz" die Beethoven
Mit dem Leipziger Verleger Peters "in einem ähnlichen Unternehmen" ge¬
habt haben sollte, hatte nämlich diesen neuen Verleger erst die Manuscripte
sehen lassen wollen. Zu seiner Beschämung muß Beethoven auch darauf ein¬
gehen. Am 3. Juli meldet er die Vollendung der Abschrift der betreffenden
Sachen und bittet das Geld anzuweisen. Probst geht am 16. August 1824
auf den Handel ein. Allein derweilen hatte sich etwas besseres gefunden für
den Bruder "Judas Ischarioth". der all diese Sachen besaß.

Schott in Mainz nämlich hatte am 24. März 1824 dem Herrn "Hof-
Kapellmeister" von Beethoven auf seine Anträge in einer besonders ehrerbietig
offenen Weise geantwortet, sich zwar zunächst nur das angebotene Quartett um
60 Duc. aber dies auch bedingungslos erbeten und dabei gesagt: "Ihre
große solenne Messe sowie Ihre neue Sinfonie liegt uns zwar auch sehr am
Herzen und wir würden beide Werke nur mit großem Leid als solche glänzen¬
den Sterne in einem andern Catalog prangen sehen und fragen deßhalb an,
ob Sie wohl geneigt wären das Honorar in 4 Terminen von 6 zu 6 Monaten
in Empfang zu nehmen. Unter diesen Verhältnissen wagen wir den Verlag


Zunächst Probst in Leipzig. Ihm wurde am 10. März 1824 außer dem
Opserlied. dem Bundeslied, dem Kuß und den VI Bagatellen Op. 126 die
Ouvertüre „zur Weihe des Hauses" (Op. 124) und die große Messe angeboten,
wobei denn nach des Meisters damaliger Stimmung über die letztere bemerkt
wird: „. . . . leider muß ich nun doch über mich selbst sprechen, indem ich
sage, daß sie wohl mein größtes Werk was ich geschrieben." Sogleich heißt
es weiter: „Eine neue große Simphonie. welche ein Finale hat mit eintreten¬
den Singstimmen. Solo und Chören mit den Worten von Schiller's unsterb¬
lichem Lied an die Freude auf die Art wie meine Clavierfantasie mit Chor,
jedoch weit größer gehalten als selbe." Und dieser Taxirung entsprechend ist
hier das Honorar nur 600 si., während es dort 1000 si. sind. Man stand
dem Werke mit der eigenen Empfindung noch zu nahe, um den rechten Werth-
wesser dafür zu finden, und bei der Messe wirkte der heilige Vorwurf das
eigene Urtheil bindend mit. Auch blieb die „Neunte" immer nur eine —
Simphonie, und eine solche wird selbst bei Beethoven damals mit blos
40—60 Duc. d. h. 2 — 300 si, taxirt. Also war 600 si. immer noch viel,
sehr viel.

Probst erbittet sich am 22. März die Lieder, die Bagatellen und die
Ouvertüre für „100 Stück vollwichtige Ducaten" und behält sich, wenn dieses
Geschäft zur beiderseitigen Zufriedenheit geordnet sei, den Entschluß wegen
Messe und Symphonie vor. Beethoven schreibt auf diesen Brief: „Glauben
Sie nur nicht, Gewäsche, ich habe jetzt keine Zeit um Sie darüber aufzu¬
klären, habe alle Beweise in Händen, nächstens." Die „Differenz" die Beethoven
Mit dem Leipziger Verleger Peters „in einem ähnlichen Unternehmen" ge¬
habt haben sollte, hatte nämlich diesen neuen Verleger erst die Manuscripte
sehen lassen wollen. Zu seiner Beschämung muß Beethoven auch darauf ein¬
gehen. Am 3. Juli meldet er die Vollendung der Abschrift der betreffenden
Sachen und bittet das Geld anzuweisen. Probst geht am 16. August 1824
auf den Handel ein. Allein derweilen hatte sich etwas besseres gefunden für
den Bruder „Judas Ischarioth". der all diese Sachen besaß.

Schott in Mainz nämlich hatte am 24. März 1824 dem Herrn „Hof-
Kapellmeister" von Beethoven auf seine Anträge in einer besonders ehrerbietig
offenen Weise geantwortet, sich zwar zunächst nur das angebotene Quartett um
60 Duc. aber dies auch bedingungslos erbeten und dabei gesagt: „Ihre
große solenne Messe sowie Ihre neue Sinfonie liegt uns zwar auch sehr am
Herzen und wir würden beide Werke nur mit großem Leid als solche glänzen¬
den Sterne in einem andern Catalog prangen sehen und fragen deßhalb an,
ob Sie wohl geneigt wären das Honorar in 4 Terminen von 6 zu 6 Monaten
in Empfang zu nehmen. Unter diesen Verhältnissen wagen wir den Verlag


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/211>, abgerufen am 22.07.2024.