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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Pyramide in höchst schlanker Form bis zu einer Höhe von vierundsechzig
Fuß empor.

Hiernach wird das folgende keine Erklärung weiter bedürfen.

Der Fuß soll ausgeführt werden "werklich doch nicht köstlich von Arbeit".
Darüber ein Gang mit zwei Stiegen, "welche Stiegen und Gang mit samt
allen Gelehnen subtil werklich ausgegraben und fast wohl gemacht werden
sollen." Folgt die Beschreibung des Corpus des Sacramenthauses mir den
drei Eingängen (nämlich vorn und rechts und links an der Seite, während
die Rückwand am Pfeiler lehnt). Hier werden als Skulpturen angebracht
Maria und Gabriel, oben Gott Vater in einem Gewölk mit Eingießung
Gottes des Sohnes. Ueber diesen drei Materien ein hübscher wohlgemachter
wohlgekleideter Auszug mit aller Zubehörung. Darauf die Geißelung mit
den zubehörenden Possen der Juden, Pilatus und Eccehomo mit zugehörenden
Gedräng der Juden; Beurtheilung mit einem zu gebührenden Gedräng. Da
dies Werk sich höher befindet, braucht es nicht so subtil gemacht zu werden
als das untere. Ganz Oben ein freier Auszug; darin Christus am Kreuz
nebst Johannes, Maria und Magdalena.

Der Meister soll "stetig verbunden sein mit sein selbs Leib zu ar¬
beiten und zusamt ihm bestellen vier, auf das mindeste drei Gesellen
redlich und künstlich zu solcher Arbeit". Zu seinen anderen Arbeiten und
zur Unterweisung seiner Gesellen soll der Meister täglich nur eine Stunde
verwenden, es wollte es ihm denn Jmhof verstatten. -- Der Stein wird ihm
geliefert. Die übrigen Kosten hat er selbst zu tragen. Doch sagt betreffs
des Gerüstes der Stadtbaumeister zu Se. Lorenzen Hülfe zu.

Das Werk soll in drei Jahren vollendet sein und 700 si. kosten, welche
Summe Jmhof gehalten ist dem Meister zu zahlen, "wo er anders erkennen
kann, daß er solches an dem Werk verdient hab." Im Streitsalle soll ein
Schiedsgericht entscheiden; doch soll der Preis keinesfalls über 700 si. steigen.

Was sagt der geneigte Leser zu solchem Contract? Mir scheint er ge¬
mäß dem Charakter der Zeit, etwas hausbacken aber für den Künstler doch
viel handlicher und erfreulicher als das jetzt beliebte Chicaniren mit Con-
wrrenzen, bei denen doch bisweilen Menschliches zu geschehen pflegt, wenn nicht
die gesammte Leistung als "schätzbares Material" zu den Acten genommen
wird -- mas auch vorkommt.


Max Allihn.


Pyramide in höchst schlanker Form bis zu einer Höhe von vierundsechzig
Fuß empor.

Hiernach wird das folgende keine Erklärung weiter bedürfen.

Der Fuß soll ausgeführt werden „werklich doch nicht köstlich von Arbeit".
Darüber ein Gang mit zwei Stiegen, „welche Stiegen und Gang mit samt
allen Gelehnen subtil werklich ausgegraben und fast wohl gemacht werden
sollen." Folgt die Beschreibung des Corpus des Sacramenthauses mir den
drei Eingängen (nämlich vorn und rechts und links an der Seite, während
die Rückwand am Pfeiler lehnt). Hier werden als Skulpturen angebracht
Maria und Gabriel, oben Gott Vater in einem Gewölk mit Eingießung
Gottes des Sohnes. Ueber diesen drei Materien ein hübscher wohlgemachter
wohlgekleideter Auszug mit aller Zubehörung. Darauf die Geißelung mit
den zubehörenden Possen der Juden, Pilatus und Eccehomo mit zugehörenden
Gedräng der Juden; Beurtheilung mit einem zu gebührenden Gedräng. Da
dies Werk sich höher befindet, braucht es nicht so subtil gemacht zu werden
als das untere. Ganz Oben ein freier Auszug; darin Christus am Kreuz
nebst Johannes, Maria und Magdalena.

Der Meister soll „stetig verbunden sein mit sein selbs Leib zu ar¬
beiten und zusamt ihm bestellen vier, auf das mindeste drei Gesellen
redlich und künstlich zu solcher Arbeit". Zu seinen anderen Arbeiten und
zur Unterweisung seiner Gesellen soll der Meister täglich nur eine Stunde
verwenden, es wollte es ihm denn Jmhof verstatten. — Der Stein wird ihm
geliefert. Die übrigen Kosten hat er selbst zu tragen. Doch sagt betreffs
des Gerüstes der Stadtbaumeister zu Se. Lorenzen Hülfe zu.

Das Werk soll in drei Jahren vollendet sein und 700 si. kosten, welche
Summe Jmhof gehalten ist dem Meister zu zahlen, „wo er anders erkennen
kann, daß er solches an dem Werk verdient hab." Im Streitsalle soll ein
Schiedsgericht entscheiden; doch soll der Preis keinesfalls über 700 si. steigen.

Was sagt der geneigte Leser zu solchem Contract? Mir scheint er ge¬
mäß dem Charakter der Zeit, etwas hausbacken aber für den Künstler doch
viel handlicher und erfreulicher als das jetzt beliebte Chicaniren mit Con-
wrrenzen, bei denen doch bisweilen Menschliches zu geschehen pflegt, wenn nicht
die gesammte Leistung als „schätzbares Material" zu den Acten genommen
wird — mas auch vorkommt.


Max Allihn.


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[0195] Pyramide in höchst schlanker Form bis zu einer Höhe von vierundsechzig Fuß empor. Hiernach wird das folgende keine Erklärung weiter bedürfen. Der Fuß soll ausgeführt werden „werklich doch nicht köstlich von Arbeit". Darüber ein Gang mit zwei Stiegen, „welche Stiegen und Gang mit samt allen Gelehnen subtil werklich ausgegraben und fast wohl gemacht werden sollen." Folgt die Beschreibung des Corpus des Sacramenthauses mir den drei Eingängen (nämlich vorn und rechts und links an der Seite, während die Rückwand am Pfeiler lehnt). Hier werden als Skulpturen angebracht Maria und Gabriel, oben Gott Vater in einem Gewölk mit Eingießung Gottes des Sohnes. Ueber diesen drei Materien ein hübscher wohlgemachter wohlgekleideter Auszug mit aller Zubehörung. Darauf die Geißelung mit den zubehörenden Possen der Juden, Pilatus und Eccehomo mit zugehörenden Gedräng der Juden; Beurtheilung mit einem zu gebührenden Gedräng. Da dies Werk sich höher befindet, braucht es nicht so subtil gemacht zu werden als das untere. Ganz Oben ein freier Auszug; darin Christus am Kreuz nebst Johannes, Maria und Magdalena. Der Meister soll „stetig verbunden sein mit sein selbs Leib zu ar¬ beiten und zusamt ihm bestellen vier, auf das mindeste drei Gesellen redlich und künstlich zu solcher Arbeit". Zu seinen anderen Arbeiten und zur Unterweisung seiner Gesellen soll der Meister täglich nur eine Stunde verwenden, es wollte es ihm denn Jmhof verstatten. — Der Stein wird ihm geliefert. Die übrigen Kosten hat er selbst zu tragen. Doch sagt betreffs des Gerüstes der Stadtbaumeister zu Se. Lorenzen Hülfe zu. Das Werk soll in drei Jahren vollendet sein und 700 si. kosten, welche Summe Jmhof gehalten ist dem Meister zu zahlen, „wo er anders erkennen kann, daß er solches an dem Werk verdient hab." Im Streitsalle soll ein Schiedsgericht entscheiden; doch soll der Preis keinesfalls über 700 si. steigen. Was sagt der geneigte Leser zu solchem Contract? Mir scheint er ge¬ mäß dem Charakter der Zeit, etwas hausbacken aber für den Künstler doch viel handlicher und erfreulicher als das jetzt beliebte Chicaniren mit Con- wrrenzen, bei denen doch bisweilen Menschliches zu geschehen pflegt, wenn nicht die gesammte Leistung als „schätzbares Material" zu den Acten genommen wird — mas auch vorkommt. Max Allihn.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/195>, abgerufen am 24.08.2024.