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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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die "Liberal-Republikaner" unter Lyman Trumbull, Karl Schurz u. A. ver¬
schiedene Fehler gemacht und namentlich Horace Greeley gegen Grant als
Präsidentschaftskandidaten aufgestellt hätten. Bei den letzten Kongreßwahlen
trat nun die Unzufriedenheit des Volkes mit dem Regiments der "regulären"
oder "Grant-Republikaner" von Neuem gar deutlich dadurch hervor, daß
letztere die seit einer langen Reihe von Jahren innegehabte Mehrheit von
Sitzen im Repräsentantenhause der Bundeslegislatur verloren. Die Aus¬
sichten der Demokraten auf Erfolg besserten sich zusehends, und wenn die¬
selben im Stande waren, ihre alten verbissenen, abgenutzten und doppelzün¬
gigen Führer bei Seite zu werfen und an deren Stelle jüngere, ehrliche und
fähige Männer zu setzen, so durften sie wohl darauf rechnen, in der Präsi¬
dentenwahl des Jahres 1876 zu siegen. Sie durften dies um so mehr, wenn
es ihnen gelang, eine unbescholtene und geachtete Persönlichkeit als Präsident¬
schaftskandidaten zu finden und durch ein weises, zeitgemäßes Wahlprogramm
die in der Bildung begriffene Partei der "Unabhängigen" (IiiäepsmZents), zu
der u. A. Karl Schurz zählt, zu sich herüberzuziehen.

So ungefähr standen die Sachen, als plötzlich die Jnflationsdemokraten
in Ohio und Pennsylvanien durch ihre verhängnißvolle Geldpolitik der
nahezu abgewirthschafteten Partei der Republikaner neue Lebenskraft ein¬
flößten.

Man würde sich indessen, nach unserer Ansicht, sehr irren, wenn man
das Verdienst, die Jnflationisten in der Staatswahl von Ohio besiegt zu
haben, den dortigen Republikanern allein oder der regulär-republikanischen
Partei überhaupt zuschreiben wollte. Dies Verdienst gebührt zum großen,
wenn nicht zum größten Theile der muthigen und energischen Haltung der
vom Gouverneur Samuel I. Tilden geführten, durchgreifenden und zeit¬
gemäßen Reformen huldigenden Demokratie des Staates New-Aork und der
siegreichen Beredsamkeit von Karl Schurz, der mit staatsmännischem Blick
zur rechten Zeit der guten Sache zur Hülfe eilte. Indirekt mag auch der
Umstand zur Niederlage der Jnflationspartei in Ohio beigetragen haben,
daß letztere die vaterlandslosen Ultramontanen zu ihren Bundesgenos¬
sen zählte.

Die am 17. September d. I. zu Syraeuse im Staate New-Uork tagende
demokratische Staatsconvention stellte eine Platform auf, die nur Gold und
Silber als "Legat Tender", d. i. gesetzliches Zahlungsmittel, anerkennt. Diese
treffliche Platform verwirft außerdem jedes uneinlösbare Papiergeld, verlangt
schleunige Rückkehr zur Hartgeldwährung und findet die Ursachen der gegen¬
wärtig auch in der nordamerikanischen Union vielfach herrschenden Handels¬
krisis nicht, wie die meisten Führer der demokratischen Partei in Ohio und
Pennsylvanien es thaten und noch thun, darin, daß es in den Vereinigten


die „Liberal-Republikaner" unter Lyman Trumbull, Karl Schurz u. A. ver¬
schiedene Fehler gemacht und namentlich Horace Greeley gegen Grant als
Präsidentschaftskandidaten aufgestellt hätten. Bei den letzten Kongreßwahlen
trat nun die Unzufriedenheit des Volkes mit dem Regiments der „regulären"
oder „Grant-Republikaner" von Neuem gar deutlich dadurch hervor, daß
letztere die seit einer langen Reihe von Jahren innegehabte Mehrheit von
Sitzen im Repräsentantenhause der Bundeslegislatur verloren. Die Aus¬
sichten der Demokraten auf Erfolg besserten sich zusehends, und wenn die¬
selben im Stande waren, ihre alten verbissenen, abgenutzten und doppelzün¬
gigen Führer bei Seite zu werfen und an deren Stelle jüngere, ehrliche und
fähige Männer zu setzen, so durften sie wohl darauf rechnen, in der Präsi¬
dentenwahl des Jahres 1876 zu siegen. Sie durften dies um so mehr, wenn
es ihnen gelang, eine unbescholtene und geachtete Persönlichkeit als Präsident¬
schaftskandidaten zu finden und durch ein weises, zeitgemäßes Wahlprogramm
die in der Bildung begriffene Partei der „Unabhängigen" (IiiäepsmZents), zu
der u. A. Karl Schurz zählt, zu sich herüberzuziehen.

So ungefähr standen die Sachen, als plötzlich die Jnflationsdemokraten
in Ohio und Pennsylvanien durch ihre verhängnißvolle Geldpolitik der
nahezu abgewirthschafteten Partei der Republikaner neue Lebenskraft ein¬
flößten.

Man würde sich indessen, nach unserer Ansicht, sehr irren, wenn man
das Verdienst, die Jnflationisten in der Staatswahl von Ohio besiegt zu
haben, den dortigen Republikanern allein oder der regulär-republikanischen
Partei überhaupt zuschreiben wollte. Dies Verdienst gebührt zum großen,
wenn nicht zum größten Theile der muthigen und energischen Haltung der
vom Gouverneur Samuel I. Tilden geführten, durchgreifenden und zeit¬
gemäßen Reformen huldigenden Demokratie des Staates New-Aork und der
siegreichen Beredsamkeit von Karl Schurz, der mit staatsmännischem Blick
zur rechten Zeit der guten Sache zur Hülfe eilte. Indirekt mag auch der
Umstand zur Niederlage der Jnflationspartei in Ohio beigetragen haben,
daß letztere die vaterlandslosen Ultramontanen zu ihren Bundesgenos¬
sen zählte.

Die am 17. September d. I. zu Syraeuse im Staate New-Uork tagende
demokratische Staatsconvention stellte eine Platform auf, die nur Gold und
Silber als „Legat Tender", d. i. gesetzliches Zahlungsmittel, anerkennt. Diese
treffliche Platform verwirft außerdem jedes uneinlösbare Papiergeld, verlangt
schleunige Rückkehr zur Hartgeldwährung und findet die Ursachen der gegen¬
wärtig auch in der nordamerikanischen Union vielfach herrschenden Handels¬
krisis nicht, wie die meisten Führer der demokratischen Partei in Ohio und
Pennsylvanien es thaten und noch thun, darin, daß es in den Vereinigten


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[0178] die „Liberal-Republikaner" unter Lyman Trumbull, Karl Schurz u. A. ver¬ schiedene Fehler gemacht und namentlich Horace Greeley gegen Grant als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt hätten. Bei den letzten Kongreßwahlen trat nun die Unzufriedenheit des Volkes mit dem Regiments der „regulären" oder „Grant-Republikaner" von Neuem gar deutlich dadurch hervor, daß letztere die seit einer langen Reihe von Jahren innegehabte Mehrheit von Sitzen im Repräsentantenhause der Bundeslegislatur verloren. Die Aus¬ sichten der Demokraten auf Erfolg besserten sich zusehends, und wenn die¬ selben im Stande waren, ihre alten verbissenen, abgenutzten und doppelzün¬ gigen Führer bei Seite zu werfen und an deren Stelle jüngere, ehrliche und fähige Männer zu setzen, so durften sie wohl darauf rechnen, in der Präsi¬ dentenwahl des Jahres 1876 zu siegen. Sie durften dies um so mehr, wenn es ihnen gelang, eine unbescholtene und geachtete Persönlichkeit als Präsident¬ schaftskandidaten zu finden und durch ein weises, zeitgemäßes Wahlprogramm die in der Bildung begriffene Partei der „Unabhängigen" (IiiäepsmZents), zu der u. A. Karl Schurz zählt, zu sich herüberzuziehen. So ungefähr standen die Sachen, als plötzlich die Jnflationsdemokraten in Ohio und Pennsylvanien durch ihre verhängnißvolle Geldpolitik der nahezu abgewirthschafteten Partei der Republikaner neue Lebenskraft ein¬ flößten. Man würde sich indessen, nach unserer Ansicht, sehr irren, wenn man das Verdienst, die Jnflationisten in der Staatswahl von Ohio besiegt zu haben, den dortigen Republikanern allein oder der regulär-republikanischen Partei überhaupt zuschreiben wollte. Dies Verdienst gebührt zum großen, wenn nicht zum größten Theile der muthigen und energischen Haltung der vom Gouverneur Samuel I. Tilden geführten, durchgreifenden und zeit¬ gemäßen Reformen huldigenden Demokratie des Staates New-Aork und der siegreichen Beredsamkeit von Karl Schurz, der mit staatsmännischem Blick zur rechten Zeit der guten Sache zur Hülfe eilte. Indirekt mag auch der Umstand zur Niederlage der Jnflationspartei in Ohio beigetragen haben, daß letztere die vaterlandslosen Ultramontanen zu ihren Bundesgenos¬ sen zählte. Die am 17. September d. I. zu Syraeuse im Staate New-Uork tagende demokratische Staatsconvention stellte eine Platform auf, die nur Gold und Silber als „Legat Tender", d. i. gesetzliches Zahlungsmittel, anerkennt. Diese treffliche Platform verwirft außerdem jedes uneinlösbare Papiergeld, verlangt schleunige Rückkehr zur Hartgeldwährung und findet die Ursachen der gegen¬ wärtig auch in der nordamerikanischen Union vielfach herrschenden Handels¬ krisis nicht, wie die meisten Führer der demokratischen Partei in Ohio und Pennsylvanien es thaten und noch thun, darin, daß es in den Vereinigten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/178>, abgerufen am 22.07.2024.