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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Flammentode preisgegeben. Ferner führten die Leute des Athanarich Götzen¬
bilder von Haus zu Haus, und wo die Verehrung verweigert wurde, ver¬
brannten sie die Wohnungen sammt den Bewohnern. Ja, als sich um die
Presbyter Vereka und Batvins im Gotteshaus die Gemeinde gesammelt hatte,
ließ Athanarich Feuer anlegen, so daß diese 2 Geistlichen und 24 Gläubige
den Tod fanden. Einem anderen Theile des von Ulfilas bekehrten Volkes
aber gelang es, zu entkommen, und wie einst "die Kinder Israel vor dem
tyrannischen Wüthen des ägyptischen Pharao über das rothe,Meer gerettet
wurden", so wußte Ulfilas die Flüchtigen um sich zu sammeln und eine große
Menge von Confefsoren über die Donau zu führen 348. Er sandte Boten
an den Kaiser, die um Aufnahme des vertriebenen Volkes in >le Grenzen des
römischen Reiches bitten sollten. Constantius war damals in einem harten
Wassergange mit der immer furchtbarer aufstrebenden Persermacht begriffen
und hatte in der Schlacht bei Singara in Mesopotamien eine schimpfliche
Niederlage erlitten. Gerade jetzt, wo es mit Aufbietung aller Hilfsmittel
nicht gelang, die Verwüstung unbezwinglicher Feinde von den Ostgrenzen des
Reichs fern zu halten, mußte dem Kaiser, sollte man meinen, alles daran
gelegen sein, das im Norden drohende Unwetter, das sein Vater kaum be¬
schworen hatte, abzulenken und durch Abweisung der Hilfeflehenden den
mächtigen Gothenfürsten Athanarich zu gewinnen. Doch hinderte ihn daran
das Wohlwollen, welches er gegen Ulfilas noch von früher her hegte, und
der Umstand, daß derselbe ja in seinem Sinne unter den Gothen gewirkt
hatte. Ehrenvoll und mit unzweideutigen Zeichen seiner Huld nahm er ihn
aus und nannte ihn später noch oft den Moses seines Volkes. Südlich von
dem durch Trajan erbauten Nikopoli an der Donau in Moslem, der jetzigen
Bulgarei, wurden den Ankömmlingen Wohnsitze angewiesen. Diese Gegend
hat viel Aehnlichkeit mit dem jetzigen Königreich Sachsen. Wie das Erz¬
gebirge nach Süden rasch abfällt, nach Norden allmählich sich zur Tiefebene
senkt, so dort der Hanns oder Balkan. Wie hier die nördliche Abdachung
rauhes unfreundliches Klima hat, das südliche Egergebiet sich weit größerer
Wärme erfreut, so fühlt man sich nördlich vom Balkan noch in Mitteleuropa,
an der entgegengesetzten Seite des Gebirgs, im Gebiete der Maritza aber
gedeiht der üppige Pflanzenwuchs des Südens. Wie hier von den rundlichen
und langgestreckten Bergen des Kammes tief eingefurchte Flußthäler mit
saftigen Viehweiden und reichlichen Wäldern nach den Tiefebenen des Nordens
herabführen, so auch dort, nur daß damals vor dem großem Reichthum an
Bäumen und dem Mangel an Menschen in diesem den feindlichen Einfällen
häufig'ausgesetzten Lande der Ruhm desselben als Kornkammer des Ostens noch
nicht auskommen konnte.

Auf dieser nördlichen Abdachung des Balkan also ließ sich Ulfilas mit


Flammentode preisgegeben. Ferner führten die Leute des Athanarich Götzen¬
bilder von Haus zu Haus, und wo die Verehrung verweigert wurde, ver¬
brannten sie die Wohnungen sammt den Bewohnern. Ja, als sich um die
Presbyter Vereka und Batvins im Gotteshaus die Gemeinde gesammelt hatte,
ließ Athanarich Feuer anlegen, so daß diese 2 Geistlichen und 24 Gläubige
den Tod fanden. Einem anderen Theile des von Ulfilas bekehrten Volkes
aber gelang es, zu entkommen, und wie einst „die Kinder Israel vor dem
tyrannischen Wüthen des ägyptischen Pharao über das rothe,Meer gerettet
wurden", so wußte Ulfilas die Flüchtigen um sich zu sammeln und eine große
Menge von Confefsoren über die Donau zu führen 348. Er sandte Boten
an den Kaiser, die um Aufnahme des vertriebenen Volkes in >le Grenzen des
römischen Reiches bitten sollten. Constantius war damals in einem harten
Wassergange mit der immer furchtbarer aufstrebenden Persermacht begriffen
und hatte in der Schlacht bei Singara in Mesopotamien eine schimpfliche
Niederlage erlitten. Gerade jetzt, wo es mit Aufbietung aller Hilfsmittel
nicht gelang, die Verwüstung unbezwinglicher Feinde von den Ostgrenzen des
Reichs fern zu halten, mußte dem Kaiser, sollte man meinen, alles daran
gelegen sein, das im Norden drohende Unwetter, das sein Vater kaum be¬
schworen hatte, abzulenken und durch Abweisung der Hilfeflehenden den
mächtigen Gothenfürsten Athanarich zu gewinnen. Doch hinderte ihn daran
das Wohlwollen, welches er gegen Ulfilas noch von früher her hegte, und
der Umstand, daß derselbe ja in seinem Sinne unter den Gothen gewirkt
hatte. Ehrenvoll und mit unzweideutigen Zeichen seiner Huld nahm er ihn
aus und nannte ihn später noch oft den Moses seines Volkes. Südlich von
dem durch Trajan erbauten Nikopoli an der Donau in Moslem, der jetzigen
Bulgarei, wurden den Ankömmlingen Wohnsitze angewiesen. Diese Gegend
hat viel Aehnlichkeit mit dem jetzigen Königreich Sachsen. Wie das Erz¬
gebirge nach Süden rasch abfällt, nach Norden allmählich sich zur Tiefebene
senkt, so dort der Hanns oder Balkan. Wie hier die nördliche Abdachung
rauhes unfreundliches Klima hat, das südliche Egergebiet sich weit größerer
Wärme erfreut, so fühlt man sich nördlich vom Balkan noch in Mitteleuropa,
an der entgegengesetzten Seite des Gebirgs, im Gebiete der Maritza aber
gedeiht der üppige Pflanzenwuchs des Südens. Wie hier von den rundlichen
und langgestreckten Bergen des Kammes tief eingefurchte Flußthäler mit
saftigen Viehweiden und reichlichen Wäldern nach den Tiefebenen des Nordens
herabführen, so auch dort, nur daß damals vor dem großem Reichthum an
Bäumen und dem Mangel an Menschen in diesem den feindlichen Einfällen
häufig'ausgesetzten Lande der Ruhm desselben als Kornkammer des Ostens noch
nicht auskommen konnte.

Auf dieser nördlichen Abdachung des Balkan also ließ sich Ulfilas mit


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[0012] Flammentode preisgegeben. Ferner führten die Leute des Athanarich Götzen¬ bilder von Haus zu Haus, und wo die Verehrung verweigert wurde, ver¬ brannten sie die Wohnungen sammt den Bewohnern. Ja, als sich um die Presbyter Vereka und Batvins im Gotteshaus die Gemeinde gesammelt hatte, ließ Athanarich Feuer anlegen, so daß diese 2 Geistlichen und 24 Gläubige den Tod fanden. Einem anderen Theile des von Ulfilas bekehrten Volkes aber gelang es, zu entkommen, und wie einst „die Kinder Israel vor dem tyrannischen Wüthen des ägyptischen Pharao über das rothe,Meer gerettet wurden", so wußte Ulfilas die Flüchtigen um sich zu sammeln und eine große Menge von Confefsoren über die Donau zu führen 348. Er sandte Boten an den Kaiser, die um Aufnahme des vertriebenen Volkes in >le Grenzen des römischen Reiches bitten sollten. Constantius war damals in einem harten Wassergange mit der immer furchtbarer aufstrebenden Persermacht begriffen und hatte in der Schlacht bei Singara in Mesopotamien eine schimpfliche Niederlage erlitten. Gerade jetzt, wo es mit Aufbietung aller Hilfsmittel nicht gelang, die Verwüstung unbezwinglicher Feinde von den Ostgrenzen des Reichs fern zu halten, mußte dem Kaiser, sollte man meinen, alles daran gelegen sein, das im Norden drohende Unwetter, das sein Vater kaum be¬ schworen hatte, abzulenken und durch Abweisung der Hilfeflehenden den mächtigen Gothenfürsten Athanarich zu gewinnen. Doch hinderte ihn daran das Wohlwollen, welches er gegen Ulfilas noch von früher her hegte, und der Umstand, daß derselbe ja in seinem Sinne unter den Gothen gewirkt hatte. Ehrenvoll und mit unzweideutigen Zeichen seiner Huld nahm er ihn aus und nannte ihn später noch oft den Moses seines Volkes. Südlich von dem durch Trajan erbauten Nikopoli an der Donau in Moslem, der jetzigen Bulgarei, wurden den Ankömmlingen Wohnsitze angewiesen. Diese Gegend hat viel Aehnlichkeit mit dem jetzigen Königreich Sachsen. Wie das Erz¬ gebirge nach Süden rasch abfällt, nach Norden allmählich sich zur Tiefebene senkt, so dort der Hanns oder Balkan. Wie hier die nördliche Abdachung rauhes unfreundliches Klima hat, das südliche Egergebiet sich weit größerer Wärme erfreut, so fühlt man sich nördlich vom Balkan noch in Mitteleuropa, an der entgegengesetzten Seite des Gebirgs, im Gebiete der Maritza aber gedeiht der üppige Pflanzenwuchs des Südens. Wie hier von den rundlichen und langgestreckten Bergen des Kammes tief eingefurchte Flußthäler mit saftigen Viehweiden und reichlichen Wäldern nach den Tiefebenen des Nordens herabführen, so auch dort, nur daß damals vor dem großem Reichthum an Bäumen und dem Mangel an Menschen in diesem den feindlichen Einfällen häufig'ausgesetzten Lande der Ruhm desselben als Kornkammer des Ostens noch nicht auskommen konnte. Auf dieser nördlichen Abdachung des Balkan also ließ sich Ulfilas mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/12>, abgerufen am 26.06.2024.