Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

regierungsrathes Hertzog. im Reichslande anknüpft. Dieselbe betrifft einen
"och immer ziemlich wunden Fleck in der Landesverwaltung. Herr Hertzog
soll nämlich bei jener Gelegenheit eine Unterredung mit einigen elsässischen
Notabilitäten gehabt haben, wobei u. A. das Thema von den Schulen und
dem Unterricht im Französischen in denselben aufs Tapet gebracht worden
s^n soll. Da habe nun einer der Elsässer Herrn Hertzog an die "große
Duldsamkeit" erinnert, welche die französische Regierung während zwei voller
^hrhunderte in Sachen des Unterrichts in der Deutschen Sprache gezeigt,
^as die Elsässer nicht verhindert habe, "sehr gute Franzosen zu werden",
wiewohl sie fortfuhren Deutsch zu reden. "Wir wollen hoffen , bemerkte das
^kalt hierzu, daß diese Betrachtungen einigen Eindruck auf Herrn Hertzog
^welche haben und daß, wenn er darüber nachdenkt, er einsehen wird, welchen
Mißgriff die deutsche Regierung in Sachen der Schule und des französischen
Unterrichts gemacht hat." Schwerlich! Wie wir gleich sehen werden, liegt
Sache denn doch ein Bischen anders, und man hat ihr einfach ein
Mäntelchen umgehangen und dabei, wie gewöhnlich, schöne Farben nicht
Seschont.

Ohne mich hier auf irgend einen prinzipiellen Standpunkt in der be¬
rittenen Sprachenfrage, die ja in utram^us Mrtom oft genug ventilirt
worden, stellen zu wollen, muß man doch sagen, daß es in Hinblick auf ge¬
wisse Thatsachen mit jener gepriesenen französischen Duldsamkeit nicht so weit
^ gewesen ist. Vor und kurz nach der französischen Revolution mochte
seine Richtigkeit haben. Damals war eben das Nationalitäts-Prinzip,
essen Kern und Grundstock ja eben die Conservirung der nationalen Sprache
^' noch nicht in dem Maße als das eigentlich staatenbildende Prinzip an-
^arme, wie heutzutage. Die Nationen als solche standen sich noch nicht
^° schroff und abgeschlossen einander gegenüber, wie zu unserer Zeit.
^Mals mochte also ein derartiges l^isser kg.irv se passer hier und da
^atz greifen. Ganz anders aber in unserm Jahrhundert, namentlich in
^ 30er und 40er Jahren, der Blüthezeit des Chauvinismus. Wie man's
^Mals im Elsaß mit dem Unterricht in der deutschen Sprache in der Volks¬
schule gehalten hat, darüber möge statt meiner folgendes wahre Histörchen
^ Belege dienen, das ich aus dem Munde einer ehrlichen oberelsässischen
^uerin aus K . .s. . heim habe:

In K----heim lehrten zu jener Zeit, wie allenthalben, die frommen
^chulschmestern in den Mädchenschulen. Es war von denselben den Kindern
^uf das All erstrengste verboten worden, in der Schule auch nur ein
^5ort Deutsch zu sprechen. Wer gegen dieses Verbot sündigte, mußte für
iedes Wort 1 Sou bezahlen, was theils dem Borromäus-Verein zur Ber¬
atung des Glaubens, theils dem armen heiligen Vater als Peterspsennig


regierungsrathes Hertzog. im Reichslande anknüpft. Dieselbe betrifft einen
"och immer ziemlich wunden Fleck in der Landesverwaltung. Herr Hertzog
soll nämlich bei jener Gelegenheit eine Unterredung mit einigen elsässischen
Notabilitäten gehabt haben, wobei u. A. das Thema von den Schulen und
dem Unterricht im Französischen in denselben aufs Tapet gebracht worden
s^n soll. Da habe nun einer der Elsässer Herrn Hertzog an die „große
Duldsamkeit" erinnert, welche die französische Regierung während zwei voller
^hrhunderte in Sachen des Unterrichts in der Deutschen Sprache gezeigt,
^as die Elsässer nicht verhindert habe, „sehr gute Franzosen zu werden",
wiewohl sie fortfuhren Deutsch zu reden. „Wir wollen hoffen , bemerkte das
^kalt hierzu, daß diese Betrachtungen einigen Eindruck auf Herrn Hertzog
^welche haben und daß, wenn er darüber nachdenkt, er einsehen wird, welchen
Mißgriff die deutsche Regierung in Sachen der Schule und des französischen
Unterrichts gemacht hat." Schwerlich! Wie wir gleich sehen werden, liegt
Sache denn doch ein Bischen anders, und man hat ihr einfach ein
Mäntelchen umgehangen und dabei, wie gewöhnlich, schöne Farben nicht
Seschont.

Ohne mich hier auf irgend einen prinzipiellen Standpunkt in der be¬
rittenen Sprachenfrage, die ja in utram^us Mrtom oft genug ventilirt
worden, stellen zu wollen, muß man doch sagen, daß es in Hinblick auf ge¬
wisse Thatsachen mit jener gepriesenen französischen Duldsamkeit nicht so weit
^ gewesen ist. Vor und kurz nach der französischen Revolution mochte
seine Richtigkeit haben. Damals war eben das Nationalitäts-Prinzip,
essen Kern und Grundstock ja eben die Conservirung der nationalen Sprache
^' noch nicht in dem Maße als das eigentlich staatenbildende Prinzip an-
^arme, wie heutzutage. Die Nationen als solche standen sich noch nicht
^° schroff und abgeschlossen einander gegenüber, wie zu unserer Zeit.
^Mals mochte also ein derartiges l^isser kg.irv se passer hier und da
^atz greifen. Ganz anders aber in unserm Jahrhundert, namentlich in
^ 30er und 40er Jahren, der Blüthezeit des Chauvinismus. Wie man's
^Mals im Elsaß mit dem Unterricht in der deutschen Sprache in der Volks¬
schule gehalten hat, darüber möge statt meiner folgendes wahre Histörchen
^ Belege dienen, das ich aus dem Munde einer ehrlichen oberelsässischen
^uerin aus K . .s. . heim habe:

In K----heim lehrten zu jener Zeit, wie allenthalben, die frommen
^chulschmestern in den Mädchenschulen. Es war von denselben den Kindern
^uf das All erstrengste verboten worden, in der Schule auch nur ein
^5ort Deutsch zu sprechen. Wer gegen dieses Verbot sündigte, mußte für
iedes Wort 1 Sou bezahlen, was theils dem Borromäus-Verein zur Ber¬
atung des Glaubens, theils dem armen heiligen Vater als Peterspsennig


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0115" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134461"/>
          <p xml:id="ID_312" prev="#ID_311"> regierungsrathes Hertzog. im Reichslande anknüpft. Dieselbe betrifft einen<lb/>
"och immer ziemlich wunden Fleck in der Landesverwaltung. Herr Hertzog<lb/>
soll nämlich bei jener Gelegenheit eine Unterredung mit einigen elsässischen<lb/>
Notabilitäten gehabt haben, wobei u. A. das Thema von den Schulen und<lb/>
dem Unterricht im Französischen in denselben aufs Tapet gebracht worden<lb/>
s^n soll. Da habe nun einer der Elsässer Herrn Hertzog an die &#x201E;große<lb/>
Duldsamkeit" erinnert, welche die französische Regierung während zwei voller<lb/>
^hrhunderte in Sachen des Unterrichts in der Deutschen Sprache gezeigt,<lb/>
^as die Elsässer nicht verhindert habe, &#x201E;sehr gute Franzosen zu werden",<lb/>
wiewohl sie fortfuhren Deutsch zu reden. &#x201E;Wir wollen hoffen , bemerkte das<lb/>
^kalt hierzu, daß diese Betrachtungen einigen Eindruck auf Herrn Hertzog<lb/>
^welche haben und daß, wenn er darüber nachdenkt, er einsehen wird, welchen<lb/>
Mißgriff die deutsche Regierung in Sachen der Schule und des französischen<lb/>
Unterrichts gemacht hat." Schwerlich! Wie wir gleich sehen werden, liegt<lb/>
Sache denn doch ein Bischen anders, und man hat ihr einfach ein<lb/>
Mäntelchen umgehangen und dabei, wie gewöhnlich, schöne Farben nicht<lb/>
Seschont.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_313"> Ohne mich hier auf irgend einen prinzipiellen Standpunkt in der be¬<lb/>
rittenen Sprachenfrage, die ja in utram^us Mrtom oft genug ventilirt<lb/>
worden, stellen zu wollen, muß man doch sagen, daß es in Hinblick auf ge¬<lb/>
wisse Thatsachen mit jener gepriesenen französischen Duldsamkeit nicht so weit<lb/>
^ gewesen ist. Vor und kurz nach der französischen Revolution mochte<lb/>
seine Richtigkeit haben. Damals war eben das Nationalitäts-Prinzip,<lb/>
essen Kern und Grundstock ja eben die Conservirung der nationalen Sprache<lb/>
^' noch nicht in dem Maße als das eigentlich staatenbildende Prinzip an-<lb/>
^arme, wie heutzutage. Die Nationen als solche standen sich noch nicht<lb/>
^° schroff  und  abgeschlossen  einander gegenüber, wie  zu  unserer Zeit.<lb/>
^Mals mochte also ein derartiges l^isser kg.irv se passer hier und da<lb/>
^atz greifen. Ganz anders aber in unserm Jahrhundert, namentlich in<lb/>
^ 30er und 40er Jahren, der Blüthezeit des Chauvinismus. Wie man's<lb/>
^Mals im Elsaß mit dem Unterricht in der deutschen Sprache in der Volks¬<lb/>
schule gehalten hat, darüber möge statt meiner folgendes wahre Histörchen<lb/>
^ Belege dienen, das ich aus dem Munde einer ehrlichen oberelsässischen<lb/>
^uerin aus K . .s. . heim habe:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_314" next="#ID_315"> In K----heim lehrten zu jener Zeit, wie allenthalben, die frommen<lb/>
^chulschmestern in den Mädchenschulen. Es war von denselben den Kindern<lb/>
^uf das All erstrengste verboten worden, in der Schule auch nur ein<lb/>
^5ort Deutsch zu sprechen. Wer gegen dieses Verbot sündigte, mußte für<lb/>
iedes Wort 1 Sou bezahlen, was theils dem Borromäus-Verein zur Ber¬<lb/>
atung des Glaubens, theils dem armen heiligen Vater als Peterspsennig</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0115] regierungsrathes Hertzog. im Reichslande anknüpft. Dieselbe betrifft einen "och immer ziemlich wunden Fleck in der Landesverwaltung. Herr Hertzog soll nämlich bei jener Gelegenheit eine Unterredung mit einigen elsässischen Notabilitäten gehabt haben, wobei u. A. das Thema von den Schulen und dem Unterricht im Französischen in denselben aufs Tapet gebracht worden s^n soll. Da habe nun einer der Elsässer Herrn Hertzog an die „große Duldsamkeit" erinnert, welche die französische Regierung während zwei voller ^hrhunderte in Sachen des Unterrichts in der Deutschen Sprache gezeigt, ^as die Elsässer nicht verhindert habe, „sehr gute Franzosen zu werden", wiewohl sie fortfuhren Deutsch zu reden. „Wir wollen hoffen , bemerkte das ^kalt hierzu, daß diese Betrachtungen einigen Eindruck auf Herrn Hertzog ^welche haben und daß, wenn er darüber nachdenkt, er einsehen wird, welchen Mißgriff die deutsche Regierung in Sachen der Schule und des französischen Unterrichts gemacht hat." Schwerlich! Wie wir gleich sehen werden, liegt Sache denn doch ein Bischen anders, und man hat ihr einfach ein Mäntelchen umgehangen und dabei, wie gewöhnlich, schöne Farben nicht Seschont. Ohne mich hier auf irgend einen prinzipiellen Standpunkt in der be¬ rittenen Sprachenfrage, die ja in utram^us Mrtom oft genug ventilirt worden, stellen zu wollen, muß man doch sagen, daß es in Hinblick auf ge¬ wisse Thatsachen mit jener gepriesenen französischen Duldsamkeit nicht so weit ^ gewesen ist. Vor und kurz nach der französischen Revolution mochte seine Richtigkeit haben. Damals war eben das Nationalitäts-Prinzip, essen Kern und Grundstock ja eben die Conservirung der nationalen Sprache ^' noch nicht in dem Maße als das eigentlich staatenbildende Prinzip an- ^arme, wie heutzutage. Die Nationen als solche standen sich noch nicht ^° schroff und abgeschlossen einander gegenüber, wie zu unserer Zeit. ^Mals mochte also ein derartiges l^isser kg.irv se passer hier und da ^atz greifen. Ganz anders aber in unserm Jahrhundert, namentlich in ^ 30er und 40er Jahren, der Blüthezeit des Chauvinismus. Wie man's ^Mals im Elsaß mit dem Unterricht in der deutschen Sprache in der Volks¬ schule gehalten hat, darüber möge statt meiner folgendes wahre Histörchen ^ Belege dienen, das ich aus dem Munde einer ehrlichen oberelsässischen ^uerin aus K . .s. . heim habe: In K----heim lehrten zu jener Zeit, wie allenthalben, die frommen ^chulschmestern in den Mädchenschulen. Es war von denselben den Kindern ^uf das All erstrengste verboten worden, in der Schule auch nur ein ^5ort Deutsch zu sprechen. Wer gegen dieses Verbot sündigte, mußte für iedes Wort 1 Sou bezahlen, was theils dem Borromäus-Verein zur Ber¬ atung des Glaubens, theils dem armen heiligen Vater als Peterspsennig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/115
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/115>, abgerufen am 24.08.2024.