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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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S. 207, 208.), in ihrem blinden Eifer, die Beweise ihrer gelehrten Cambridger
Gegner umzustoßen, sich zu einer offenbaren Fälschung hatten hinreißen lassen,
denn weder die erste Ausgabe des Asser vom Erzbischof Parker, noch die an¬
dern Handschriften enthielten eine Spur von dieser ganzen Angelegenheit.
Die Cambridger ihrerseits, die darzuthun strebten, daß ihre Universität von
Sigebert, König von Ostangeln, oder gar von einem gelehrten Spanier Can-
taber 378 v. Chr. gestiftet worden sei, suchten so die Gründung derselben in
noch grauere Vorzeit zurück zu verlegen. Dieser absurde Streit hat längst
ausgetobt, und es wird jetzt wohl ziemlich allgemein anerkannt, daß Oxford
in der That die besten Beweise für sein höheres Alter aufweisen kann, ohne
auf König Alfred's Zeit, wie es freilich noch vor einigen Jahren bei dem
tausendjährigen Jubiläum geschah, zurückgehen zu müssen.

Das älteste College in Oxford, University College, datirt vom Jahre
1249. Die Hauptveranlassung dazu wird vermuthlich die Uebersiedelung
einer Colonie Pariser Studenten gewesen sein, welche in Folge der dort
im Jahre 1229 ausgebrochenen heftigen Streitigkeiten zwischen der Universi¬
tät und den Bürgern auf Einladung Heinrich's des Dritten sich in Oxford
niederließen. Obwohl es nun feststeht, daß der Ort schon vor dieser Zeit als
Pflegestätte gelehrter Studien bekannt war, so datirt doch, wie es scheint,
erst von diesem Ereigniß seine eigentliche Bedeutung als Universität. Paris,
die älteste Hochschule diesseits der Alpen, wurde namentlich von England aus
stark besucht, ja, eine der vier Nationen, in welche sich die Studenten der
Fakultät der freien Künste schieden, hieß sogar die englische Nation.

Dies ist um so weniger zu verwundern, wenn wir uns erinnern, daß
der Hof, der Adel und die vornehmeren Stände in England während der
ersten Jahrhunderte nach der normännischen Eroberung der französischen
Sprache und Sitte ja vollständig zugethan blieben, und daß z. B. erst 1362
das Parlament in englischer Sprache eröffnet wurde. Andrerseits ist aus
diesem Umstände erklärlich, wie leicht eine Abzweigung der Pariser Universität
in das England jener Zeit verpflanzt werden und zur Blüthe gelangen konnte,
wie sehr sie die dort etwa schon bestehenden Einrichtungen ähnlicher Art beein¬
flussen mußte. Demnach ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Errichtung
eigentlicher Colleges, welche die englischen Universitäten zunächst in ihrer
äußeren Erscheinung so wesentlich von den unsrigen unterscheiden, und welche
in ähnlicher Art auch in Paris existirten. durch den Zufluß der Pariser
Studenten befördert wurde, wenn auch nicht geläugnet zu werden braucht,
daß schon vorher Studenten oder vielmehr Schüler gelegentlich in besonderen
Häusern auf ihre eigenen Kosten unter Aufsicht von Lehrern zusammen
wohnten. --,

Die ersten Collegien entstanden übrigens überall aus denselben Ursachen,


S. 207, 208.), in ihrem blinden Eifer, die Beweise ihrer gelehrten Cambridger
Gegner umzustoßen, sich zu einer offenbaren Fälschung hatten hinreißen lassen,
denn weder die erste Ausgabe des Asser vom Erzbischof Parker, noch die an¬
dern Handschriften enthielten eine Spur von dieser ganzen Angelegenheit.
Die Cambridger ihrerseits, die darzuthun strebten, daß ihre Universität von
Sigebert, König von Ostangeln, oder gar von einem gelehrten Spanier Can-
taber 378 v. Chr. gestiftet worden sei, suchten so die Gründung derselben in
noch grauere Vorzeit zurück zu verlegen. Dieser absurde Streit hat längst
ausgetobt, und es wird jetzt wohl ziemlich allgemein anerkannt, daß Oxford
in der That die besten Beweise für sein höheres Alter aufweisen kann, ohne
auf König Alfred's Zeit, wie es freilich noch vor einigen Jahren bei dem
tausendjährigen Jubiläum geschah, zurückgehen zu müssen.

Das älteste College in Oxford, University College, datirt vom Jahre
1249. Die Hauptveranlassung dazu wird vermuthlich die Uebersiedelung
einer Colonie Pariser Studenten gewesen sein, welche in Folge der dort
im Jahre 1229 ausgebrochenen heftigen Streitigkeiten zwischen der Universi¬
tät und den Bürgern auf Einladung Heinrich's des Dritten sich in Oxford
niederließen. Obwohl es nun feststeht, daß der Ort schon vor dieser Zeit als
Pflegestätte gelehrter Studien bekannt war, so datirt doch, wie es scheint,
erst von diesem Ereigniß seine eigentliche Bedeutung als Universität. Paris,
die älteste Hochschule diesseits der Alpen, wurde namentlich von England aus
stark besucht, ja, eine der vier Nationen, in welche sich die Studenten der
Fakultät der freien Künste schieden, hieß sogar die englische Nation.

Dies ist um so weniger zu verwundern, wenn wir uns erinnern, daß
der Hof, der Adel und die vornehmeren Stände in England während der
ersten Jahrhunderte nach der normännischen Eroberung der französischen
Sprache und Sitte ja vollständig zugethan blieben, und daß z. B. erst 1362
das Parlament in englischer Sprache eröffnet wurde. Andrerseits ist aus
diesem Umstände erklärlich, wie leicht eine Abzweigung der Pariser Universität
in das England jener Zeit verpflanzt werden und zur Blüthe gelangen konnte,
wie sehr sie die dort etwa schon bestehenden Einrichtungen ähnlicher Art beein¬
flussen mußte. Demnach ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Errichtung
eigentlicher Colleges, welche die englischen Universitäten zunächst in ihrer
äußeren Erscheinung so wesentlich von den unsrigen unterscheiden, und welche
in ähnlicher Art auch in Paris existirten. durch den Zufluß der Pariser
Studenten befördert wurde, wenn auch nicht geläugnet zu werden braucht,
daß schon vorher Studenten oder vielmehr Schüler gelegentlich in besonderen
Häusern auf ihre eigenen Kosten unter Aufsicht von Lehrern zusammen
wohnten. —,

Die ersten Collegien entstanden übrigens überall aus denselben Ursachen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/86>, abgerufen am 06.02.2025.