Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.Skandal zu vermeiden, den Schaden des Bestohlnen und jagt den Missethäter Die Geschichte spielte bei Besetzung der Pfarrerstelle an der hiesigen Sprach's und entschwand mit flüchtigem Fuß der verblüfften Gemeinde. Die Moral hieraus zu destilliren, überlasse ick) den Lesern. Es wird Ich füge nur hinzu, daß Freitag, den 14. November Gerwig von Phila¬ Einige Tage später reiste ich ab, nicht ohne herzlichen Abschied von Skandal zu vermeiden, den Schaden des Bestohlnen und jagt den Missethäter Die Geschichte spielte bei Besetzung der Pfarrerstelle an der hiesigen Sprach's und entschwand mit flüchtigem Fuß der verblüfften Gemeinde. Die Moral hieraus zu destilliren, überlasse ick) den Lesern. Es wird Ich füge nur hinzu, daß Freitag, den 14. November Gerwig von Phila¬ Einige Tage später reiste ich ab, nicht ohne herzlichen Abschied von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0070" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133358"/> <p xml:id="ID_206" prev="#ID_205"> Skandal zu vermeiden, den Schaden des Bestohlnen und jagt den Missethäter<lb/> mit einer Tracht Schläge von dannen, worauf er sich in den Schooß der ka¬<lb/> tholischen Kirche flüchtet und sich die Weihen ertheilen läßt, mit denen der<lb/> geriebne Schlingel seit einigen Monaten in einer Vorstadt Cincinnatis die<lb/> Messe liest. Da haben wir noch ein anmuthiges Exemplar dieser fahrenden<lb/> Prediger, mit dem es genug sein mag.</p><lb/> <p xml:id="ID_207"> Die Geschichte spielte bei Besetzung der Pfarrerstelle an der hiesigen<lb/> Walnutstreet-Kirche. Einer der Bewerber um dieselbe, Namens Böttcher, war<lb/> inne geworden, daß seine Anstrengungen hier — „wegen praktischer Ketzerei<lb/> im Punkte des sechsten Gebotes" sagte Kroll — verlorene Mühe waren. Er<lb/> beschloß deshalb bei der Stegreif-Probepredigt löblichem Kirchenrath einen<lb/> Schabernack zu spielen. Auf der Kanzel angelangt, verkündete er der andäch¬<lb/> tigen Versammlung, der von ihm gezogne Zettel weise ihm das Thema:<lb/> „Fürchte Gott und halte seine Gebote" zu, und darüber sollten sie jetzt eine<lb/> Predigt hören, wie sie hier noch nicht gehört worden sei. Er redete darauf eine<lb/> Weile von der Furcht, dann ein wenig von Gott und kam zuletzt auf die<lb/> Gebote zu sprechen, die er einzeln hersagte. Beim sechsten stellte er sich, als<lb/> müsse er sich besinnen, senkte den Kopf, griff sich mit der Hand an die Stirn<lb/> und fuhr alsdann heiter fort: „Nun, meine Andächtigen, was soll ich sie<lb/> alle miteinander herbeten? Ihr wißt sie ja doch wohl auswendig. Aber<lb/> haltet Ihr sie denn? Nein, gewiß nicht; denn ich thu's ja selber nicht.<lb/> Amen!"</p><lb/> <p xml:id="ID_208"> Sprach's und entschwand mit flüchtigem Fuß der verblüfften Gemeinde.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_209"> Die Moral hieraus zu destilliren, überlasse ick) den Lesern. Es wird<lb/> nicht viel Mühe machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_210"> Ich füge nur hinzu, daß Freitag, den 14. November Gerwig von Phila¬<lb/> delphia zum Pastor der Paulusgemeinde gewählt wurde, mit dem hoffentlich<lb/> nach dem Sturm Friede und Sonnenschein in die Gemüther eingezogen sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_211"> Einige Tage später reiste ich ab, nicht ohne herzlichen Abschied von<lb/> meinem guten Pastor Kroll genommen zu haben. Lebt er noch und liest<lb/> er diese Blätter, so sei ihm über das Meer und die vierundzwanzig Jahre, die,<lb/> uns seitdem getrennt haben, die Hand freundschaftlicher Erinnerung geboten<lb/> und ich denke, er wird einschlagen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0070]
Skandal zu vermeiden, den Schaden des Bestohlnen und jagt den Missethäter
mit einer Tracht Schläge von dannen, worauf er sich in den Schooß der ka¬
tholischen Kirche flüchtet und sich die Weihen ertheilen läßt, mit denen der
geriebne Schlingel seit einigen Monaten in einer Vorstadt Cincinnatis die
Messe liest. Da haben wir noch ein anmuthiges Exemplar dieser fahrenden
Prediger, mit dem es genug sein mag.
Die Geschichte spielte bei Besetzung der Pfarrerstelle an der hiesigen
Walnutstreet-Kirche. Einer der Bewerber um dieselbe, Namens Böttcher, war
inne geworden, daß seine Anstrengungen hier — „wegen praktischer Ketzerei
im Punkte des sechsten Gebotes" sagte Kroll — verlorene Mühe waren. Er
beschloß deshalb bei der Stegreif-Probepredigt löblichem Kirchenrath einen
Schabernack zu spielen. Auf der Kanzel angelangt, verkündete er der andäch¬
tigen Versammlung, der von ihm gezogne Zettel weise ihm das Thema:
„Fürchte Gott und halte seine Gebote" zu, und darüber sollten sie jetzt eine
Predigt hören, wie sie hier noch nicht gehört worden sei. Er redete darauf eine
Weile von der Furcht, dann ein wenig von Gott und kam zuletzt auf die
Gebote zu sprechen, die er einzeln hersagte. Beim sechsten stellte er sich, als
müsse er sich besinnen, senkte den Kopf, griff sich mit der Hand an die Stirn
und fuhr alsdann heiter fort: „Nun, meine Andächtigen, was soll ich sie
alle miteinander herbeten? Ihr wißt sie ja doch wohl auswendig. Aber
haltet Ihr sie denn? Nein, gewiß nicht; denn ich thu's ja selber nicht.
Amen!"
Sprach's und entschwand mit flüchtigem Fuß der verblüfften Gemeinde.
Die Moral hieraus zu destilliren, überlasse ick) den Lesern. Es wird
nicht viel Mühe machen.
Ich füge nur hinzu, daß Freitag, den 14. November Gerwig von Phila¬
delphia zum Pastor der Paulusgemeinde gewählt wurde, mit dem hoffentlich
nach dem Sturm Friede und Sonnenschein in die Gemüther eingezogen sind.
Einige Tage später reiste ich ab, nicht ohne herzlichen Abschied von
meinem guten Pastor Kroll genommen zu haben. Lebt er noch und liest
er diese Blätter, so sei ihm über das Meer und die vierundzwanzig Jahre, die,
uns seitdem getrennt haben, die Hand freundschaftlicher Erinnerung geboten
und ich denke, er wird einschlagen.
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