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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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selbst abgesehen von der theoretischen und practischen Nützlichkeit oder Schäd¬
lichkeit dieser Einrichtung, unseres Erachtens billige Rücksicht nehmen.

Im Ober-Elsaß rüstet man sich indessen allerwärts zur Vorbereitung sür
den im Herbste dieses Jahres, in der Woche vom 26. September bis 3. Ocrober
stattfindenden "oenologischen Congreß" oder, wie man das Ding besser mit
dem deutschen Ausdruck bezeichnen sollte, zu der "Wein-, Acker- und Garten¬
bau-Ausstellung" in Colmar. Das Programm derselben ist vor Kurzem ver¬
öffentlicht worden. Die Ausstellung soll vier Abtheilungen umfassen, für
Nebbau, Ampelographie, Acker- und Gartenbau. Die wichtigste ist natürlich
die erste, in welcher in vorderster Linie Muster deutscher Flaschenweine para-
diren werden. Man wird dabei Gelegenheit finden, das elsässtsche Gewächs
mit den übrigen einheimischen Weinsorten zu vergleichen. Ob der elsässer
Wein dann wohl die Probe aushalten wird? . . . Einen leisen Zweifel kann
man dabei wohl kaum unterdrücken. Einstweilen schwärmt man allerdings
in Altdeutschland gar sehr für die elsässischen Weine. Jede größere Stadt
möchte wo möglich gern ihre "Elsässer Tavern" mit den weißgeschürzten
Kellnern und echtem d. h. stark mit Belladonna gewürztem Straßburger Bier
haben. Hier ist es dagegen für den Eingewanderten außer allem Zweifel,
daß der elsässtsche Wein einige Stufen niedriger steht, als unsere alten ein¬
heimischen Gewächse an Rhein und Mosel. Was man auch immer zu
seinen Gunsten vorbringen mag, er ist und bleibt der "Bauer" unter den
Weinen. Das Rohe, Uncultivirt'e wird der Weinschmecker stets herausschmecken.
Ihm fehlt einerseits die herrliche, wohlriechende Blume des Moselers und
andererseits die anregende Kraft des Rheinweines. Selbst die feinsten elsässi¬
schen Weinsorten sind von jenem Vorwurfe der Rusticität, nicht freizuspechen.
Zwar sagt ein alter Vers: "Zu Thann im Rangen, zu Gebweiler in der
Wanne, zu Türkheim im Brand, wächst der beste Wein im Land." Aber
selbst der feurigste Türkheimer hat einen zwar anfangs pikanten, später aber
sehr unangenehm berührenden Erdgeschmack, während beispielsweise der Geb¬
weiler "Kitterle," eine der Perlen elsässer Weines, schon nach wenigen Jahren
so scharf und "krätzig" wird, daß man ihn nur aus kleinen Schnapsgläschen
trinken kann und sein Geschmack auch lebhaft an gefälschten Cognac erinnert.

Doch sollen diese oenologischen Vorstudien zu dem Colmarer Congresse
keineswegs die Absicht haben, den elsässer Wein und dessen Massenvertrieb
bei uns zu discreditiren. Wir wünschen demselben vielmehr von ganzem
Herzen einvivut, üoreat, ereseÄt in deutschen Landen, und das um so mehr,
als die diesjährige Ernte sowohl an Quantität, wie an Qualität zahlreiche
frühere Jahrgänge -- man wird bis zu den 40er Jahren hinabsteigen müssen
^. -- zu übertreffen verspricht.






Verantwortlicher Redakteur: or. Haus BlttNt in Leipzig.
Verlag von F. L- Herbig in Leipzig -- Druck von Hüthel <K Hermann in Leipzig.

selbst abgesehen von der theoretischen und practischen Nützlichkeit oder Schäd¬
lichkeit dieser Einrichtung, unseres Erachtens billige Rücksicht nehmen.

Im Ober-Elsaß rüstet man sich indessen allerwärts zur Vorbereitung sür
den im Herbste dieses Jahres, in der Woche vom 26. September bis 3. Ocrober
stattfindenden „oenologischen Congreß" oder, wie man das Ding besser mit
dem deutschen Ausdruck bezeichnen sollte, zu der „Wein-, Acker- und Garten¬
bau-Ausstellung" in Colmar. Das Programm derselben ist vor Kurzem ver¬
öffentlicht worden. Die Ausstellung soll vier Abtheilungen umfassen, für
Nebbau, Ampelographie, Acker- und Gartenbau. Die wichtigste ist natürlich
die erste, in welcher in vorderster Linie Muster deutscher Flaschenweine para-
diren werden. Man wird dabei Gelegenheit finden, das elsässtsche Gewächs
mit den übrigen einheimischen Weinsorten zu vergleichen. Ob der elsässer
Wein dann wohl die Probe aushalten wird? . . . Einen leisen Zweifel kann
man dabei wohl kaum unterdrücken. Einstweilen schwärmt man allerdings
in Altdeutschland gar sehr für die elsässischen Weine. Jede größere Stadt
möchte wo möglich gern ihre „Elsässer Tavern" mit den weißgeschürzten
Kellnern und echtem d. h. stark mit Belladonna gewürztem Straßburger Bier
haben. Hier ist es dagegen für den Eingewanderten außer allem Zweifel,
daß der elsässtsche Wein einige Stufen niedriger steht, als unsere alten ein¬
heimischen Gewächse an Rhein und Mosel. Was man auch immer zu
seinen Gunsten vorbringen mag, er ist und bleibt der „Bauer" unter den
Weinen. Das Rohe, Uncultivirt'e wird der Weinschmecker stets herausschmecken.
Ihm fehlt einerseits die herrliche, wohlriechende Blume des Moselers und
andererseits die anregende Kraft des Rheinweines. Selbst die feinsten elsässi¬
schen Weinsorten sind von jenem Vorwurfe der Rusticität, nicht freizuspechen.
Zwar sagt ein alter Vers: „Zu Thann im Rangen, zu Gebweiler in der
Wanne, zu Türkheim im Brand, wächst der beste Wein im Land." Aber
selbst der feurigste Türkheimer hat einen zwar anfangs pikanten, später aber
sehr unangenehm berührenden Erdgeschmack, während beispielsweise der Geb¬
weiler „Kitterle," eine der Perlen elsässer Weines, schon nach wenigen Jahren
so scharf und „krätzig" wird, daß man ihn nur aus kleinen Schnapsgläschen
trinken kann und sein Geschmack auch lebhaft an gefälschten Cognac erinnert.

Doch sollen diese oenologischen Vorstudien zu dem Colmarer Congresse
keineswegs die Absicht haben, den elsässer Wein und dessen Massenvertrieb
bei uns zu discreditiren. Wir wünschen demselben vielmehr von ganzem
Herzen einvivut, üoreat, ereseÄt in deutschen Landen, und das um so mehr,
als die diesjährige Ernte sowohl an Quantität, wie an Qualität zahlreiche
frühere Jahrgänge — man wird bis zu den 40er Jahren hinabsteigen müssen
^. — zu übertreffen verspricht.






Verantwortlicher Redakteur: or. Haus BlttNt in Leipzig.
Verlag von F. L- Herbig in Leipzig — Druck von Hüthel <K Hermann in Leipzig.
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[0524] selbst abgesehen von der theoretischen und practischen Nützlichkeit oder Schäd¬ lichkeit dieser Einrichtung, unseres Erachtens billige Rücksicht nehmen. Im Ober-Elsaß rüstet man sich indessen allerwärts zur Vorbereitung sür den im Herbste dieses Jahres, in der Woche vom 26. September bis 3. Ocrober stattfindenden „oenologischen Congreß" oder, wie man das Ding besser mit dem deutschen Ausdruck bezeichnen sollte, zu der „Wein-, Acker- und Garten¬ bau-Ausstellung" in Colmar. Das Programm derselben ist vor Kurzem ver¬ öffentlicht worden. Die Ausstellung soll vier Abtheilungen umfassen, für Nebbau, Ampelographie, Acker- und Gartenbau. Die wichtigste ist natürlich die erste, in welcher in vorderster Linie Muster deutscher Flaschenweine para- diren werden. Man wird dabei Gelegenheit finden, das elsässtsche Gewächs mit den übrigen einheimischen Weinsorten zu vergleichen. Ob der elsässer Wein dann wohl die Probe aushalten wird? . . . Einen leisen Zweifel kann man dabei wohl kaum unterdrücken. Einstweilen schwärmt man allerdings in Altdeutschland gar sehr für die elsässischen Weine. Jede größere Stadt möchte wo möglich gern ihre „Elsässer Tavern" mit den weißgeschürzten Kellnern und echtem d. h. stark mit Belladonna gewürztem Straßburger Bier haben. Hier ist es dagegen für den Eingewanderten außer allem Zweifel, daß der elsässtsche Wein einige Stufen niedriger steht, als unsere alten ein¬ heimischen Gewächse an Rhein und Mosel. Was man auch immer zu seinen Gunsten vorbringen mag, er ist und bleibt der „Bauer" unter den Weinen. Das Rohe, Uncultivirt'e wird der Weinschmecker stets herausschmecken. Ihm fehlt einerseits die herrliche, wohlriechende Blume des Moselers und andererseits die anregende Kraft des Rheinweines. Selbst die feinsten elsässi¬ schen Weinsorten sind von jenem Vorwurfe der Rusticität, nicht freizuspechen. Zwar sagt ein alter Vers: „Zu Thann im Rangen, zu Gebweiler in der Wanne, zu Türkheim im Brand, wächst der beste Wein im Land." Aber selbst der feurigste Türkheimer hat einen zwar anfangs pikanten, später aber sehr unangenehm berührenden Erdgeschmack, während beispielsweise der Geb¬ weiler „Kitterle," eine der Perlen elsässer Weines, schon nach wenigen Jahren so scharf und „krätzig" wird, daß man ihn nur aus kleinen Schnapsgläschen trinken kann und sein Geschmack auch lebhaft an gefälschten Cognac erinnert. Doch sollen diese oenologischen Vorstudien zu dem Colmarer Congresse keineswegs die Absicht haben, den elsässer Wein und dessen Massenvertrieb bei uns zu discreditiren. Wir wünschen demselben vielmehr von ganzem Herzen einvivut, üoreat, ereseÄt in deutschen Landen, und das um so mehr, als die diesjährige Ernte sowohl an Quantität, wie an Qualität zahlreiche frühere Jahrgänge — man wird bis zu den 40er Jahren hinabsteigen müssen ^. — zu übertreffen verspricht. Verantwortlicher Redakteur: or. Haus BlttNt in Leipzig. Verlag von F. L- Herbig in Leipzig — Druck von Hüthel <K Hermann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/524>, abgerufen am 06.02.2025.