Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.er, was schon bekannt war und jetzt auf's neue bestätigt wird, durch Vor¬ Ganz kurze Zeit vor seinem Abschiede aus dem Staatsdienste waren So viel ich weiß, hat im Laufe des entscheidenden Jahres 1842 die ") Völlig unbegreiflich ist es mir freilich, wie dieser Umstand -- daß König Friedrich Wilhelm IV. der Schön'schen Beweisführung Glauben geschenkt -- uns ein unwidersprcch- bares Argument für die Richtigkeit der Schön'schen Behauptung sein soll! ") Man erinnere sich nur der Vorgänge und Gerüchte zur Zeit der Huldigung in Königsberg. Für Mittheilung etwaiger früherer Citate würde ich jedem Kenner der damaligen
Literatur dankbar sein. Es wäre wohl möglich, daß mir eines oder das andere entgangen ist. er, was schon bekannt war und jetzt auf's neue bestätigt wird, durch Vor¬ Ganz kurze Zeit vor seinem Abschiede aus dem Staatsdienste waren So viel ich weiß, hat im Laufe des entscheidenden Jahres 1842 die ") Völlig unbegreiflich ist es mir freilich, wie dieser Umstand — daß König Friedrich Wilhelm IV. der Schön'schen Beweisführung Glauben geschenkt — uns ein unwidersprcch- bares Argument für die Richtigkeit der Schön'schen Behauptung sein soll! ") Man erinnere sich nur der Vorgänge und Gerüchte zur Zeit der Huldigung in Königsberg. Für Mittheilung etwaiger früherer Citate würde ich jedem Kenner der damaligen
Literatur dankbar sein. Es wäre wohl möglich, daß mir eines oder das andere entgangen ist. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0499" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133787"/> <p xml:id="ID_1690" prev="#ID_1689"> er, was schon bekannt war und jetzt auf's neue bestätigt wird, durch Vor¬<lb/> legung des Originaleonceptes des Stein'schen Testamentes dem Könige Frie¬<lb/> drich Wilhelm IV. den Beweis seiner Autorschaft geführt: der König scheint —<lb/> so weit meine Information reicht — die Thatsache Schön geglaubt zu ha¬<lb/> ben. *) Aber das war in einer Zeit, in welcher es durchaus nicht nöthig<lb/> war, den Schein allzugroßen Liberalismus von Stein abzuwälzen und eine<lb/> mit unangenehmen Erfahrungen verknüpfte Verantwortlichkeit für die Reform¬<lb/> gesetzgebung auf sich zu nehmen. Nein, grade das Gegentheil dieser Annahme<lb/> Nasemann's entspricht den damaligen Verhältnissen. In den Anfängen Fried¬<lb/> rich Wilhelm's IV. strahlte Alles in rosiger Erwartung eines liberalen Re¬<lb/> gimentes; da meinten die Liberalen in Schön den liberalen Staatsmann zu<lb/> sehen, welcher jetzt die Regierung leiten würde;**) da rechnete auch Schön<lb/> selbst auf eine maßgebende politische Rolle. Gerade damals war es eine hohe<lb/> Ehre, — das Gegentheil einer Anfechtungen und Feindschaften ausgesetzten<lb/> Uebernahme einer Verantwortung, die bisher ein Anderer getragen — es ge¬<lb/> reichte zur Erhöhung seines Ansehens, wenn ein noch lebender Politiker als<lb/> der eigentliche „Kopf" der Gesetzgebung von 1807 — 1813 verkündigt werden<lb/> konnte! In dieser Situation sind Schön's Ansprüche zuerst dem<lb/> Publikum bekannt gemacht worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1691"> Ganz kurze Zeit vor seinem Abschiede aus dem Staatsdienste waren<lb/> Schön's Erwartungen aufs Höchste gespannt. Wie im Juni 1842 alle seine<lb/> Hoffnungen und Aussichten gescheitert, da wurde er immer verbissener in seiner<lb/> Haltung und in seinen politischen Aeußerungen immer radikaler. Und auch<lb/> seine historischen Erinnerungen gestalteten sich von da ab immer schroffer und<lb/> immer einseitiger.</p><lb/> <p xml:id="ID_1692" next="#ID_1693"> So viel ich weiß, hat im Laufe des entscheidenden Jahres 1842 die<lb/> Königsberger Zeitung die damals der Welt ganz neue Offenbarung,<lb/> daß Schön die Seele der sog. Stein'schen Gesetzgebung gewesen, zum ersten<lb/> Male weiteren Kreisen verkündigt.***) Ein lautes Echo haben diese Ansichten<lb/> bald nachher in einer höchst merkwürdigen Flugschrift jener Tage gefunden.<lb/> Nachdem ich zu dieser zweiten Auslassung genöthigt worden bin. will ich es<lb/> heute nicht noch einmal übergehen, jene Schrift näher zu beleuchten. Sie hat<lb/> den Titel: „Preußens Staatsmänner. Heft III. Schön. Leipzig, im Verlag<lb/> von G. Wtgand 1842." Sie ist anonym; aber sie kann nur von einem</p><lb/> <note xml:id="FID_104" place="foot"> ") Völlig unbegreiflich ist es mir freilich, wie dieser Umstand — daß König Friedrich<lb/> Wilhelm IV. der Schön'schen Beweisführung Glauben geschenkt — uns ein unwidersprcch-<lb/> bares Argument für die Richtigkeit der Schön'schen Behauptung sein soll!</note><lb/> <note xml:id="FID_105" place="foot"> ") Man erinnere sich nur der Vorgänge und Gerüchte zur Zeit der Huldigung in Königsberg.</note><lb/> <note xml:id="FID_106" place="foot"> Für Mittheilung etwaiger früherer Citate würde ich jedem Kenner der damaligen<lb/> Literatur dankbar sein. Es wäre wohl möglich, daß mir eines oder das andere entgangen ist.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0499]
er, was schon bekannt war und jetzt auf's neue bestätigt wird, durch Vor¬
legung des Originaleonceptes des Stein'schen Testamentes dem Könige Frie¬
drich Wilhelm IV. den Beweis seiner Autorschaft geführt: der König scheint —
so weit meine Information reicht — die Thatsache Schön geglaubt zu ha¬
ben. *) Aber das war in einer Zeit, in welcher es durchaus nicht nöthig
war, den Schein allzugroßen Liberalismus von Stein abzuwälzen und eine
mit unangenehmen Erfahrungen verknüpfte Verantwortlichkeit für die Reform¬
gesetzgebung auf sich zu nehmen. Nein, grade das Gegentheil dieser Annahme
Nasemann's entspricht den damaligen Verhältnissen. In den Anfängen Fried¬
rich Wilhelm's IV. strahlte Alles in rosiger Erwartung eines liberalen Re¬
gimentes; da meinten die Liberalen in Schön den liberalen Staatsmann zu
sehen, welcher jetzt die Regierung leiten würde;**) da rechnete auch Schön
selbst auf eine maßgebende politische Rolle. Gerade damals war es eine hohe
Ehre, — das Gegentheil einer Anfechtungen und Feindschaften ausgesetzten
Uebernahme einer Verantwortung, die bisher ein Anderer getragen — es ge¬
reichte zur Erhöhung seines Ansehens, wenn ein noch lebender Politiker als
der eigentliche „Kopf" der Gesetzgebung von 1807 — 1813 verkündigt werden
konnte! In dieser Situation sind Schön's Ansprüche zuerst dem
Publikum bekannt gemacht worden.
Ganz kurze Zeit vor seinem Abschiede aus dem Staatsdienste waren
Schön's Erwartungen aufs Höchste gespannt. Wie im Juni 1842 alle seine
Hoffnungen und Aussichten gescheitert, da wurde er immer verbissener in seiner
Haltung und in seinen politischen Aeußerungen immer radikaler. Und auch
seine historischen Erinnerungen gestalteten sich von da ab immer schroffer und
immer einseitiger.
So viel ich weiß, hat im Laufe des entscheidenden Jahres 1842 die
Königsberger Zeitung die damals der Welt ganz neue Offenbarung,
daß Schön die Seele der sog. Stein'schen Gesetzgebung gewesen, zum ersten
Male weiteren Kreisen verkündigt.***) Ein lautes Echo haben diese Ansichten
bald nachher in einer höchst merkwürdigen Flugschrift jener Tage gefunden.
Nachdem ich zu dieser zweiten Auslassung genöthigt worden bin. will ich es
heute nicht noch einmal übergehen, jene Schrift näher zu beleuchten. Sie hat
den Titel: „Preußens Staatsmänner. Heft III. Schön. Leipzig, im Verlag
von G. Wtgand 1842." Sie ist anonym; aber sie kann nur von einem
") Völlig unbegreiflich ist es mir freilich, wie dieser Umstand — daß König Friedrich
Wilhelm IV. der Schön'schen Beweisführung Glauben geschenkt — uns ein unwidersprcch-
bares Argument für die Richtigkeit der Schön'schen Behauptung sein soll!
") Man erinnere sich nur der Vorgänge und Gerüchte zur Zeit der Huldigung in Königsberg.
Für Mittheilung etwaiger früherer Citate würde ich jedem Kenner der damaligen
Literatur dankbar sein. Es wäre wohl möglich, daß mir eines oder das andere entgangen ist.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |