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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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etwas von seinem Ruhme genommen? Die Bemerkung von Pertz, welche
Herr Maurenbrecher anzieht, wenn sie mit dem, was S. 295 im Texte steht,
zusammengehalten wird, beweist, daß selbst dieser pietätsvollste Verehrer Steins
eine Verkleinerung der Verdienste seines Helden darin nicht gefunden hat.

Wie aber Pertz die Richtigkeit der Darstellung, welche Schön über Ver¬
anlassung und Entstehungsweise des Testamentes ihm selbst gegeben hat, an¬
erkennt, so sind ferner Alle, welche die beiden Männer näher gekannt haben,
darin einig gewesen, daß Schön der Urheber sei. Das bekannte Wort Arndt's
deutet dies an, und auch Friedrich Wilhelm IV., der als Kronprinz mit
Schön sehr intim verkehrte, hat, soweit bekannt, an der Thatsächlichkeit nie
gezweifelt. Für das Edict vom 9. October 1807 werden überdem so speciell
Gelegenheit und Moment der Abfassung angegeben, daß die Autorschaft Schöns
außer Zweifel steht. Die Berufung Herrn Maurenbrechers auf die früheren
Intentionen und Versuche der preußischen Könige beweist dagegen nichts,
und zwar um so weniger, weil dabei die rein persönliche Unfreiheit (Leib¬
eigenschaft) mit der mehr dinglichen Abhängigkeit der an die Scholle gefesselten
Bauern (Erbunterthänigkeit) verwechselt zu sein scheint; vgl. die §§ 147, 148
II, 7 des A. L. R. und Schulze, Preuß. Staatsrecht I, S. 82 ff. Nimmt
man endlich hinzu, daß Stein bei anderen, mindestens ebenso wichtigen Dekreten
sich rückhaltslos auf Schöns Kopf und Feder verließ, warum soll dem Letzteren
gerade hier, wo er sie behauptet, die Autorschaft abgestritten werden? Steht
es doch fest, daß Stein am 4. Februar 1813 sich den Auftrag an den Geh.
Rath v. Brandt zur Eröffnung der Ständeversammlung von Schön in die
Feder dictiren ließ. Ich sollte meinen, daß die damit bewiesene und an diesem
Tage, in diesem Augenblicke bewiesene Fügsamkeit des zornigen und wider¬
willigen Mannes mehr als alles Andere davon Zeugniß ablegt, wie viel dei
sichere, überlegte Art Schön's über ihn vermochte, wie er gewohnt war dem
Rathe desselben zu folgen, sich auf die Einsicht und das Gutmeinen desselben
zu verlassen.

Ueberhaupt glaube ich, daß Herr Maurenbrecher von einer falschen Grund¬
ansicht ausgeht und demgemäß zu falschen Conclusionen gelangt. Ihm er¬
scheint es so, als suche Schön sich auf Kosten Steins in ein besseres, günsti¬
geres Licht zu stellen. Gerade das Umgekehrte nehme ich an. Schön ist mit
dem Anspruch auf die intellektuelle Autorschaft der beiden Manifeste öffentlich
erst hervorgetreten, als Stein von der hypereonservativen Partei als einer der
ihrigen dargestellt ward; er hat für das Octoberdecret und das Testament
viel mehr Anfechtung als Anerkennung in den maßgebenden Kreisen geärndtet;
gerade seine Gegner haben ihm am meisten die Vaterschaft zugesprochen und
ihn dafür verantwortlich gemacht. Es ward Pflicht für ihn, sich zu dem,
was er gethan, auch zu bekennen. Auf diese Weise erklärt sich die scheinbar


etwas von seinem Ruhme genommen? Die Bemerkung von Pertz, welche
Herr Maurenbrecher anzieht, wenn sie mit dem, was S. 295 im Texte steht,
zusammengehalten wird, beweist, daß selbst dieser pietätsvollste Verehrer Steins
eine Verkleinerung der Verdienste seines Helden darin nicht gefunden hat.

Wie aber Pertz die Richtigkeit der Darstellung, welche Schön über Ver¬
anlassung und Entstehungsweise des Testamentes ihm selbst gegeben hat, an¬
erkennt, so sind ferner Alle, welche die beiden Männer näher gekannt haben,
darin einig gewesen, daß Schön der Urheber sei. Das bekannte Wort Arndt's
deutet dies an, und auch Friedrich Wilhelm IV., der als Kronprinz mit
Schön sehr intim verkehrte, hat, soweit bekannt, an der Thatsächlichkeit nie
gezweifelt. Für das Edict vom 9. October 1807 werden überdem so speciell
Gelegenheit und Moment der Abfassung angegeben, daß die Autorschaft Schöns
außer Zweifel steht. Die Berufung Herrn Maurenbrechers auf die früheren
Intentionen und Versuche der preußischen Könige beweist dagegen nichts,
und zwar um so weniger, weil dabei die rein persönliche Unfreiheit (Leib¬
eigenschaft) mit der mehr dinglichen Abhängigkeit der an die Scholle gefesselten
Bauern (Erbunterthänigkeit) verwechselt zu sein scheint; vgl. die §§ 147, 148
II, 7 des A. L. R. und Schulze, Preuß. Staatsrecht I, S. 82 ff. Nimmt
man endlich hinzu, daß Stein bei anderen, mindestens ebenso wichtigen Dekreten
sich rückhaltslos auf Schöns Kopf und Feder verließ, warum soll dem Letzteren
gerade hier, wo er sie behauptet, die Autorschaft abgestritten werden? Steht
es doch fest, daß Stein am 4. Februar 1813 sich den Auftrag an den Geh.
Rath v. Brandt zur Eröffnung der Ständeversammlung von Schön in die
Feder dictiren ließ. Ich sollte meinen, daß die damit bewiesene und an diesem
Tage, in diesem Augenblicke bewiesene Fügsamkeit des zornigen und wider¬
willigen Mannes mehr als alles Andere davon Zeugniß ablegt, wie viel dei
sichere, überlegte Art Schön's über ihn vermochte, wie er gewohnt war dem
Rathe desselben zu folgen, sich auf die Einsicht und das Gutmeinen desselben
zu verlassen.

Ueberhaupt glaube ich, daß Herr Maurenbrecher von einer falschen Grund¬
ansicht ausgeht und demgemäß zu falschen Conclusionen gelangt. Ihm er¬
scheint es so, als suche Schön sich auf Kosten Steins in ein besseres, günsti¬
geres Licht zu stellen. Gerade das Umgekehrte nehme ich an. Schön ist mit
dem Anspruch auf die intellektuelle Autorschaft der beiden Manifeste öffentlich
erst hervorgetreten, als Stein von der hypereonservativen Partei als einer der
ihrigen dargestellt ward; er hat für das Octoberdecret und das Testament
viel mehr Anfechtung als Anerkennung in den maßgebenden Kreisen geärndtet;
gerade seine Gegner haben ihm am meisten die Vaterschaft zugesprochen und
ihn dafür verantwortlich gemacht. Es ward Pflicht für ihn, sich zu dem,
was er gethan, auch zu bekennen. Auf diese Weise erklärt sich die scheinbar


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[0486] etwas von seinem Ruhme genommen? Die Bemerkung von Pertz, welche Herr Maurenbrecher anzieht, wenn sie mit dem, was S. 295 im Texte steht, zusammengehalten wird, beweist, daß selbst dieser pietätsvollste Verehrer Steins eine Verkleinerung der Verdienste seines Helden darin nicht gefunden hat. Wie aber Pertz die Richtigkeit der Darstellung, welche Schön über Ver¬ anlassung und Entstehungsweise des Testamentes ihm selbst gegeben hat, an¬ erkennt, so sind ferner Alle, welche die beiden Männer näher gekannt haben, darin einig gewesen, daß Schön der Urheber sei. Das bekannte Wort Arndt's deutet dies an, und auch Friedrich Wilhelm IV., der als Kronprinz mit Schön sehr intim verkehrte, hat, soweit bekannt, an der Thatsächlichkeit nie gezweifelt. Für das Edict vom 9. October 1807 werden überdem so speciell Gelegenheit und Moment der Abfassung angegeben, daß die Autorschaft Schöns außer Zweifel steht. Die Berufung Herrn Maurenbrechers auf die früheren Intentionen und Versuche der preußischen Könige beweist dagegen nichts, und zwar um so weniger, weil dabei die rein persönliche Unfreiheit (Leib¬ eigenschaft) mit der mehr dinglichen Abhängigkeit der an die Scholle gefesselten Bauern (Erbunterthänigkeit) verwechselt zu sein scheint; vgl. die §§ 147, 148 II, 7 des A. L. R. und Schulze, Preuß. Staatsrecht I, S. 82 ff. Nimmt man endlich hinzu, daß Stein bei anderen, mindestens ebenso wichtigen Dekreten sich rückhaltslos auf Schöns Kopf und Feder verließ, warum soll dem Letzteren gerade hier, wo er sie behauptet, die Autorschaft abgestritten werden? Steht es doch fest, daß Stein am 4. Februar 1813 sich den Auftrag an den Geh. Rath v. Brandt zur Eröffnung der Ständeversammlung von Schön in die Feder dictiren ließ. Ich sollte meinen, daß die damit bewiesene und an diesem Tage, in diesem Augenblicke bewiesene Fügsamkeit des zornigen und wider¬ willigen Mannes mehr als alles Andere davon Zeugniß ablegt, wie viel dei sichere, überlegte Art Schön's über ihn vermochte, wie er gewohnt war dem Rathe desselben zu folgen, sich auf die Einsicht und das Gutmeinen desselben zu verlassen. Ueberhaupt glaube ich, daß Herr Maurenbrecher von einer falschen Grund¬ ansicht ausgeht und demgemäß zu falschen Conclusionen gelangt. Ihm er¬ scheint es so, als suche Schön sich auf Kosten Steins in ein besseres, günsti¬ geres Licht zu stellen. Gerade das Umgekehrte nehme ich an. Schön ist mit dem Anspruch auf die intellektuelle Autorschaft der beiden Manifeste öffentlich erst hervorgetreten, als Stein von der hypereonservativen Partei als einer der ihrigen dargestellt ward; er hat für das Octoberdecret und das Testament viel mehr Anfechtung als Anerkennung in den maßgebenden Kreisen geärndtet; gerade seine Gegner haben ihm am meisten die Vaterschaft zugesprochen und ihn dafür verantwortlich gemacht. Es ward Pflicht für ihn, sich zu dem, was er gethan, auch zu bekennen. Auf diese Weise erklärt sich die scheinbar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/486>, abgerufen am 06.02.2025.