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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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viel Arme unterstützt hat und Segen spendet, auch Kranke heimsucht und
Trost geben, wo sie konnt, harrete jetzt sehnlich der Zeit, wo der Freund aus
fernen Landen kommen sollt, da die Frist ablaufen war.

23. Und als wir einstmalen auf die Berg an das Holz gangen, allwo
Herr Soto einen Thurm aufbauen lassen, gewahrt das Fräulein von der
Zinne unten am Dorfe auf dem Wege von Ettesleben her zween Reiter
kommend, und sieht von einem Helm einen hohen Helmbusch wehen und ihr
ahnet, es sei Erwin, sein Wort zu lösen.

24. Alsbald bittet sie uns mit heimzukehren, eilet aber immer voraus,
daß wir nit folgen können und als wir endlich ins Zimmer treten. ja da
hat Herr Erwin ihre Hand gefaßt und beide waren stumm von Heller klarer
Freude, die wie Abendschimmer in Regentröpflein unter Thränenperlen aus
den blauen Augen leuchtet.

25. Nun war große Lust alltag auf Herrn Soto's Sitzthum.

26. Herr Erwin erzählte, daß er sein Abschied aus Kaisers Heer nommer
und nun im Vaterland bleiben wollt, aus seines Bruders Rittersitz zu Eben¬
heim oder auch hier, wenn es Herr Soto erlauben mögt und Stell" sein
Ehegemahl werden sollt, worinnen aller Sinn gern stund.

27. Es waren aber derweilen Herrn Altendorf's Frauen gestorben und
sein Renten nach Wegfall der Vicareh Nutzung gar nit wohl aussehende,
weshalb ihm Herrn Sodos Vermögen gar sehr am Herzen lag und er un¬
gern vernahm, daß ein Bräutigam ankommen.

28. Wie er nun ein großer Pfaffenfeind war und gottloser Kirchenver¬
ächter, so geschah auch, daß durch sein Beihülf wegen unrichtiger Deutung
eines alten Vertrags mit dem Kloster Oldisleben mit Zustimmung der Oberen
zu Sachsenburg die Vicarey der Kirchen vorenthalten ward, wobei Herr Alten¬
dorf einen Schwenzelpfennig wohl erhalten haben mag.

29. Wollten ihm aber das Alls gern verzeihen, wäre sein Schalksherz
dabei in Ruh blieben, und hätte er nicht gar arge Pläne geschmiedet, wie
mit Wehmuth und innerstem Schmerz gleich denken werde.

30. Ach es war eine schlimme Zeit, worauf eine gar fürchterliche Nacht
folgen sollte.

31. Herr Soto besaß nämlich pachtweis einen Garten, früher ein Kirch¬
hof und der Kirche gehörig oben am Wasser gegen das Pferderieth über, in
welchem die alt verfallen Kirche im dunklen Schatten von Rüstern und Erlen
steht, welchen Platz Fräulein Stell" allzusehr liebt, daß sie ihren Vater die.
tend vermocht, mit dem Besitzer des Garten, einem hiesigen Freien, Vergleich
abzuschließen.

32. Dahin ging das Fräulein, die alte Kirche besuchend sehr oft.

33. Allda ist ein Kreutz unterm Hochaltar von wundersamen Stein mit


viel Arme unterstützt hat und Segen spendet, auch Kranke heimsucht und
Trost geben, wo sie konnt, harrete jetzt sehnlich der Zeit, wo der Freund aus
fernen Landen kommen sollt, da die Frist ablaufen war.

23. Und als wir einstmalen auf die Berg an das Holz gangen, allwo
Herr Soto einen Thurm aufbauen lassen, gewahrt das Fräulein von der
Zinne unten am Dorfe auf dem Wege von Ettesleben her zween Reiter
kommend, und sieht von einem Helm einen hohen Helmbusch wehen und ihr
ahnet, es sei Erwin, sein Wort zu lösen.

24. Alsbald bittet sie uns mit heimzukehren, eilet aber immer voraus,
daß wir nit folgen können und als wir endlich ins Zimmer treten. ja da
hat Herr Erwin ihre Hand gefaßt und beide waren stumm von Heller klarer
Freude, die wie Abendschimmer in Regentröpflein unter Thränenperlen aus
den blauen Augen leuchtet.

25. Nun war große Lust alltag auf Herrn Soto's Sitzthum.

26. Herr Erwin erzählte, daß er sein Abschied aus Kaisers Heer nommer
und nun im Vaterland bleiben wollt, aus seines Bruders Rittersitz zu Eben¬
heim oder auch hier, wenn es Herr Soto erlauben mögt und Stell« sein
Ehegemahl werden sollt, worinnen aller Sinn gern stund.

27. Es waren aber derweilen Herrn Altendorf's Frauen gestorben und
sein Renten nach Wegfall der Vicareh Nutzung gar nit wohl aussehende,
weshalb ihm Herrn Sodos Vermögen gar sehr am Herzen lag und er un¬
gern vernahm, daß ein Bräutigam ankommen.

28. Wie er nun ein großer Pfaffenfeind war und gottloser Kirchenver¬
ächter, so geschah auch, daß durch sein Beihülf wegen unrichtiger Deutung
eines alten Vertrags mit dem Kloster Oldisleben mit Zustimmung der Oberen
zu Sachsenburg die Vicarey der Kirchen vorenthalten ward, wobei Herr Alten¬
dorf einen Schwenzelpfennig wohl erhalten haben mag.

29. Wollten ihm aber das Alls gern verzeihen, wäre sein Schalksherz
dabei in Ruh blieben, und hätte er nicht gar arge Pläne geschmiedet, wie
mit Wehmuth und innerstem Schmerz gleich denken werde.

30. Ach es war eine schlimme Zeit, worauf eine gar fürchterliche Nacht
folgen sollte.

31. Herr Soto besaß nämlich pachtweis einen Garten, früher ein Kirch¬
hof und der Kirche gehörig oben am Wasser gegen das Pferderieth über, in
welchem die alt verfallen Kirche im dunklen Schatten von Rüstern und Erlen
steht, welchen Platz Fräulein Stell« allzusehr liebt, daß sie ihren Vater die.
tend vermocht, mit dem Besitzer des Garten, einem hiesigen Freien, Vergleich
abzuschließen.

32. Dahin ging das Fräulein, die alte Kirche besuchend sehr oft.

33. Allda ist ein Kreutz unterm Hochaltar von wundersamen Stein mit


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[0476] viel Arme unterstützt hat und Segen spendet, auch Kranke heimsucht und Trost geben, wo sie konnt, harrete jetzt sehnlich der Zeit, wo der Freund aus fernen Landen kommen sollt, da die Frist ablaufen war. 23. Und als wir einstmalen auf die Berg an das Holz gangen, allwo Herr Soto einen Thurm aufbauen lassen, gewahrt das Fräulein von der Zinne unten am Dorfe auf dem Wege von Ettesleben her zween Reiter kommend, und sieht von einem Helm einen hohen Helmbusch wehen und ihr ahnet, es sei Erwin, sein Wort zu lösen. 24. Alsbald bittet sie uns mit heimzukehren, eilet aber immer voraus, daß wir nit folgen können und als wir endlich ins Zimmer treten. ja da hat Herr Erwin ihre Hand gefaßt und beide waren stumm von Heller klarer Freude, die wie Abendschimmer in Regentröpflein unter Thränenperlen aus den blauen Augen leuchtet. 25. Nun war große Lust alltag auf Herrn Soto's Sitzthum. 26. Herr Erwin erzählte, daß er sein Abschied aus Kaisers Heer nommer und nun im Vaterland bleiben wollt, aus seines Bruders Rittersitz zu Eben¬ heim oder auch hier, wenn es Herr Soto erlauben mögt und Stell« sein Ehegemahl werden sollt, worinnen aller Sinn gern stund. 27. Es waren aber derweilen Herrn Altendorf's Frauen gestorben und sein Renten nach Wegfall der Vicareh Nutzung gar nit wohl aussehende, weshalb ihm Herrn Sodos Vermögen gar sehr am Herzen lag und er un¬ gern vernahm, daß ein Bräutigam ankommen. 28. Wie er nun ein großer Pfaffenfeind war und gottloser Kirchenver¬ ächter, so geschah auch, daß durch sein Beihülf wegen unrichtiger Deutung eines alten Vertrags mit dem Kloster Oldisleben mit Zustimmung der Oberen zu Sachsenburg die Vicarey der Kirchen vorenthalten ward, wobei Herr Alten¬ dorf einen Schwenzelpfennig wohl erhalten haben mag. 29. Wollten ihm aber das Alls gern verzeihen, wäre sein Schalksherz dabei in Ruh blieben, und hätte er nicht gar arge Pläne geschmiedet, wie mit Wehmuth und innerstem Schmerz gleich denken werde. 30. Ach es war eine schlimme Zeit, worauf eine gar fürchterliche Nacht folgen sollte. 31. Herr Soto besaß nämlich pachtweis einen Garten, früher ein Kirch¬ hof und der Kirche gehörig oben am Wasser gegen das Pferderieth über, in welchem die alt verfallen Kirche im dunklen Schatten von Rüstern und Erlen steht, welchen Platz Fräulein Stell« allzusehr liebt, daß sie ihren Vater die. tend vermocht, mit dem Besitzer des Garten, einem hiesigen Freien, Vergleich abzuschließen. 32. Dahin ging das Fräulein, die alte Kirche besuchend sehr oft. 33. Allda ist ein Kreutz unterm Hochaltar von wundersamen Stein mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/476>, abgerufen am 06.02.2025.