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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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freies Attackenterrain für die Reiterei; ungestörte Möglichkeit gegenseitiger
Unterstützung der drei Waffen. Von Waterloo südwärts nach Mont-Se.-Jean
bis hinauf nach La Haye - Sande hebt sich leise das Gelände, dann folgt eine
Mulde, auf deren Südrand La Belle-Alliance liegt, während den Nordrand
bei La Haye-Sainte ein leichter Hügelkamm bezeichnet. Diesen machte Welling¬
ton zur Frontlinie seiner Ausstellung. Alles was hinter demselben stand, war
durch die Bodenerhebung einem von Süden herblickenden Auge entzogen. Vor der
Front liegt westlich (also vor dem rechten Flügel) Schloß Hougomont, östlich
(also links) am Ohainbache liegen die Pachthöfe Papelotte, La Haye und das
Dorf Smohain. Zwischen Papelotte und Hougomont an der Brüsseler
Straße, welche hier durch einen 4000 Schritt breiten Feldercomplex führt, be¬
findet sich die bereits erwähnte Farm La Haye-Sainte.

Wellington hatte 67,600 Mann zur Stelle, nämlich 49.600 Mann In¬
fanterie, 12,400 Reiter und 136 Geschütze mit 5600 Artilleristen. Bei Auf¬
stellung der Armee hielt sich der Herzog nicht genau an die Ordre-de-Bataille,
glaubte vielmehr englische und fremdländische Truppen noch mehr mischen
zu müssen als dies schon in der regelmäßigen Heerordnung der Fall war.

Den rechten Flügel, dessen äußerster Punkt Braine l'Alleud, nordwestlich
Hougomont war, kommandirte Lord Hill. Das Centrum befehligte Prinz
Wilhelm von Oranien, den linken Flügel General Platon. Dieser Flügel
war nördlich von Smohain ohne Anlehnung; aber dorthin hoffte Wellington
auf den Beistand Blücher's. Vor dem linken Flügel hielt Prinz Bernhard
von Weimar Papelotte, La Haye und Smohain besetzt. -- Die Masse der
Kavallerie stand hinter der Mitte. Eine Infanterie-Reserve fehlte, weil sich
Wellington nicht entschließen konnte, die bei Hat und Tubize stehenden
Truppen (14800 Mann), welche nur 2 Meilen von Mont-Se.-Jean entfernt
waren, zur Schlacht heranzuziehn. Er hielt sie dort seltsamerweise für noth¬
wendig, um Gent gegen jede Bedrohung zu schützen, wo damals der vertrie¬
bene Louis XVIII. residirte. -- In Folge dieses Reservemangels hatte die
englische Aufstellung nur sehr geringe Tiefe; wurde sie an irgend einer
Stelle durchbrochen, so mußten die Truppen von rechts und links statt
frischer Reservebataillone eingreifen -- ein sicherlich bedenklicher Umstand.

Es war Sonntag. Zwischen 5 und 6 Uhr morgens hörte der Regen
auf; die französischen Artillerie-Offiziere meinten, der erweichte Boden würde
bis 9 Uhr fähig für Geschützbewegungen werden. Gegen 10 Uhr erst ließ Na¬
poleon seine Corps in 11 Colonnen rechts und links der Brüsseler Straße
zur vollen Schlachtlinie aufmarschieren -- ein Schauspiel, das ihn noch in
später Erinnerung zu dem entzückten Ausruf veranlaßte: "Q<z 8p"ota,alö 6t,me,
wagnikiqu<z; et 1'c-nnvmi, qui 6eg.it, Me6 av maniür" 5. I'iiperevvmr j"8>-
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Gronzl'c>den II. 1875. 68

freies Attackenterrain für die Reiterei; ungestörte Möglichkeit gegenseitiger
Unterstützung der drei Waffen. Von Waterloo südwärts nach Mont-Se.-Jean
bis hinauf nach La Haye - Sande hebt sich leise das Gelände, dann folgt eine
Mulde, auf deren Südrand La Belle-Alliance liegt, während den Nordrand
bei La Haye-Sainte ein leichter Hügelkamm bezeichnet. Diesen machte Welling¬
ton zur Frontlinie seiner Ausstellung. Alles was hinter demselben stand, war
durch die Bodenerhebung einem von Süden herblickenden Auge entzogen. Vor der
Front liegt westlich (also vor dem rechten Flügel) Schloß Hougomont, östlich
(also links) am Ohainbache liegen die Pachthöfe Papelotte, La Haye und das
Dorf Smohain. Zwischen Papelotte und Hougomont an der Brüsseler
Straße, welche hier durch einen 4000 Schritt breiten Feldercomplex führt, be¬
findet sich die bereits erwähnte Farm La Haye-Sainte.

Wellington hatte 67,600 Mann zur Stelle, nämlich 49.600 Mann In¬
fanterie, 12,400 Reiter und 136 Geschütze mit 5600 Artilleristen. Bei Auf¬
stellung der Armee hielt sich der Herzog nicht genau an die Ordre-de-Bataille,
glaubte vielmehr englische und fremdländische Truppen noch mehr mischen
zu müssen als dies schon in der regelmäßigen Heerordnung der Fall war.

Den rechten Flügel, dessen äußerster Punkt Braine l'Alleud, nordwestlich
Hougomont war, kommandirte Lord Hill. Das Centrum befehligte Prinz
Wilhelm von Oranien, den linken Flügel General Platon. Dieser Flügel
war nördlich von Smohain ohne Anlehnung; aber dorthin hoffte Wellington
auf den Beistand Blücher's. Vor dem linken Flügel hielt Prinz Bernhard
von Weimar Papelotte, La Haye und Smohain besetzt. — Die Masse der
Kavallerie stand hinter der Mitte. Eine Infanterie-Reserve fehlte, weil sich
Wellington nicht entschließen konnte, die bei Hat und Tubize stehenden
Truppen (14800 Mann), welche nur 2 Meilen von Mont-Se.-Jean entfernt
waren, zur Schlacht heranzuziehn. Er hielt sie dort seltsamerweise für noth¬
wendig, um Gent gegen jede Bedrohung zu schützen, wo damals der vertrie¬
bene Louis XVIII. residirte. — In Folge dieses Reservemangels hatte die
englische Aufstellung nur sehr geringe Tiefe; wurde sie an irgend einer
Stelle durchbrochen, so mußten die Truppen von rechts und links statt
frischer Reservebataillone eingreifen — ein sicherlich bedenklicher Umstand.

Es war Sonntag. Zwischen 5 und 6 Uhr morgens hörte der Regen
auf; die französischen Artillerie-Offiziere meinten, der erweichte Boden würde
bis 9 Uhr fähig für Geschützbewegungen werden. Gegen 10 Uhr erst ließ Na¬
poleon seine Corps in 11 Colonnen rechts und links der Brüsseler Straße
zur vollen Schlachtlinie aufmarschieren — ein Schauspiel, das ihn noch in
später Erinnerung zu dem entzückten Ausruf veranlaßte: „Q<z 8p«ota,alö 6t,me,
wagnikiqu<z; et 1'c-nnvmi, qui 6eg.it, Me6 av maniür« 5. I'iiperevvmr j»8>-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/461>, abgerufen am 06.02.2025.