Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.dringendsten Aufgaben des Staates gehöre; als unausbleibliche Folge einer Treitschke hat sich durch seine Ausführungen das große Verdienst erworben, dringendsten Aufgaben des Staates gehöre; als unausbleibliche Folge einer Treitschke hat sich durch seine Ausführungen das große Verdienst erworben, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0046" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133334"/> <p xml:id="ID_127" prev="#ID_126"> dringendsten Aufgaben des Staates gehöre; als unausbleibliche Folge einer<lb/> Vernachlässigung oder mangelhaften Erfüllung dieser Pflicht des Staates be¬<lb/> trachtet Schmoller den offenen Kampf der einzelnen Volksklassen gegen einan¬<lb/> der. Der Historiker Treitschke dagegen versucht, auf die in der Entwicklungs¬<lb/> geschichte aller Kulturvölker sich geltend machenden, mit der menschlichen Natur<lb/> innig verknüpften Gesetze gestützt, den Beweis zu liefern, daß die von der<lb/> Socialdemokratie verfolgten Ziele und angewendeten Mittel den höchsten und<lb/> heiligsten Interessen des Volkes widerstreiten und mit keinem gesunden staat¬<lb/> lichen Leben vereinbar sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_128"> Treitschke hat sich durch seine Ausführungen das große Verdienst erworben,<lb/> in scharfer und überzeugender Weise nachgewiesen zu haben, daß die social¬<lb/> demokratischen Tendenzen durch und durch unsittlicher Natur sind und daß es<lb/> keinem ernsten und nüchternen deutschen Gelehrten oder Staatsmann ansteht,<lb/> mit denselben irgendwie zu pactiren. Die Vorwürfe, welche er in dieser Be¬<lb/> ziehung gegen bestimmte Richtungen in der deutschen Nationalökonomie erhebt,<lb/> sind nicht ganz unberechtigte. Es haben sich einzelne der sogenannten Social-<lb/> politiker den Fehler zu Schulden kommen lassen, daß sie nicht bestimmt genug<lb/> jede innere Gemeinschaft mit der Socialdemokratie zurückwiesen; Männer<lb/> anderer Richtung wie z. B. Albert Lange, ferner die Social-Conservativen<lb/> machen sogar der Socialdemokratie sehr bedenkliche Zugeständnisse und stehen<lb/> mit derselben vielfach auf dem nämlichen Boden. Gegen solche Berirrungen<lb/> deutscher Wissenschaft energisch protestirt zu haben, muß Treitschke zum blei¬<lb/> benden Verdienste angerechnet werden. Seine Vorwürfe treffen freilich Schmoller<lb/> nur in untergeordnetem Maße. Allerdings hat Schmoller in der erwähnten<lb/> Rede ein paar Ausdrücke gebraucht, welche leicht mißverstanden und als<lb/> Billigung unberechtigter socialdemokratischer Schlagwörter ausgelegt werden<lb/> können; aber Schmoller's Ansichten dürfen nicht nach einem einzelnen kurzen<lb/> Vortrag, sondern müssen nach den anderweitigen bedeutenden Leistungen auf social¬<lb/> politischen Gebiet beurtheilt werden, welche anerkannter Maßen zu dem Besten<lb/> gehören, was die Socialwissenschaft in neuerer Zeit hervorgebracht hat. Als<lb/> einen besonders wünschenswerthen Erfolg der Treitschke'schen Auslassungen<lb/> würde ich es betrachten, wenn der Verein für Socialpolitik, welcher unter<lb/> seinen Mitgliedern so viele hervorragende Vertreter der deutschen Wissenschaft<lb/> zählt, daraus Veranlassung nähme, in der energischsten Weise gegen jede<lb/> Gemeinschaft mit socialdemokratischen Principien uno Bestrebungen zu Pro¬<lb/> testiren. Was derselbe hierdurch auf der einen Seite an Sympathien und<lb/> Wirksamkeit voraussichtlich verlöre, würde er auf der anderen Seite überreich¬<lb/> lich gewinnen; er würde dadurch gleichzeitig der nothwendig zu erfüllenden<lb/> Pflicht genügen, seinen Grundsätzen eine klare, unzweideutige Formulirung<lb/> zu geben.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0046]
dringendsten Aufgaben des Staates gehöre; als unausbleibliche Folge einer
Vernachlässigung oder mangelhaften Erfüllung dieser Pflicht des Staates be¬
trachtet Schmoller den offenen Kampf der einzelnen Volksklassen gegen einan¬
der. Der Historiker Treitschke dagegen versucht, auf die in der Entwicklungs¬
geschichte aller Kulturvölker sich geltend machenden, mit der menschlichen Natur
innig verknüpften Gesetze gestützt, den Beweis zu liefern, daß die von der
Socialdemokratie verfolgten Ziele und angewendeten Mittel den höchsten und
heiligsten Interessen des Volkes widerstreiten und mit keinem gesunden staat¬
lichen Leben vereinbar sind.
Treitschke hat sich durch seine Ausführungen das große Verdienst erworben,
in scharfer und überzeugender Weise nachgewiesen zu haben, daß die social¬
demokratischen Tendenzen durch und durch unsittlicher Natur sind und daß es
keinem ernsten und nüchternen deutschen Gelehrten oder Staatsmann ansteht,
mit denselben irgendwie zu pactiren. Die Vorwürfe, welche er in dieser Be¬
ziehung gegen bestimmte Richtungen in der deutschen Nationalökonomie erhebt,
sind nicht ganz unberechtigte. Es haben sich einzelne der sogenannten Social-
politiker den Fehler zu Schulden kommen lassen, daß sie nicht bestimmt genug
jede innere Gemeinschaft mit der Socialdemokratie zurückwiesen; Männer
anderer Richtung wie z. B. Albert Lange, ferner die Social-Conservativen
machen sogar der Socialdemokratie sehr bedenkliche Zugeständnisse und stehen
mit derselben vielfach auf dem nämlichen Boden. Gegen solche Berirrungen
deutscher Wissenschaft energisch protestirt zu haben, muß Treitschke zum blei¬
benden Verdienste angerechnet werden. Seine Vorwürfe treffen freilich Schmoller
nur in untergeordnetem Maße. Allerdings hat Schmoller in der erwähnten
Rede ein paar Ausdrücke gebraucht, welche leicht mißverstanden und als
Billigung unberechtigter socialdemokratischer Schlagwörter ausgelegt werden
können; aber Schmoller's Ansichten dürfen nicht nach einem einzelnen kurzen
Vortrag, sondern müssen nach den anderweitigen bedeutenden Leistungen auf social¬
politischen Gebiet beurtheilt werden, welche anerkannter Maßen zu dem Besten
gehören, was die Socialwissenschaft in neuerer Zeit hervorgebracht hat. Als
einen besonders wünschenswerthen Erfolg der Treitschke'schen Auslassungen
würde ich es betrachten, wenn der Verein für Socialpolitik, welcher unter
seinen Mitgliedern so viele hervorragende Vertreter der deutschen Wissenschaft
zählt, daraus Veranlassung nähme, in der energischsten Weise gegen jede
Gemeinschaft mit socialdemokratischen Principien uno Bestrebungen zu Pro¬
testiren. Was derselbe hierdurch auf der einen Seite an Sympathien und
Wirksamkeit voraussichtlich verlöre, würde er auf der anderen Seite überreich¬
lich gewinnen; er würde dadurch gleichzeitig der nothwendig zu erfüllenden
Pflicht genügen, seinen Grundsätzen eine klare, unzweideutige Formulirung
zu geben.
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