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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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dauernd unter unter so steten Erfolgen gefochten wie das spanische; es be¬
dürfte mehrere Generationen verderbter Regenten um die Grundzüge des Cha¬
rakters dieser stolzen Armee zu verwischen, als deren Schöpfer Gonzalo zu be¬
trachten ist. Er, der in jeder Feldherrnkunst unbedingt höher stand als alle,
die mit oder gegen ihn fochten, war auch ein bewunderungswürdiger Organi¬
sator, und indem er das Heer durch die strengste Disciplin zusammen hielt
und zügelte, keinen Augenblick anstand, Feige oder Ungehorsame mit eigener
Hand zu todten, sorgte er auch mit väterlicher Sorgfalt für die Mannschaft,
lohnte mit fürstlicher Freigebigkeit tapfere Thaten und herrschte mit seltener
Kraft über die Gemüther der Soldaten, die er, wenn es darauf ankam, durch
eine kühne That Entscheidungen herbeizuführen, in unerhörter Weise fortzu¬
reißen wußte.*)

Die ersten Fortschritte des spanischen Heeres in Calabrien waren ebenso
schnell als glänzend. Gonzalo nahm die Festung Reggio mit Sturm und
ließ die Besatzung über die Klinge springen, angeblich weil sie einen verab¬
redeten Waffenstillstand gebrochen. Auch Santa-Agata und Seminar" unter¬
warfen sich. Nun aber wandte sich das Blatt. Als gegen den Rath Gonza-
lo's der junge König sich bei Seminar" mit d'Aubigny in eine Schlacht ein¬
ließ (1495), vermochte die leichter gerüstete spanische Reiterei nicht der Wucht
der eisengepanzerten französischen Gendarmerie, die calabresische Miliz nicht dem
Stoß der "stacheligen Phalanx der schweizer Speermänner" zu widerstehn.**)

Ferrantin mußte wieder nach Sizilien flüchten, Gonzalo sich nach Reggio
Zurückziehn. Die Schlacht von Seminar" ist die einzige, welche er nicht ge¬
wonnen hat. Aber die Franzosen benutzten ihren Sieg nicht und die Arago-
"eher verloren nicht den Muth, zumal die Eingeborenen sich freudig zu ihren
Fahnen drängten.

Als Ferrantin mit einer Flotte vor Neapel erschien, regten sich die Volks-
wassen zu seinen Gunsten; und da der Vicekönig, um die Landung zu ver¬
hindern alle seine Truppen (bis auf die Besatzung der Castelle) aus der Stadt
führte, brach die Empörung in volle Flammen aus. Die Einwohner ergriffen
Waffen und besetzten die Thore, und während Montpensier auf weitem,
bergigen Wege um die Stadt herum zog, rückte Ferrantin von der andern Seite
unter dem lautesten Jubel ein. Die Franzosen wurden auf die beiden Cita¬
dellen beschränkt und mußten sich hier bis auf einen kleinen Theil, der mit
Montpensier geflohen und zum Connetable nach Salerno entkommen war, er¬
geben. -- Gonzalo setzte nun in den calabrischen Bergen durch rasche Be¬
legungen, Ueberfälle und Kriegslisten, wie er sie im Maurenkriege gelernt,
d^n Truppen d'Aubigny's ununterbrochen zu. ohne daß es zu eigentlichen Enr-




Heinrich v. Brandt, Geschichte des Kriegswesens.
"
) Paulus Jovius libr, III.
Grenzlwtn, II. 1875. 48

dauernd unter unter so steten Erfolgen gefochten wie das spanische; es be¬
dürfte mehrere Generationen verderbter Regenten um die Grundzüge des Cha¬
rakters dieser stolzen Armee zu verwischen, als deren Schöpfer Gonzalo zu be¬
trachten ist. Er, der in jeder Feldherrnkunst unbedingt höher stand als alle,
die mit oder gegen ihn fochten, war auch ein bewunderungswürdiger Organi¬
sator, und indem er das Heer durch die strengste Disciplin zusammen hielt
und zügelte, keinen Augenblick anstand, Feige oder Ungehorsame mit eigener
Hand zu todten, sorgte er auch mit väterlicher Sorgfalt für die Mannschaft,
lohnte mit fürstlicher Freigebigkeit tapfere Thaten und herrschte mit seltener
Kraft über die Gemüther der Soldaten, die er, wenn es darauf ankam, durch
eine kühne That Entscheidungen herbeizuführen, in unerhörter Weise fortzu¬
reißen wußte.*)

Die ersten Fortschritte des spanischen Heeres in Calabrien waren ebenso
schnell als glänzend. Gonzalo nahm die Festung Reggio mit Sturm und
ließ die Besatzung über die Klinge springen, angeblich weil sie einen verab¬
redeten Waffenstillstand gebrochen. Auch Santa-Agata und Seminar« unter¬
warfen sich. Nun aber wandte sich das Blatt. Als gegen den Rath Gonza-
lo's der junge König sich bei Seminar« mit d'Aubigny in eine Schlacht ein¬
ließ (1495), vermochte die leichter gerüstete spanische Reiterei nicht der Wucht
der eisengepanzerten französischen Gendarmerie, die calabresische Miliz nicht dem
Stoß der „stacheligen Phalanx der schweizer Speermänner" zu widerstehn.**)

Ferrantin mußte wieder nach Sizilien flüchten, Gonzalo sich nach Reggio
Zurückziehn. Die Schlacht von Seminar» ist die einzige, welche er nicht ge¬
wonnen hat. Aber die Franzosen benutzten ihren Sieg nicht und die Arago-
"eher verloren nicht den Muth, zumal die Eingeborenen sich freudig zu ihren
Fahnen drängten.

Als Ferrantin mit einer Flotte vor Neapel erschien, regten sich die Volks-
wassen zu seinen Gunsten; und da der Vicekönig, um die Landung zu ver¬
hindern alle seine Truppen (bis auf die Besatzung der Castelle) aus der Stadt
führte, brach die Empörung in volle Flammen aus. Die Einwohner ergriffen
Waffen und besetzten die Thore, und während Montpensier auf weitem,
bergigen Wege um die Stadt herum zog, rückte Ferrantin von der andern Seite
unter dem lautesten Jubel ein. Die Franzosen wurden auf die beiden Cita¬
dellen beschränkt und mußten sich hier bis auf einen kleinen Theil, der mit
Montpensier geflohen und zum Connetable nach Salerno entkommen war, er¬
geben. — Gonzalo setzte nun in den calabrischen Bergen durch rasche Be¬
legungen, Ueberfälle und Kriegslisten, wie er sie im Maurenkriege gelernt,
d^n Truppen d'Aubigny's ununterbrochen zu. ohne daß es zu eigentlichen Enr-




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[0381] dauernd unter unter so steten Erfolgen gefochten wie das spanische; es be¬ dürfte mehrere Generationen verderbter Regenten um die Grundzüge des Cha¬ rakters dieser stolzen Armee zu verwischen, als deren Schöpfer Gonzalo zu be¬ trachten ist. Er, der in jeder Feldherrnkunst unbedingt höher stand als alle, die mit oder gegen ihn fochten, war auch ein bewunderungswürdiger Organi¬ sator, und indem er das Heer durch die strengste Disciplin zusammen hielt und zügelte, keinen Augenblick anstand, Feige oder Ungehorsame mit eigener Hand zu todten, sorgte er auch mit väterlicher Sorgfalt für die Mannschaft, lohnte mit fürstlicher Freigebigkeit tapfere Thaten und herrschte mit seltener Kraft über die Gemüther der Soldaten, die er, wenn es darauf ankam, durch eine kühne That Entscheidungen herbeizuführen, in unerhörter Weise fortzu¬ reißen wußte.*) Die ersten Fortschritte des spanischen Heeres in Calabrien waren ebenso schnell als glänzend. Gonzalo nahm die Festung Reggio mit Sturm und ließ die Besatzung über die Klinge springen, angeblich weil sie einen verab¬ redeten Waffenstillstand gebrochen. Auch Santa-Agata und Seminar« unter¬ warfen sich. Nun aber wandte sich das Blatt. Als gegen den Rath Gonza- lo's der junge König sich bei Seminar« mit d'Aubigny in eine Schlacht ein¬ ließ (1495), vermochte die leichter gerüstete spanische Reiterei nicht der Wucht der eisengepanzerten französischen Gendarmerie, die calabresische Miliz nicht dem Stoß der „stacheligen Phalanx der schweizer Speermänner" zu widerstehn.**) Ferrantin mußte wieder nach Sizilien flüchten, Gonzalo sich nach Reggio Zurückziehn. Die Schlacht von Seminar» ist die einzige, welche er nicht ge¬ wonnen hat. Aber die Franzosen benutzten ihren Sieg nicht und die Arago- "eher verloren nicht den Muth, zumal die Eingeborenen sich freudig zu ihren Fahnen drängten. Als Ferrantin mit einer Flotte vor Neapel erschien, regten sich die Volks- wassen zu seinen Gunsten; und da der Vicekönig, um die Landung zu ver¬ hindern alle seine Truppen (bis auf die Besatzung der Castelle) aus der Stadt führte, brach die Empörung in volle Flammen aus. Die Einwohner ergriffen Waffen und besetzten die Thore, und während Montpensier auf weitem, bergigen Wege um die Stadt herum zog, rückte Ferrantin von der andern Seite unter dem lautesten Jubel ein. Die Franzosen wurden auf die beiden Cita¬ dellen beschränkt und mußten sich hier bis auf einen kleinen Theil, der mit Montpensier geflohen und zum Connetable nach Salerno entkommen war, er¬ geben. — Gonzalo setzte nun in den calabrischen Bergen durch rasche Be¬ legungen, Ueberfälle und Kriegslisten, wie er sie im Maurenkriege gelernt, d^n Truppen d'Aubigny's ununterbrochen zu. ohne daß es zu eigentlichen Enr- Heinrich v. Brandt, Geschichte des Kriegswesens. " ) Paulus Jovius libr, III. Grenzlwtn, II. 1875. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/381>, abgerufen am 06.02.2025.