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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Wäsche und ähnlichen Lasten bestehen. Diese Nebenverpflichtungen sind ver¬
schieden je nach dem Gute und diesem solchergestalt anhängig, daß, wenn
eine Bauernfamilie eine andere auf einem Gute ersetzt, sie zugleich alle jene
Verbindlichkeiten auf sich nimmt, welche nicht einmal jedes Mal eigens aus¬
gemacht werden, sondern seit undenklicher Zeit festgesetzt sind. Sie stellen
das Pachtgeld für die Wohnung vor und dienen auch dazu, das Verhältniß
der Arbeiter auf den verschiedenen Gütern auszugleichen, indem sie, theilweise
wenigstens, die Verschiedenheit derselben an Fruchtbarkeit und Lage aufheben.
Ein Theil der von dem Bauern zu leistenden Arbeit besteht in dem Unter¬
halten der Baumkultur; eine gewisse Bearbeitung und eine bestimmte Anzahl
von neuen Pflanzungen müssen das jährliche Herabkommen und Absterben
der alten Stämme, welchen die Jahre oder das Unwetter zusetzen, aufhalten
und dem dadurch möglichen Schaden vorbeugen. Gleicherweise wird der Bauer
angehalten, eine gewisse Anzahl von Kubikmetern Gräben für Oelbäume
und Weinstöcke herzustellen. Wenn die nebensächlichen Verträge nicht erfüllt
werden, sei es, daß kein Bedürfniß danach stattfinde, sei es wegen anderer
Gründe, so werden sie mit Geld abgelöst, je nach den herkömmlichen Normen.
Tritt jedoch wieder der Fall ein, daß der Grundbesitzer der Arbeit des Bauern
benöthigt wäre und zwar außerhalb des Gutes, oder in Leistungen, welche
keine Schuldigkeit für ihn ausmachten, dann muß er ihm einen bestimmten
Tagelohn auszahlen. Im Durchschnitt lohnt man im Arnothale die Tages¬
arbeit eines Mannes mit einer Mark und wenn er des Ochsenkarrens dazu
bedarf, mit 2 oder 3 Mark. Ueberdies geschehen alle Ausgaben für neue
Bearbeitungen und für auf dem Gute ausgeführte Verbesserungen durchaus
aus Kosten des Grundbesitzers. Dieser führt eine laufende Rechnung mit dem
Bauern, welche mit einer Abschätzung des Inventariums, des belebten wie
des todten beginnt, das sich bei der Uebernahme des Grundstückes- dort
befand, also des Viehes, der Saat, des Düngers, der Strohvorräthe, der
Karren u. s. w. Diese bilden das gemeinschaftliche Betriebscapital und wer¬
den zur Hälfte dem Bauern als Schuld aufgezeichnet. In der Folge schreibt
man ihm alle die Summen zu Gute, welche ihm für außerordentliche Arbeit
zustehen und ebenso diejenigen, welche von Unternehmungen, die auf gemein'
schaftliche Kosten auszuführen sind, als Gewinn abgeworfen werden. Als
Schuld verzeichnet man ihm dagegen alle nicht eingehaltenen Leistungen und
die in schlechten Jahren ihm vom Herrn vorgeschossenen Summen, welche zur
Erhaltung der Bauernfamilie dienten und überdies noch die Hälfte des Capt"
kath, welches zur Bearbeitung des Gutes und zu den nebensächlichen Erwerbs'
zweigen benützt wird. Dieses ganze Kapital legt der Herr aus und der
Bauer bezahlt es nie, sondern erfährt nur nach beendeter Unternehmung, toe>s
ihm zukommt, aus den Rechnungen, wo Gewinn und Verlust eingetragen


Wäsche und ähnlichen Lasten bestehen. Diese Nebenverpflichtungen sind ver¬
schieden je nach dem Gute und diesem solchergestalt anhängig, daß, wenn
eine Bauernfamilie eine andere auf einem Gute ersetzt, sie zugleich alle jene
Verbindlichkeiten auf sich nimmt, welche nicht einmal jedes Mal eigens aus¬
gemacht werden, sondern seit undenklicher Zeit festgesetzt sind. Sie stellen
das Pachtgeld für die Wohnung vor und dienen auch dazu, das Verhältniß
der Arbeiter auf den verschiedenen Gütern auszugleichen, indem sie, theilweise
wenigstens, die Verschiedenheit derselben an Fruchtbarkeit und Lage aufheben.
Ein Theil der von dem Bauern zu leistenden Arbeit besteht in dem Unter¬
halten der Baumkultur; eine gewisse Bearbeitung und eine bestimmte Anzahl
von neuen Pflanzungen müssen das jährliche Herabkommen und Absterben
der alten Stämme, welchen die Jahre oder das Unwetter zusetzen, aufhalten
und dem dadurch möglichen Schaden vorbeugen. Gleicherweise wird der Bauer
angehalten, eine gewisse Anzahl von Kubikmetern Gräben für Oelbäume
und Weinstöcke herzustellen. Wenn die nebensächlichen Verträge nicht erfüllt
werden, sei es, daß kein Bedürfniß danach stattfinde, sei es wegen anderer
Gründe, so werden sie mit Geld abgelöst, je nach den herkömmlichen Normen.
Tritt jedoch wieder der Fall ein, daß der Grundbesitzer der Arbeit des Bauern
benöthigt wäre und zwar außerhalb des Gutes, oder in Leistungen, welche
keine Schuldigkeit für ihn ausmachten, dann muß er ihm einen bestimmten
Tagelohn auszahlen. Im Durchschnitt lohnt man im Arnothale die Tages¬
arbeit eines Mannes mit einer Mark und wenn er des Ochsenkarrens dazu
bedarf, mit 2 oder 3 Mark. Ueberdies geschehen alle Ausgaben für neue
Bearbeitungen und für auf dem Gute ausgeführte Verbesserungen durchaus
aus Kosten des Grundbesitzers. Dieser führt eine laufende Rechnung mit dem
Bauern, welche mit einer Abschätzung des Inventariums, des belebten wie
des todten beginnt, das sich bei der Uebernahme des Grundstückes- dort
befand, also des Viehes, der Saat, des Düngers, der Strohvorräthe, der
Karren u. s. w. Diese bilden das gemeinschaftliche Betriebscapital und wer¬
den zur Hälfte dem Bauern als Schuld aufgezeichnet. In der Folge schreibt
man ihm alle die Summen zu Gute, welche ihm für außerordentliche Arbeit
zustehen und ebenso diejenigen, welche von Unternehmungen, die auf gemein'
schaftliche Kosten auszuführen sind, als Gewinn abgeworfen werden. Als
Schuld verzeichnet man ihm dagegen alle nicht eingehaltenen Leistungen und
die in schlechten Jahren ihm vom Herrn vorgeschossenen Summen, welche zur
Erhaltung der Bauernfamilie dienten und überdies noch die Hälfte des Capt"
kath, welches zur Bearbeitung des Gutes und zu den nebensächlichen Erwerbs'
zweigen benützt wird. Dieses ganze Kapital legt der Herr aus und der
Bauer bezahlt es nie, sondern erfährt nur nach beendeter Unternehmung, toe>s
ihm zukommt, aus den Rechnungen, wo Gewinn und Verlust eingetragen


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[0358] Wäsche und ähnlichen Lasten bestehen. Diese Nebenverpflichtungen sind ver¬ schieden je nach dem Gute und diesem solchergestalt anhängig, daß, wenn eine Bauernfamilie eine andere auf einem Gute ersetzt, sie zugleich alle jene Verbindlichkeiten auf sich nimmt, welche nicht einmal jedes Mal eigens aus¬ gemacht werden, sondern seit undenklicher Zeit festgesetzt sind. Sie stellen das Pachtgeld für die Wohnung vor und dienen auch dazu, das Verhältniß der Arbeiter auf den verschiedenen Gütern auszugleichen, indem sie, theilweise wenigstens, die Verschiedenheit derselben an Fruchtbarkeit und Lage aufheben. Ein Theil der von dem Bauern zu leistenden Arbeit besteht in dem Unter¬ halten der Baumkultur; eine gewisse Bearbeitung und eine bestimmte Anzahl von neuen Pflanzungen müssen das jährliche Herabkommen und Absterben der alten Stämme, welchen die Jahre oder das Unwetter zusetzen, aufhalten und dem dadurch möglichen Schaden vorbeugen. Gleicherweise wird der Bauer angehalten, eine gewisse Anzahl von Kubikmetern Gräben für Oelbäume und Weinstöcke herzustellen. Wenn die nebensächlichen Verträge nicht erfüllt werden, sei es, daß kein Bedürfniß danach stattfinde, sei es wegen anderer Gründe, so werden sie mit Geld abgelöst, je nach den herkömmlichen Normen. Tritt jedoch wieder der Fall ein, daß der Grundbesitzer der Arbeit des Bauern benöthigt wäre und zwar außerhalb des Gutes, oder in Leistungen, welche keine Schuldigkeit für ihn ausmachten, dann muß er ihm einen bestimmten Tagelohn auszahlen. Im Durchschnitt lohnt man im Arnothale die Tages¬ arbeit eines Mannes mit einer Mark und wenn er des Ochsenkarrens dazu bedarf, mit 2 oder 3 Mark. Ueberdies geschehen alle Ausgaben für neue Bearbeitungen und für auf dem Gute ausgeführte Verbesserungen durchaus aus Kosten des Grundbesitzers. Dieser führt eine laufende Rechnung mit dem Bauern, welche mit einer Abschätzung des Inventariums, des belebten wie des todten beginnt, das sich bei der Uebernahme des Grundstückes- dort befand, also des Viehes, der Saat, des Düngers, der Strohvorräthe, der Karren u. s. w. Diese bilden das gemeinschaftliche Betriebscapital und wer¬ den zur Hälfte dem Bauern als Schuld aufgezeichnet. In der Folge schreibt man ihm alle die Summen zu Gute, welche ihm für außerordentliche Arbeit zustehen und ebenso diejenigen, welche von Unternehmungen, die auf gemein' schaftliche Kosten auszuführen sind, als Gewinn abgeworfen werden. Als Schuld verzeichnet man ihm dagegen alle nicht eingehaltenen Leistungen und die in schlechten Jahren ihm vom Herrn vorgeschossenen Summen, welche zur Erhaltung der Bauernfamilie dienten und überdies noch die Hälfte des Capt" kath, welches zur Bearbeitung des Gutes und zu den nebensächlichen Erwerbs' zweigen benützt wird. Dieses ganze Kapital legt der Herr aus und der Bauer bezahlt es nie, sondern erfährt nur nach beendeter Unternehmung, toe>s ihm zukommt, aus den Rechnungen, wo Gewinn und Verlust eingetragen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/358>, abgerufen am 06.02.2025.