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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Unter den Heilmitteln, oder, wenn man will, Panaceen, welche Menschen¬
freunde vorgeschlagen oder geniale Neuerer unter den Kapitalisten versucht
haben, muß ohne Zweifel denjenigen der erste Platz eingeräumt werden,
welche dahin zielen, den Kampf zwischen den beiden Faktoren der Production
durch ein Bündniß zu ersetzen, welches aus der Gemeinschaftlichkeit des
Nutzens und zwar in der Form irgend eines Urtheiles der Arbeit an den
Resultaten der industriellen Unternehmungen entspringen. Eine solche besondere
Urtheilsform nun ist ein eigenthümlicher, ackerbaulicher Associationsvertrag,
die Antheilswirthschaft oder Halbpacht (Ne^Märig. v colonia pa^aria),
welche in Toscana in Blüthe steht. Es ist das Verdienst Karl Hille-
brand's in Florenz, daß er uns über diese Antheilswirthschaft die ein¬
gehendsten Informationen und die klarste Darstellung über deren Organisation,
Function und Resultate, deren Vortheile und Nachtheile giebt, indem er in dem
von ihm herausgegebenen ausgezeichneten Werke "Italia"*) aus der Feder
Sidney Sonnino's eine längere Abhandlung über diesen Gegenstand bringt,
in welcher diejenigen Leser, bei denen unsere Andeutungen die Lust wecken
sollten, weitere Studien dieses Gegenstandes zu machen, Stoff genug finden
werden, ihren Wunsch zu befriedigen.

Die Antheilswirthschaft (die "evlovm Mi-dia-ria" der Römer und der
"in6t^ÄAe" der Franzosen) ist jener agrarische Contract, vermittelst dessen
das jährliche Rohprodukt zur Hälfte zwischen dem Besitzer des Bodens und
dem Bebauer desselben getheilt wird. Die Nebenbedingungen sind unendlich
verschieden, was aber diese Form landwirtschaftlichen Verfahrens von jeder
andern unterscheidet, ist die Theilung des Schadens und des Ge¬
winnes zwischen dem Arbeiter und dem Eigenthümer. In der
Pacht für eine jährliche bestimmte Summe hingegen bleibt die Einnahme des
Besitzers immer dieselbe, während der Ackersmann alle möglichen Verluste
zu tragen hat; und andererseits wieder, bei der Bodenbearbeitung aus eigene
Kosten durch den Besitzer, fällt ihm aller Nachtheil und aller Vortheil zu,
indeß der Arbeitslohn für den Bauern derselbe bleibt. Diesen festen Sold
für den Arbeiter findet man auch in der Pacht im weitesten Umfange, und
hier ist es dann ein dritter Kapitalist, welcher allen Gewinn und allen Ver¬
lust des Unternehmens auf sich nimmt.

Dem in Rede stehenden Antheilssysteme begegnet man nur im Süden
Europas und vorzüglich im südlichen Frankreich, an einigen Punkten Ara-
goniens und Cataloniens und in verschiedenen Provinzen von Ober- Mittel-
und Süditalien.**) Nach und nach hat es sich noch enger begrenzt und in




") Leipzig, H. Härtung K Sohn. -- Dieses Werk vermittelt den Deutschen einen Blick
in das innere Wesen der italienischen Gegenwart wie kein Anderes.
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) "I "istomi <l^amiuwii!ri-lo>i" ini-rio L la guEstions soviirlv xvr it Itut. "iiol-rav
Omi'uso. ?is!r 1874.

Unter den Heilmitteln, oder, wenn man will, Panaceen, welche Menschen¬
freunde vorgeschlagen oder geniale Neuerer unter den Kapitalisten versucht
haben, muß ohne Zweifel denjenigen der erste Platz eingeräumt werden,
welche dahin zielen, den Kampf zwischen den beiden Faktoren der Production
durch ein Bündniß zu ersetzen, welches aus der Gemeinschaftlichkeit des
Nutzens und zwar in der Form irgend eines Urtheiles der Arbeit an den
Resultaten der industriellen Unternehmungen entspringen. Eine solche besondere
Urtheilsform nun ist ein eigenthümlicher, ackerbaulicher Associationsvertrag,
die Antheilswirthschaft oder Halbpacht (Ne^Märig. v colonia pa^aria),
welche in Toscana in Blüthe steht. Es ist das Verdienst Karl Hille-
brand's in Florenz, daß er uns über diese Antheilswirthschaft die ein¬
gehendsten Informationen und die klarste Darstellung über deren Organisation,
Function und Resultate, deren Vortheile und Nachtheile giebt, indem er in dem
von ihm herausgegebenen ausgezeichneten Werke „Italia"*) aus der Feder
Sidney Sonnino's eine längere Abhandlung über diesen Gegenstand bringt,
in welcher diejenigen Leser, bei denen unsere Andeutungen die Lust wecken
sollten, weitere Studien dieses Gegenstandes zu machen, Stoff genug finden
werden, ihren Wunsch zu befriedigen.

Die Antheilswirthschaft (die „evlovm Mi-dia-ria" der Römer und der
„in6t^ÄAe" der Franzosen) ist jener agrarische Contract, vermittelst dessen
das jährliche Rohprodukt zur Hälfte zwischen dem Besitzer des Bodens und
dem Bebauer desselben getheilt wird. Die Nebenbedingungen sind unendlich
verschieden, was aber diese Form landwirtschaftlichen Verfahrens von jeder
andern unterscheidet, ist die Theilung des Schadens und des Ge¬
winnes zwischen dem Arbeiter und dem Eigenthümer. In der
Pacht für eine jährliche bestimmte Summe hingegen bleibt die Einnahme des
Besitzers immer dieselbe, während der Ackersmann alle möglichen Verluste
zu tragen hat; und andererseits wieder, bei der Bodenbearbeitung aus eigene
Kosten durch den Besitzer, fällt ihm aller Nachtheil und aller Vortheil zu,
indeß der Arbeitslohn für den Bauern derselbe bleibt. Diesen festen Sold
für den Arbeiter findet man auch in der Pacht im weitesten Umfange, und
hier ist es dann ein dritter Kapitalist, welcher allen Gewinn und allen Ver¬
lust des Unternehmens auf sich nimmt.

Dem in Rede stehenden Antheilssysteme begegnet man nur im Süden
Europas und vorzüglich im südlichen Frankreich, an einigen Punkten Ara-
goniens und Cataloniens und in verschiedenen Provinzen von Ober- Mittel-
und Süditalien.**) Nach und nach hat es sich noch enger begrenzt und in




") Leipzig, H. Härtung K Sohn. — Dieses Werk vermittelt den Deutschen einen Blick
in das innere Wesen der italienischen Gegenwart wie kein Anderes.
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) „I «istomi <l^amiuwii!ri-lo>i« ini-rio L la guEstions soviirlv xvr it Itut. «iiol-rav
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[0356] Unter den Heilmitteln, oder, wenn man will, Panaceen, welche Menschen¬ freunde vorgeschlagen oder geniale Neuerer unter den Kapitalisten versucht haben, muß ohne Zweifel denjenigen der erste Platz eingeräumt werden, welche dahin zielen, den Kampf zwischen den beiden Faktoren der Production durch ein Bündniß zu ersetzen, welches aus der Gemeinschaftlichkeit des Nutzens und zwar in der Form irgend eines Urtheiles der Arbeit an den Resultaten der industriellen Unternehmungen entspringen. Eine solche besondere Urtheilsform nun ist ein eigenthümlicher, ackerbaulicher Associationsvertrag, die Antheilswirthschaft oder Halbpacht (Ne^Märig. v colonia pa^aria), welche in Toscana in Blüthe steht. Es ist das Verdienst Karl Hille- brand's in Florenz, daß er uns über diese Antheilswirthschaft die ein¬ gehendsten Informationen und die klarste Darstellung über deren Organisation, Function und Resultate, deren Vortheile und Nachtheile giebt, indem er in dem von ihm herausgegebenen ausgezeichneten Werke „Italia"*) aus der Feder Sidney Sonnino's eine längere Abhandlung über diesen Gegenstand bringt, in welcher diejenigen Leser, bei denen unsere Andeutungen die Lust wecken sollten, weitere Studien dieses Gegenstandes zu machen, Stoff genug finden werden, ihren Wunsch zu befriedigen. Die Antheilswirthschaft (die „evlovm Mi-dia-ria" der Römer und der „in6t^ÄAe" der Franzosen) ist jener agrarische Contract, vermittelst dessen das jährliche Rohprodukt zur Hälfte zwischen dem Besitzer des Bodens und dem Bebauer desselben getheilt wird. Die Nebenbedingungen sind unendlich verschieden, was aber diese Form landwirtschaftlichen Verfahrens von jeder andern unterscheidet, ist die Theilung des Schadens und des Ge¬ winnes zwischen dem Arbeiter und dem Eigenthümer. In der Pacht für eine jährliche bestimmte Summe hingegen bleibt die Einnahme des Besitzers immer dieselbe, während der Ackersmann alle möglichen Verluste zu tragen hat; und andererseits wieder, bei der Bodenbearbeitung aus eigene Kosten durch den Besitzer, fällt ihm aller Nachtheil und aller Vortheil zu, indeß der Arbeitslohn für den Bauern derselbe bleibt. Diesen festen Sold für den Arbeiter findet man auch in der Pacht im weitesten Umfange, und hier ist es dann ein dritter Kapitalist, welcher allen Gewinn und allen Ver¬ lust des Unternehmens auf sich nimmt. Dem in Rede stehenden Antheilssysteme begegnet man nur im Süden Europas und vorzüglich im südlichen Frankreich, an einigen Punkten Ara- goniens und Cataloniens und in verschiedenen Provinzen von Ober- Mittel- und Süditalien.**) Nach und nach hat es sich noch enger begrenzt und in ") Leipzig, H. Härtung K Sohn. — Dieses Werk vermittelt den Deutschen einen Blick in das innere Wesen der italienischen Gegenwart wie kein Anderes. "''"' ) „I «istomi <l^amiuwii!ri-lo>i« ini-rio L la guEstions soviirlv xvr it Itut. «iiol-rav Omi'uso. ?is!r 1874.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/356>, abgerufen am 06.02.2025.