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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Bedingung, nur dieselbe Anzahl von Miului'mus zu unterhalten, welche jener
König ursprünglich eingerichtet. Das äußerste, wozu sich der dritte Stand
aus dringendes Bitten der Prinzen noch herbeiließ, war ein einmaliges
Geschenk von 300,000 Livres an den König: wir würden es heutzutage ein
Extraordinarium im Armeebudget nennen. -- Immerhin ging übrigens aus
diesen Debatten das Weh endliche der Heeresorganisation ungefährdet hervor
und das war für die kommenden Ereignisse von der größten Wichtigkeit.
In der Gendarmerie besaß der König eine vortreffliche Reiterei, und die be¬
willigten Geldmittel reichten hin, an Stelle eines fehlenden guten französischen
Fußvolkes ausländische Söldner zu werben und zwar in erster Reihe Schweizer.
Denn schnell genug, überraschend schnell, waren die Söhne der Eidgenossen¬
schaft aus heldenmäßigen Vertheidigern der höchsten Güter des Vaterlandes,
als welche sie sich noch in den Kämpfen gegen Karl den Kühnen so glorreich
bewährt, zu käuflichen Reisläufern herabgesunken, welche nicht anstanden, für
Jedermann, der sie bezahlte, handwerksmäßig Krieg zu führen.

Es war schon den Zeitgenossen aufgefallen, daß bereits bei dem Hinzuge
der Schweizer nach Lothringen, als sie dem edlen jungen Rene gegen den nach'
eigen Burgunderherzog zu Hilfe zogen, eine Menge von Ungehörigkeiten
und Uebergriffen von ihnen begangen' wurden; nach dem Gewinn der Schlacht
von Nanni zeigten sie aber erst recht den Uebermuth und die Zügellosigkeit,
durch welche sie späterhin so berüchtigt wurden. Am 13. Januar 1477 plün¬
derten sie Se. Croix bei Colmar völlig aus; in Basel, welches damals noch
nicht zur Eidgenossenschaft, sondern zur niederen, (elsässischen) Vereinigung ge¬
hörte, "verschafften sie einigen ihrer dort studirenden Landsleute, welche rele-
girt werden sollten, durch warme Fürsprache bei Rector und Senat, die sie
mit allerlei sehr ausdrucksvollen Gebärden begleiteten, die Doctorpromotion.*)
Das war am Ende nur ein übermüthiger Spaß; aber er ging aus einer
bedenklichen Stimmung hervor und konnte, auf andere Verhältnisse übertragen,
verhängnißvoll werden. Grell trat auch während dieses Feldzuges schon der
heftige Drang der Schweizer nach Geld hervor, kaum gemildert durch die
Sympathien, welche die Gebirgsbewohner für Rene' hegten. Lediglich als
Geschäft wurde das Verhältniß aufgefaßt, und nicht darin erscheint das
schlimmste Anzeichen dieser Richtung, daß bis zur Auszahlung des Soldrestes
in Basel von jedem Ortsfähnlein der Hauptmann und 6 Knechte zurückblieben
und dem Herzog so lange aus der Tasche lagen, bis er die Summe von 14000
Gulden mit Hilfe einer Anleihe herbeigeschafft, sondern darin lag ein trauri¬
ges Symptom, daß neben den Geldrücksichten von gar keinen anderen auch
nur noch die Rede war und zwar nicht nur bei den Knechten, die sich ver-



*) Rüstow, Geschichte der Infanterie.

Bedingung, nur dieselbe Anzahl von Miului'mus zu unterhalten, welche jener
König ursprünglich eingerichtet. Das äußerste, wozu sich der dritte Stand
aus dringendes Bitten der Prinzen noch herbeiließ, war ein einmaliges
Geschenk von 300,000 Livres an den König: wir würden es heutzutage ein
Extraordinarium im Armeebudget nennen. — Immerhin ging übrigens aus
diesen Debatten das Weh endliche der Heeresorganisation ungefährdet hervor
und das war für die kommenden Ereignisse von der größten Wichtigkeit.
In der Gendarmerie besaß der König eine vortreffliche Reiterei, und die be¬
willigten Geldmittel reichten hin, an Stelle eines fehlenden guten französischen
Fußvolkes ausländische Söldner zu werben und zwar in erster Reihe Schweizer.
Denn schnell genug, überraschend schnell, waren die Söhne der Eidgenossen¬
schaft aus heldenmäßigen Vertheidigern der höchsten Güter des Vaterlandes,
als welche sie sich noch in den Kämpfen gegen Karl den Kühnen so glorreich
bewährt, zu käuflichen Reisläufern herabgesunken, welche nicht anstanden, für
Jedermann, der sie bezahlte, handwerksmäßig Krieg zu führen.

Es war schon den Zeitgenossen aufgefallen, daß bereits bei dem Hinzuge
der Schweizer nach Lothringen, als sie dem edlen jungen Rene gegen den nach'
eigen Burgunderherzog zu Hilfe zogen, eine Menge von Ungehörigkeiten
und Uebergriffen von ihnen begangen' wurden; nach dem Gewinn der Schlacht
von Nanni zeigten sie aber erst recht den Uebermuth und die Zügellosigkeit,
durch welche sie späterhin so berüchtigt wurden. Am 13. Januar 1477 plün¬
derten sie Se. Croix bei Colmar völlig aus; in Basel, welches damals noch
nicht zur Eidgenossenschaft, sondern zur niederen, (elsässischen) Vereinigung ge¬
hörte, „verschafften sie einigen ihrer dort studirenden Landsleute, welche rele-
girt werden sollten, durch warme Fürsprache bei Rector und Senat, die sie
mit allerlei sehr ausdrucksvollen Gebärden begleiteten, die Doctorpromotion.*)
Das war am Ende nur ein übermüthiger Spaß; aber er ging aus einer
bedenklichen Stimmung hervor und konnte, auf andere Verhältnisse übertragen,
verhängnißvoll werden. Grell trat auch während dieses Feldzuges schon der
heftige Drang der Schweizer nach Geld hervor, kaum gemildert durch die
Sympathien, welche die Gebirgsbewohner für Rene' hegten. Lediglich als
Geschäft wurde das Verhältniß aufgefaßt, und nicht darin erscheint das
schlimmste Anzeichen dieser Richtung, daß bis zur Auszahlung des Soldrestes
in Basel von jedem Ortsfähnlein der Hauptmann und 6 Knechte zurückblieben
und dem Herzog so lange aus der Tasche lagen, bis er die Summe von 14000
Gulden mit Hilfe einer Anleihe herbeigeschafft, sondern darin lag ein trauri¬
ges Symptom, daß neben den Geldrücksichten von gar keinen anderen auch
nur noch die Rede war und zwar nicht nur bei den Knechten, die sich ver-



*) Rüstow, Geschichte der Infanterie.
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[0328] Bedingung, nur dieselbe Anzahl von Miului'mus zu unterhalten, welche jener König ursprünglich eingerichtet. Das äußerste, wozu sich der dritte Stand aus dringendes Bitten der Prinzen noch herbeiließ, war ein einmaliges Geschenk von 300,000 Livres an den König: wir würden es heutzutage ein Extraordinarium im Armeebudget nennen. — Immerhin ging übrigens aus diesen Debatten das Weh endliche der Heeresorganisation ungefährdet hervor und das war für die kommenden Ereignisse von der größten Wichtigkeit. In der Gendarmerie besaß der König eine vortreffliche Reiterei, und die be¬ willigten Geldmittel reichten hin, an Stelle eines fehlenden guten französischen Fußvolkes ausländische Söldner zu werben und zwar in erster Reihe Schweizer. Denn schnell genug, überraschend schnell, waren die Söhne der Eidgenossen¬ schaft aus heldenmäßigen Vertheidigern der höchsten Güter des Vaterlandes, als welche sie sich noch in den Kämpfen gegen Karl den Kühnen so glorreich bewährt, zu käuflichen Reisläufern herabgesunken, welche nicht anstanden, für Jedermann, der sie bezahlte, handwerksmäßig Krieg zu führen. Es war schon den Zeitgenossen aufgefallen, daß bereits bei dem Hinzuge der Schweizer nach Lothringen, als sie dem edlen jungen Rene gegen den nach' eigen Burgunderherzog zu Hilfe zogen, eine Menge von Ungehörigkeiten und Uebergriffen von ihnen begangen' wurden; nach dem Gewinn der Schlacht von Nanni zeigten sie aber erst recht den Uebermuth und die Zügellosigkeit, durch welche sie späterhin so berüchtigt wurden. Am 13. Januar 1477 plün¬ derten sie Se. Croix bei Colmar völlig aus; in Basel, welches damals noch nicht zur Eidgenossenschaft, sondern zur niederen, (elsässischen) Vereinigung ge¬ hörte, „verschafften sie einigen ihrer dort studirenden Landsleute, welche rele- girt werden sollten, durch warme Fürsprache bei Rector und Senat, die sie mit allerlei sehr ausdrucksvollen Gebärden begleiteten, die Doctorpromotion.*) Das war am Ende nur ein übermüthiger Spaß; aber er ging aus einer bedenklichen Stimmung hervor und konnte, auf andere Verhältnisse übertragen, verhängnißvoll werden. Grell trat auch während dieses Feldzuges schon der heftige Drang der Schweizer nach Geld hervor, kaum gemildert durch die Sympathien, welche die Gebirgsbewohner für Rene' hegten. Lediglich als Geschäft wurde das Verhältniß aufgefaßt, und nicht darin erscheint das schlimmste Anzeichen dieser Richtung, daß bis zur Auszahlung des Soldrestes in Basel von jedem Ortsfähnlein der Hauptmann und 6 Knechte zurückblieben und dem Herzog so lange aus der Tasche lagen, bis er die Summe von 14000 Gulden mit Hilfe einer Anleihe herbeigeschafft, sondern darin lag ein trauri¬ ges Symptom, daß neben den Geldrücksichten von gar keinen anderen auch nur noch die Rede war und zwar nicht nur bei den Knechten, die sich ver- *) Rüstow, Geschichte der Infanterie.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/328>, abgerufen am 06.02.2025.