Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gediegnen Edelmetalls zu Tage gefördert. Als ein Siebengestirn von dem
alten Lichte treten diese sieben californischen Erzählungen unter die Stern¬
bilder, die er vordem geschaffen.

Bevor wir jedoch dieses Urtheil begründen, haben wir noch eine andere
Pflicht zu erfüllen. Wir haben den Lesern einige ausführlichere Mittheilungen
über den Lebensgang des Dichters zu machen, und wir geben dieselben vor¬
wiegend nach einem Auszuge aus der Biographie, welche der Tauchnitz'schen
Ausgabe des Originals der "Idyllen aus den Vorbergen" vorangeht.

Harte wurde im Jahre 1839 zu Albany im Staate Newyork geboren.
Er erhielt in der Taufe die Namen Francis Bret Harte. aber der zweite
Name, schon lange in der Familie üblich, war derjenige, bei dem man ihn
unter Freunden und Bekannten des Hauses gewöhnlich rief. Später im Leben
ließ er seinen ersten Vornamen ganz fallen, und die Welt lernte ihn unter
dem etwas knappen Gesammtnamen "Bret Harte" kennen und lieben.

Der junge Harte wuchs zunächst unter Einflüssen auf, die der Ausbildung
seines Geistes und Herzens günstig waren: sein Vater hielt eine Mädchen¬
schule und war ein achtbarer Gelehrter. Indeß verlor er denselben frühzeitig
und bevor er, wie es scheint, einen bestimmten Beruf gewählt hatte, und so
sehen wir ihn 1864. also nicht älter als fünfzehn Jahre, was jedoch bei der
frühzeitigen Entwickelung der Amerikaner zur Selbständigkeit nicht sehr ver¬
wundern darf, nach Californien auswandern. Geblendet von den goldnen
Träumen, welche damals diesen Staat im fernsten Westen verklärten, und
^gezogen von der phantastischen Romantik, mit welcher Geschichten aus der
Zeit, wo die Spanier das Land besaßen, plötzliches Reichwerden, überraschende
Abenteuer und ein ganz neues Leben, eine völlig neue Natur diese Gegenden
bekleideten, warf sich der kaum dem Knabenalter Entwachsene in den wechsel¬
vollen Strom menschlichen Lebens und Treibens, welche in Ebbe und Fluth
durch die Städte an der See, und über die stillen bekleideten Gebirgskämme
der Sierra und die rauhen Lager der Goldsucher hinwogte, die damals die
Stille lange vom Menschenfuß unbetretener Einöden unterbrachen.

Kein Älter und keine Lebensstellung, keine Eigenschaft des Menschenthums,
kein Grad der sittlichen und geistigen Bildung war in dieser bunten Aus-
wandrerfluth unvertreten. Der träumerische Schulknabe, der zukünftige Dichter
der "Argonauten" von 1849, trieb mit den Uebrigen weiter, bald hierhin
bald dorthin. Zwei oder drei Jahre lang wechselte er, wie alle diese ruhe-
losen Wanderer jener Tage, wieder und immer wieder den Beruf und
den Wohnort. Eine nie befriedigte Sehnsucht nach Veränderung, eine
nur halb eingestandene Ungeduld, lange an einem Orte zu verweilen,
schien sich jeder Seele bemächtigt zu haben. Goldgräberlager und selbst wohl-
"edeihende Städte wurden an einem einzigen Tage von ihrer gesammten Be-


gediegnen Edelmetalls zu Tage gefördert. Als ein Siebengestirn von dem
alten Lichte treten diese sieben californischen Erzählungen unter die Stern¬
bilder, die er vordem geschaffen.

Bevor wir jedoch dieses Urtheil begründen, haben wir noch eine andere
Pflicht zu erfüllen. Wir haben den Lesern einige ausführlichere Mittheilungen
über den Lebensgang des Dichters zu machen, und wir geben dieselben vor¬
wiegend nach einem Auszuge aus der Biographie, welche der Tauchnitz'schen
Ausgabe des Originals der „Idyllen aus den Vorbergen" vorangeht.

Harte wurde im Jahre 1839 zu Albany im Staate Newyork geboren.
Er erhielt in der Taufe die Namen Francis Bret Harte. aber der zweite
Name, schon lange in der Familie üblich, war derjenige, bei dem man ihn
unter Freunden und Bekannten des Hauses gewöhnlich rief. Später im Leben
ließ er seinen ersten Vornamen ganz fallen, und die Welt lernte ihn unter
dem etwas knappen Gesammtnamen „Bret Harte" kennen und lieben.

Der junge Harte wuchs zunächst unter Einflüssen auf, die der Ausbildung
seines Geistes und Herzens günstig waren: sein Vater hielt eine Mädchen¬
schule und war ein achtbarer Gelehrter. Indeß verlor er denselben frühzeitig
und bevor er, wie es scheint, einen bestimmten Beruf gewählt hatte, und so
sehen wir ihn 1864. also nicht älter als fünfzehn Jahre, was jedoch bei der
frühzeitigen Entwickelung der Amerikaner zur Selbständigkeit nicht sehr ver¬
wundern darf, nach Californien auswandern. Geblendet von den goldnen
Träumen, welche damals diesen Staat im fernsten Westen verklärten, und
^gezogen von der phantastischen Romantik, mit welcher Geschichten aus der
Zeit, wo die Spanier das Land besaßen, plötzliches Reichwerden, überraschende
Abenteuer und ein ganz neues Leben, eine völlig neue Natur diese Gegenden
bekleideten, warf sich der kaum dem Knabenalter Entwachsene in den wechsel¬
vollen Strom menschlichen Lebens und Treibens, welche in Ebbe und Fluth
durch die Städte an der See, und über die stillen bekleideten Gebirgskämme
der Sierra und die rauhen Lager der Goldsucher hinwogte, die damals die
Stille lange vom Menschenfuß unbetretener Einöden unterbrachen.

Kein Älter und keine Lebensstellung, keine Eigenschaft des Menschenthums,
kein Grad der sittlichen und geistigen Bildung war in dieser bunten Aus-
wandrerfluth unvertreten. Der träumerische Schulknabe, der zukünftige Dichter
der „Argonauten" von 1849, trieb mit den Uebrigen weiter, bald hierhin
bald dorthin. Zwei oder drei Jahre lang wechselte er, wie alle diese ruhe-
losen Wanderer jener Tage, wieder und immer wieder den Beruf und
den Wohnort. Eine nie befriedigte Sehnsucht nach Veränderung, eine
nur halb eingestandene Ungeduld, lange an einem Orte zu verweilen,
schien sich jeder Seele bemächtigt zu haben. Goldgräberlager und selbst wohl-
»edeihende Städte wurden an einem einzigen Tage von ihrer gesammten Be-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0305" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133593"/>
          <p xml:id="ID_951" prev="#ID_950"> gediegnen Edelmetalls zu Tage gefördert. Als ein Siebengestirn von dem<lb/>
alten Lichte treten diese sieben californischen Erzählungen unter die Stern¬<lb/>
bilder, die er vordem geschaffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_952"> Bevor wir jedoch dieses Urtheil begründen, haben wir noch eine andere<lb/>
Pflicht zu erfüllen. Wir haben den Lesern einige ausführlichere Mittheilungen<lb/>
über den Lebensgang des Dichters zu machen, und wir geben dieselben vor¬<lb/>
wiegend nach einem Auszuge aus der Biographie, welche der Tauchnitz'schen<lb/>
Ausgabe des Originals der &#x201E;Idyllen aus den Vorbergen" vorangeht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_953"> Harte wurde im Jahre 1839 zu Albany im Staate Newyork geboren.<lb/>
Er erhielt in der Taufe die Namen Francis Bret Harte. aber der zweite<lb/>
Name, schon lange in der Familie üblich, war derjenige, bei dem man ihn<lb/>
unter Freunden und Bekannten des Hauses gewöhnlich rief. Später im Leben<lb/>
ließ er seinen ersten Vornamen ganz fallen, und die Welt lernte ihn unter<lb/>
dem etwas knappen Gesammtnamen &#x201E;Bret Harte" kennen und lieben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_954"> Der junge Harte wuchs zunächst unter Einflüssen auf, die der Ausbildung<lb/>
seines Geistes und Herzens günstig waren: sein Vater hielt eine Mädchen¬<lb/>
schule und war ein achtbarer Gelehrter. Indeß verlor er denselben frühzeitig<lb/>
und bevor er, wie es scheint, einen bestimmten Beruf gewählt hatte, und so<lb/>
sehen wir ihn 1864. also nicht älter als fünfzehn Jahre, was jedoch bei der<lb/>
frühzeitigen Entwickelung der Amerikaner zur Selbständigkeit nicht sehr ver¬<lb/>
wundern darf, nach Californien auswandern. Geblendet von den goldnen<lb/>
Träumen, welche damals diesen Staat im fernsten Westen verklärten, und<lb/>
^gezogen von der phantastischen Romantik, mit welcher Geschichten aus der<lb/>
Zeit, wo die Spanier das Land besaßen, plötzliches Reichwerden, überraschende<lb/>
Abenteuer und ein ganz neues Leben, eine völlig neue Natur diese Gegenden<lb/>
bekleideten, warf sich der kaum dem Knabenalter Entwachsene in den wechsel¬<lb/>
vollen Strom menschlichen Lebens und Treibens, welche in Ebbe und Fluth<lb/>
durch die Städte an der See, und über die stillen bekleideten Gebirgskämme<lb/>
der Sierra und die rauhen Lager der Goldsucher hinwogte, die damals die<lb/>
Stille lange vom Menschenfuß unbetretener Einöden unterbrachen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_955" next="#ID_956"> Kein Älter und keine Lebensstellung, keine Eigenschaft des Menschenthums,<lb/>
kein Grad der sittlichen und geistigen Bildung war in dieser bunten Aus-<lb/>
wandrerfluth unvertreten. Der träumerische Schulknabe, der zukünftige Dichter<lb/>
der &#x201E;Argonauten" von 1849, trieb mit den Uebrigen weiter, bald hierhin<lb/>
bald dorthin. Zwei oder drei Jahre lang wechselte er, wie alle diese ruhe-<lb/>
losen Wanderer jener Tage, wieder und immer wieder den Beruf und<lb/>
den Wohnort. Eine nie befriedigte Sehnsucht nach Veränderung, eine<lb/>
nur halb eingestandene Ungeduld, lange an einem Orte zu verweilen,<lb/>
schien sich jeder Seele bemächtigt zu haben. Goldgräberlager und selbst wohl-<lb/>
»edeihende Städte wurden an einem einzigen Tage von ihrer gesammten Be-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0305] gediegnen Edelmetalls zu Tage gefördert. Als ein Siebengestirn von dem alten Lichte treten diese sieben californischen Erzählungen unter die Stern¬ bilder, die er vordem geschaffen. Bevor wir jedoch dieses Urtheil begründen, haben wir noch eine andere Pflicht zu erfüllen. Wir haben den Lesern einige ausführlichere Mittheilungen über den Lebensgang des Dichters zu machen, und wir geben dieselben vor¬ wiegend nach einem Auszuge aus der Biographie, welche der Tauchnitz'schen Ausgabe des Originals der „Idyllen aus den Vorbergen" vorangeht. Harte wurde im Jahre 1839 zu Albany im Staate Newyork geboren. Er erhielt in der Taufe die Namen Francis Bret Harte. aber der zweite Name, schon lange in der Familie üblich, war derjenige, bei dem man ihn unter Freunden und Bekannten des Hauses gewöhnlich rief. Später im Leben ließ er seinen ersten Vornamen ganz fallen, und die Welt lernte ihn unter dem etwas knappen Gesammtnamen „Bret Harte" kennen und lieben. Der junge Harte wuchs zunächst unter Einflüssen auf, die der Ausbildung seines Geistes und Herzens günstig waren: sein Vater hielt eine Mädchen¬ schule und war ein achtbarer Gelehrter. Indeß verlor er denselben frühzeitig und bevor er, wie es scheint, einen bestimmten Beruf gewählt hatte, und so sehen wir ihn 1864. also nicht älter als fünfzehn Jahre, was jedoch bei der frühzeitigen Entwickelung der Amerikaner zur Selbständigkeit nicht sehr ver¬ wundern darf, nach Californien auswandern. Geblendet von den goldnen Träumen, welche damals diesen Staat im fernsten Westen verklärten, und ^gezogen von der phantastischen Romantik, mit welcher Geschichten aus der Zeit, wo die Spanier das Land besaßen, plötzliches Reichwerden, überraschende Abenteuer und ein ganz neues Leben, eine völlig neue Natur diese Gegenden bekleideten, warf sich der kaum dem Knabenalter Entwachsene in den wechsel¬ vollen Strom menschlichen Lebens und Treibens, welche in Ebbe und Fluth durch die Städte an der See, und über die stillen bekleideten Gebirgskämme der Sierra und die rauhen Lager der Goldsucher hinwogte, die damals die Stille lange vom Menschenfuß unbetretener Einöden unterbrachen. Kein Älter und keine Lebensstellung, keine Eigenschaft des Menschenthums, kein Grad der sittlichen und geistigen Bildung war in dieser bunten Aus- wandrerfluth unvertreten. Der träumerische Schulknabe, der zukünftige Dichter der „Argonauten" von 1849, trieb mit den Uebrigen weiter, bald hierhin bald dorthin. Zwei oder drei Jahre lang wechselte er, wie alle diese ruhe- losen Wanderer jener Tage, wieder und immer wieder den Beruf und den Wohnort. Eine nie befriedigte Sehnsucht nach Veränderung, eine nur halb eingestandene Ungeduld, lange an einem Orte zu verweilen, schien sich jeder Seele bemächtigt zu haben. Goldgräberlager und selbst wohl- »edeihende Städte wurden an einem einzigen Tage von ihrer gesammten Be-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/305
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/305>, abgerufen am 06.02.2025.