Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.von einer Geschäftsgewandtheit und einem Ueberblick, die ihres Gleichen suchen, Der eine zwar verurtheilt, aber nicht um dessentwillen, wessen er ange¬ Aktenstücke, von denen nicht nur Wohl und Wehe des Staats abhängt, Ritter von Ofenheim hatte verstanden, Geld ins Land zu bringen, Das also ist -- in beiden Fällen -- Rechtens. Dies Resultat ergiebt Die Rechtsprechung ist eine große Aufgabe! ihr gewachsen zu sein, das Gedenken wir auch des Wahrspruchs der Presse in beiden causes dZIebl'LS? Wenn man fern steht, hat man Erlaubniß, Vieles unverständlich zu Ärenzboten II. 1875.
von einer Geschäftsgewandtheit und einem Ueberblick, die ihres Gleichen suchen, Der eine zwar verurtheilt, aber nicht um dessentwillen, wessen er ange¬ Aktenstücke, von denen nicht nur Wohl und Wehe des Staats abhängt, Ritter von Ofenheim hatte verstanden, Geld ins Land zu bringen, Das also ist — in beiden Fällen — Rechtens. Dies Resultat ergiebt Die Rechtsprechung ist eine große Aufgabe! ihr gewachsen zu sein, das Gedenken wir auch des Wahrspruchs der Presse in beiden causes dZIebl'LS? Wenn man fern steht, hat man Erlaubniß, Vieles unverständlich zu Ärenzboten II. 1875.
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von einer Geschäftsgewandtheit und einem Ueberblick, die ihres Gleichen suchen,
der sich aber von der Welle des Tages tragen läßt, in der ganzen Gier des
Zeitalters aufgeht, dem Geldmacher Alles unterordnet, Verpflichtungen eingeht,
die er nach seiner ihm passenden Auslegung vielleicht zu erfüllen sich .anläßt,
was in den Sprachen der Völker verschiedene harte Namen trägt. — —
Zwei souveräne Naturen, „xrineipes Isgidus soluti" wo möglich — — —
Und nun vor Gericht? und wie beurtheilt?
Der eine zwar verurtheilt, aber nicht um dessentwillen, wessen er ange¬
klagt worden, eigentlich freigesprochen: und der andere ohne Umschweif
wirklich freigesprochen, nichtschuldig.
Aktenstücke, von denen nicht nur Wohl und Wehe des Staats abhängt,
sondern auch die Ehre des Amtes, glaubte Graf Arnim und glaubt er heute
noch, für sich behalten und dem Staat entziehen zu dürfen und zu sollen.
Handelte er in der Aufregung und verrannte sich darin? Er fand auch Ver¬
theidiger: kühl und besonnen verfuhr der Gerichtshof.
Ritter von Ofenheim hatte verstanden, Geld ins Land zu bringen,
sich um das Land verdient gemacht, sah sich so gepriesen, daß Andre füglich
sich schämen mochten, die nicht auch so prakticirt: das Verdikt bestätigte seine
volle Berechtigung, strenggenommen seine Meriten.
Das also ist — in beiden Fällen — Rechtens. Dies Resultat ergiebt
die moderne Jurisprudenz. Wie im Arnim'schen Fall abgewogen ist, was
dem Ankläger zu beweisen oblag und was nicht hinreichend erwiesen, ganz
Wie im Rechtsstreit um Mein und Dein: quoä von in actis, non in aurato.
Und, wenn bessere Einsicht nachhinkt und ihr dennoch keine Folge gegeben
ist: trala üäeg superveniens non movet.
Die Rechtsprechung ist eine große Aufgabe! ihr gewachsen zu sein, das
will etwas sagen! Auch hat die Strafrechtspflege ihr besondres Ingenium
zur Voraussetzung, dessen der Civilproceß entrathen darf.
Gedenken wir auch des Wahrspruchs der Presse in beiden causes dZIebl'LS?
Dafür nur das Eine, doch gewiß „celebre" Beispiel: Die Wiener „Neue
Freie" verherrlichte den Angeklagten Graf Arnim, doch nicht us^ne ünvm;
dagegen blieb sie der Apotheose des Ritters von Ponteuxin getreu.
Wenn man fern steht, hat man Erlaubniß, Vieles unverständlich zu
finden. Giebt es doch, von denen die Schulweisheit sich nichts träumen
läßt, Dinge zwischen Himmel und Erde, wie z. B. den Fall Arnim, den
Fall Ofenhelm.
Ärenzboten II. 1875.
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