Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.durch die zweite und dritte Lesung gegangen. Mit den Einzelheiten brauchen Wir wollen mit diesen Bemerkungen jedoch nicht sagen, daß das Gesetz Die Verhandlungen über das Gesetz können unserm Bericht nur wenig durch die zweite und dritte Lesung gegangen. Mit den Einzelheiten brauchen Wir wollen mit diesen Bemerkungen jedoch nicht sagen, daß das Gesetz Die Verhandlungen über das Gesetz können unserm Bericht nur wenig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0235" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133523"/> <p xml:id="ID_770" prev="#ID_769"> durch die zweite und dritte Lesung gegangen. Mit den Einzelheiten brauchen<lb/> wir uns nicht eingehend zu beschäftigen. Das Wesentliche des Gesetzes liegt<lb/> in der Einsetzung eines Kirchenvorstandes und einer Gemeindevertretung, in<lb/> der Bildung beider Organe durch Wahl und in der Uebertragung der Ver¬<lb/> waltung des Kirchenvermögens an beide Organe mit der herkömmlichen Thei¬<lb/> lung der Funktion zwischen Ausführung und Beschlußfassung. Wir haben<lb/> schon bei dem Bericht über die erste Lesung hervorgehoben, daß der Erfolg<lb/> des Gesetzes vorläufig als sehr zweifelhaft betrachtet werden muß. Das Ge¬<lb/> setz könnte eine große Wirkung haben, wenn in der katholischen Kirche eine<lb/> Laienwelt vorhanden wäre, die in Opposition zum Clerus stände und gleich¬<lb/> wohl in der Kirche bleiben wollte. Nach einer solchen Laienwelt wird man<lb/> sich aber vergeblich umsehen. Man ist eben Katholik, man bleibt eben Katho¬<lb/> lik, weil man das Laienverhältniß in vollem Ernste aus sich nehmen will.<lb/> Der evangelische Laie betrachtet sich nicht als Laie, sondern als fungirendes<lb/> Mitglied seiner Kirche, wenn er auch von Luther's allgemeinem Priesterthum<lb/> nie etwas gehört haben sollte. Nun beruft man sich freilich auf das be¬<lb/> rühmte: in Geldsachen hört die Gemüthlichkeit auf, um auch katholischen<lb/> Laienorganen, soweit sie das Geldwesen der Kirche zu verwalten haben, ein<lb/> erfolgreiches Wirken vorauszusagen. Das könnte vielleicht der Fall sein in<lb/> friedlichen Zeiten. In der heutigen Zeit aber steht einer erfolgreichen Wirk¬<lb/> samkeit des Laienelementes nicht nur die herkömmliche Bevormundung und<lb/> Indifferenz der Laien entgegen, sondern außerdem noch der frisch angefachte<lb/> kirchliche Fanatismus. Wer mit dem Hineinsprechen der Laien in die kirch¬<lb/> liche Vermögensverwaltung Ernst machen will, wird zum schlechten Gläubigen<lb/> gestempelt werden, nicht nur durch den Clerus, sondern auch durch die fana-<lb/> tisirten Laien.</p><lb/> <p xml:id="ID_771"> Wir wollen mit diesen Bemerkungen jedoch nicht sagen, daß das Gesetz<lb/> als Uebergangsversuch nicht seine Berechtigung habe. So wie die Dinge<lb/> liegen, wird zunächst die preußische, weiterhin die Gesammtheit der deutschen<lb/> Staatsregierungen voraussichtlich in die Lage kommen, die Verwaltung des<lb/> katholischen Kirchenvermögens selbst in die Hand zu nehmen. Ob die jetzt<lb/> geschaffenen Laienorgane sich dabei als eine nützliche Hülfe bewähren werden,<lb/> steht dahin. Die Art ihrer Bewährung wird jedenfalls von großem Einfluß<lb/> sein auf die einstige definitive Verfassung der katholischen Kirche in Deutschland.</p><lb/> <p xml:id="ID_772" next="#ID_773"> Die Verhandlungen über das Gesetz können unserm Bericht nur wenig<lb/> Stoff geben. Alle solche Gesetze werden, wie es in der Natur der Sache<lb/> liegt, ausschließlich in das Licht des Culturkampfes gestellt, gegen dessen<lb/> Effekte die Theilnahme gründlich abgestumpft ist. Wir erwähnen deshalb<lb/> nur. daß wir dem Abgeordneten Reichensperger unsere Bewunderung zollen<lb/> müssen, wie er unermüdlich mit der Ruhe des gebildeten Mannes die An-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0235]
durch die zweite und dritte Lesung gegangen. Mit den Einzelheiten brauchen
wir uns nicht eingehend zu beschäftigen. Das Wesentliche des Gesetzes liegt
in der Einsetzung eines Kirchenvorstandes und einer Gemeindevertretung, in
der Bildung beider Organe durch Wahl und in der Uebertragung der Ver¬
waltung des Kirchenvermögens an beide Organe mit der herkömmlichen Thei¬
lung der Funktion zwischen Ausführung und Beschlußfassung. Wir haben
schon bei dem Bericht über die erste Lesung hervorgehoben, daß der Erfolg
des Gesetzes vorläufig als sehr zweifelhaft betrachtet werden muß. Das Ge¬
setz könnte eine große Wirkung haben, wenn in der katholischen Kirche eine
Laienwelt vorhanden wäre, die in Opposition zum Clerus stände und gleich¬
wohl in der Kirche bleiben wollte. Nach einer solchen Laienwelt wird man
sich aber vergeblich umsehen. Man ist eben Katholik, man bleibt eben Katho¬
lik, weil man das Laienverhältniß in vollem Ernste aus sich nehmen will.
Der evangelische Laie betrachtet sich nicht als Laie, sondern als fungirendes
Mitglied seiner Kirche, wenn er auch von Luther's allgemeinem Priesterthum
nie etwas gehört haben sollte. Nun beruft man sich freilich auf das be¬
rühmte: in Geldsachen hört die Gemüthlichkeit auf, um auch katholischen
Laienorganen, soweit sie das Geldwesen der Kirche zu verwalten haben, ein
erfolgreiches Wirken vorauszusagen. Das könnte vielleicht der Fall sein in
friedlichen Zeiten. In der heutigen Zeit aber steht einer erfolgreichen Wirk¬
samkeit des Laienelementes nicht nur die herkömmliche Bevormundung und
Indifferenz der Laien entgegen, sondern außerdem noch der frisch angefachte
kirchliche Fanatismus. Wer mit dem Hineinsprechen der Laien in die kirch¬
liche Vermögensverwaltung Ernst machen will, wird zum schlechten Gläubigen
gestempelt werden, nicht nur durch den Clerus, sondern auch durch die fana-
tisirten Laien.
Wir wollen mit diesen Bemerkungen jedoch nicht sagen, daß das Gesetz
als Uebergangsversuch nicht seine Berechtigung habe. So wie die Dinge
liegen, wird zunächst die preußische, weiterhin die Gesammtheit der deutschen
Staatsregierungen voraussichtlich in die Lage kommen, die Verwaltung des
katholischen Kirchenvermögens selbst in die Hand zu nehmen. Ob die jetzt
geschaffenen Laienorgane sich dabei als eine nützliche Hülfe bewähren werden,
steht dahin. Die Art ihrer Bewährung wird jedenfalls von großem Einfluß
sein auf die einstige definitive Verfassung der katholischen Kirche in Deutschland.
Die Verhandlungen über das Gesetz können unserm Bericht nur wenig
Stoff geben. Alle solche Gesetze werden, wie es in der Natur der Sache
liegt, ausschließlich in das Licht des Culturkampfes gestellt, gegen dessen
Effekte die Theilnahme gründlich abgestumpft ist. Wir erwähnen deshalb
nur. daß wir dem Abgeordneten Reichensperger unsere Bewunderung zollen
müssen, wie er unermüdlich mit der Ruhe des gebildeten Mannes die An-
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