Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.ich gerade im Zuge, und so mußte ich möglichst viel von meinen wunderlichen Näher bei Lichte betrachtet, war zwar Herr Pniower nicht so recht eigent¬ Die Ott Fellows des Deutschen Reichs übersetzen ihren Namen, wie .wir Spandau. Verlag von Carl Jürgens, 1874.
ich gerade im Zuge, und so mußte ich möglichst viel von meinen wunderlichen Näher bei Lichte betrachtet, war zwar Herr Pniower nicht so recht eigent¬ Die Ott Fellows des Deutschen Reichs übersetzen ihren Namen, wie .wir Spandau. Verlag von Carl Jürgens, 1874.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0209" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133497"/> <p xml:id="ID_680" prev="#ID_679"> ich gerade im Zuge, und so mußte ich möglichst viel von meinen wunderlichen<lb/> Freunden erfahren, selbst auf die jetzt freilich große Gefahr hin, nichts Ge¬<lb/> scheites an ihnen zu finden. Zudem verbot die Gewissenhaftigkeit ein vor¬<lb/> schnelles Urtheil über eine Gesellschaft von dem Selbstgefühl, wie es sich in<lb/> dem Aussatz über das Stiftungsfest des Ordens geäußert hatte, und, so zwi¬<lb/> schen Abneigung und Antrieb schwankend, steckte ich. wie ich das bei solchen<lb/> Gelegenheiten zu halten Pflege, meinen Federhalter aufs Gerathewohl in die<lb/> Bibel und beschloß, zu thun, was der Vers rathen würde, auf den die Spitze<lb/> wiese. Ich hatte das Buch Jesus Sirach getroffen, und die Spitze des Feder¬<lb/> halters wies auf die Stelle im 9. Kapitel: „Erlerne mit allem Fleiß deinen<lb/> Nächsten, und wo du Rath bedarfst, so such's bei weisen Leuten." Infolge<lb/> dieses Orakelspruchs suchte ich mit allem Fleiß weiter, fand in Herrn Sieg¬<lb/> bert Pniower's Schrift „Der Ott Fellow, ein Verwandter des Frei¬<lb/> maurers"*) einen Mann, der in Beziehung auf meinen Zweck entschieden<lb/> zu den weisen Leuten gehören mußte, da er seinem Opus das lobende Zeugniß<lb/> eines hochwürdigen Großmeisters Vordrucken zu dürfen die Ehre hatte, und<lb/> meine nun, nach Verdauung dieser Mittheilungen, meinen Nächsten, soweit er<lb/> auf den Namen Ott Fellow hört, hinreichend „erlernt" zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_681"> Näher bei Lichte betrachtet, war zwar Herr Pniower nicht so recht eigent¬<lb/> lich, was die profane Welt unter einem Weisen versteht. Er urtheilte bisweilen<lb/> mehr mit Eifer, als mit Verstand, er leistete Ungewöhnliches im Fache der<lb/> unhistorischen Behauptungen, er verquickte die Auszüge aus Gross' „Verbesser¬<lb/> tem Handbuch," aus denen die Essenz seines Werkchens in der Hauptsache<lb/> besteht, mit allerhand polemischen Excursen, die meist schwächlich, oft platt<lb/> waren. Er stand mit der Logik und Grammatik nicht auf dem freundschaft¬<lb/> lichen Fuße, auf dem ein Historiker des Ordens, der drei Welttheile umspannt,<lb/> mit diesen Damen doch am Ende stehen sollte, er war, um es kurz zu sagen,<lb/> im eminenten Sinne ein — Ott Fellow. Aber mit einiger Vorsicht war er<lb/> zu brauchen. Man macht's mit dieser Gattung weiser Leute wie die Schlange<lb/> mit dem aus Gold und andrer Zuthat zusammengeflossenen König im Goethe-<lb/> scher Märchen, gewinnt das Gold und läßt den übrigen Kram auf sich be¬<lb/> ruhen, unbekümmert darum, ob er dann zusammenfällt und einen unerfreu¬<lb/> lichen Anblick bietet.</p><lb/> <p xml:id="ID_682" next="#ID_683"> Die Ott Fellows des Deutschen Reichs übersetzen ihren Namen, wie .wir<lb/> sahen, mit „Sonderbare Brüder". Ich glaube, bei meinen „Närrischen<lb/> Kerlen" stehen bleiben zu dürfen, womit ich natürlich die harmlose Bedeutung<lb/> im Auge habe, welche diese Wortverbindung im deutschen Volksmunde hat,<lb/> wie Ott Fellows im englischen. Dieser wird sie kopfschüttelnd so getauft, die</p><lb/> <note xml:id="FID_23" place="foot"> Spandau. Verlag von Carl Jürgens, 1874.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0209]
ich gerade im Zuge, und so mußte ich möglichst viel von meinen wunderlichen
Freunden erfahren, selbst auf die jetzt freilich große Gefahr hin, nichts Ge¬
scheites an ihnen zu finden. Zudem verbot die Gewissenhaftigkeit ein vor¬
schnelles Urtheil über eine Gesellschaft von dem Selbstgefühl, wie es sich in
dem Aussatz über das Stiftungsfest des Ordens geäußert hatte, und, so zwi¬
schen Abneigung und Antrieb schwankend, steckte ich. wie ich das bei solchen
Gelegenheiten zu halten Pflege, meinen Federhalter aufs Gerathewohl in die
Bibel und beschloß, zu thun, was der Vers rathen würde, auf den die Spitze
wiese. Ich hatte das Buch Jesus Sirach getroffen, und die Spitze des Feder¬
halters wies auf die Stelle im 9. Kapitel: „Erlerne mit allem Fleiß deinen
Nächsten, und wo du Rath bedarfst, so such's bei weisen Leuten." Infolge
dieses Orakelspruchs suchte ich mit allem Fleiß weiter, fand in Herrn Sieg¬
bert Pniower's Schrift „Der Ott Fellow, ein Verwandter des Frei¬
maurers"*) einen Mann, der in Beziehung auf meinen Zweck entschieden
zu den weisen Leuten gehören mußte, da er seinem Opus das lobende Zeugniß
eines hochwürdigen Großmeisters Vordrucken zu dürfen die Ehre hatte, und
meine nun, nach Verdauung dieser Mittheilungen, meinen Nächsten, soweit er
auf den Namen Ott Fellow hört, hinreichend „erlernt" zu haben.
Näher bei Lichte betrachtet, war zwar Herr Pniower nicht so recht eigent¬
lich, was die profane Welt unter einem Weisen versteht. Er urtheilte bisweilen
mehr mit Eifer, als mit Verstand, er leistete Ungewöhnliches im Fache der
unhistorischen Behauptungen, er verquickte die Auszüge aus Gross' „Verbesser¬
tem Handbuch," aus denen die Essenz seines Werkchens in der Hauptsache
besteht, mit allerhand polemischen Excursen, die meist schwächlich, oft platt
waren. Er stand mit der Logik und Grammatik nicht auf dem freundschaft¬
lichen Fuße, auf dem ein Historiker des Ordens, der drei Welttheile umspannt,
mit diesen Damen doch am Ende stehen sollte, er war, um es kurz zu sagen,
im eminenten Sinne ein — Ott Fellow. Aber mit einiger Vorsicht war er
zu brauchen. Man macht's mit dieser Gattung weiser Leute wie die Schlange
mit dem aus Gold und andrer Zuthat zusammengeflossenen König im Goethe-
scher Märchen, gewinnt das Gold und läßt den übrigen Kram auf sich be¬
ruhen, unbekümmert darum, ob er dann zusammenfällt und einen unerfreu¬
lichen Anblick bietet.
Die Ott Fellows des Deutschen Reichs übersetzen ihren Namen, wie .wir
sahen, mit „Sonderbare Brüder". Ich glaube, bei meinen „Närrischen
Kerlen" stehen bleiben zu dürfen, womit ich natürlich die harmlose Bedeutung
im Auge habe, welche diese Wortverbindung im deutschen Volksmunde hat,
wie Ott Fellows im englischen. Dieser wird sie kopfschüttelnd so getauft, die
Spandau. Verlag von Carl Jürgens, 1874.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |