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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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barländer sind dann das Asyl der talentvollen Zeichner und Deutschland em¬
pfindet von Jahr zu Jahr um so drückender das Wachsen des Imports.
Ich höre nun den Einwand, daß wohl ein Schutz in solchen Fällen noth¬
wendig sei. wie aber soll man jedes Blümchen und jeden Schnörkel schützen
können, wenn diese als Muster bezeichnet werden? Hier liegt der Hase im
Pfeffer. Weil die Herren Juristen und selbst die Herren Fabrikanten sich zu
wenig darum bekümmert haben, was die Ornamente bedeuten und weil sie
nicht wissen, daß sie eine "Sprache der Kunst" sind, kknnen sie keinen Aus¬
weg finden und lassen lieber Alles beim Alten, als daß sie sich ein tvstimo-
nium pg-uxertatis in Kunstansichten geben. Wenn ich mit meinen Collegen
nun erkläre, daß eine Jury, welche die Stylepochen der Ornamentik selbstver¬
ständlich kennen muß, leicht entscheidet, in wiefern eine neue Composition Anspruch
auf Originalität hat und sogar bald das Plagiat vom Vorbild zu trennen
weiß; wenn ich ferner betone, daß die der alten Kunst angehörigen Formen
ein nicht zu schützendes Gemeingut sind, so ergiebt sich leicht, daß ein
Gesetz sicher das Richtige enthält, wenn es die streitigen Fälle an eine solche
Jury verweist. Will man denn ein Schriftwerk, das ein Plagiat ist, anders
als von literarisch gebildeten Männern beurtheilen lassen? Es ist der Kern¬
punkt des ganzen Gesetzes, daß eine Jury von "wahrhaft Sachverständigen"
zu berufen ist und dazu gehört also nicht nur die Kenntniß des commerzi-
ellen Theiles, sondern vor Allem des artistischen. Bei der modernen Thei¬
lung der Arbeit und der Capitalherrschaft giebt es Kunstindustrielle, die sehr
tüchtige Rechner sind, aber der Kunst persönlich ganz fern stehen. Diese
Männer können also nur über die Größe des Schadens urtheilen, während
für die Beurtheilung der Originalität und in wiefern die Copie durch Ver¬
wendung der Kunstformen der alten Zeit berechtigt ist, durchaus den Orna-
mentisten von Fach zu überlassen ist.

Wesentlich ist ferner, daß nicht wie bisher der Zeichner ganz zurücktritt,
wenn er sein Muster verkauft hat, sondern daß er als Autor zur Unter¬
stützung der Rechtsansprüche des Fabrikanten (also des Käufers seines Autor¬
rechtes) herangezogen wird. Ja es ist nothwendig, daß der Zeichner beim
Verkauf eines Musters ehrlich gesteht, ob er bei demselben ein altes Vorbild
benutzt habe (ob ganz oder theilweise), damit der Fabrikant nicht im guten
Glauben ein Original zu besitzen, einen Proceß gegen einen Concurrenten an¬
strengt, der dieselbe Quelle benutzte. -- Fabrikanten ersten Ranges, wie z. B.
Phil. Haas u. Söhne in Wien, Zimmermann in Hanau, C. Hochstätter u.
Söhne in Darmstadt :c. nennen bei Ausstellungen und auch beim Verkauf
die Erfinder, während unbedeutendere Fabrikanten sich theils den Nimbus
geben, als seien sie die Erfinder, oder theils fürchten, man schaue ihnen in
die Karten, wenn man ihre Mitarbeiter kenne. Der Zeichner ist also die


barländer sind dann das Asyl der talentvollen Zeichner und Deutschland em¬
pfindet von Jahr zu Jahr um so drückender das Wachsen des Imports.
Ich höre nun den Einwand, daß wohl ein Schutz in solchen Fällen noth¬
wendig sei. wie aber soll man jedes Blümchen und jeden Schnörkel schützen
können, wenn diese als Muster bezeichnet werden? Hier liegt der Hase im
Pfeffer. Weil die Herren Juristen und selbst die Herren Fabrikanten sich zu
wenig darum bekümmert haben, was die Ornamente bedeuten und weil sie
nicht wissen, daß sie eine „Sprache der Kunst" sind, kknnen sie keinen Aus¬
weg finden und lassen lieber Alles beim Alten, als daß sie sich ein tvstimo-
nium pg-uxertatis in Kunstansichten geben. Wenn ich mit meinen Collegen
nun erkläre, daß eine Jury, welche die Stylepochen der Ornamentik selbstver¬
ständlich kennen muß, leicht entscheidet, in wiefern eine neue Composition Anspruch
auf Originalität hat und sogar bald das Plagiat vom Vorbild zu trennen
weiß; wenn ich ferner betone, daß die der alten Kunst angehörigen Formen
ein nicht zu schützendes Gemeingut sind, so ergiebt sich leicht, daß ein
Gesetz sicher das Richtige enthält, wenn es die streitigen Fälle an eine solche
Jury verweist. Will man denn ein Schriftwerk, das ein Plagiat ist, anders
als von literarisch gebildeten Männern beurtheilen lassen? Es ist der Kern¬
punkt des ganzen Gesetzes, daß eine Jury von „wahrhaft Sachverständigen"
zu berufen ist und dazu gehört also nicht nur die Kenntniß des commerzi-
ellen Theiles, sondern vor Allem des artistischen. Bei der modernen Thei¬
lung der Arbeit und der Capitalherrschaft giebt es Kunstindustrielle, die sehr
tüchtige Rechner sind, aber der Kunst persönlich ganz fern stehen. Diese
Männer können also nur über die Größe des Schadens urtheilen, während
für die Beurtheilung der Originalität und in wiefern die Copie durch Ver¬
wendung der Kunstformen der alten Zeit berechtigt ist, durchaus den Orna-
mentisten von Fach zu überlassen ist.

Wesentlich ist ferner, daß nicht wie bisher der Zeichner ganz zurücktritt,
wenn er sein Muster verkauft hat, sondern daß er als Autor zur Unter¬
stützung der Rechtsansprüche des Fabrikanten (also des Käufers seines Autor¬
rechtes) herangezogen wird. Ja es ist nothwendig, daß der Zeichner beim
Verkauf eines Musters ehrlich gesteht, ob er bei demselben ein altes Vorbild
benutzt habe (ob ganz oder theilweise), damit der Fabrikant nicht im guten
Glauben ein Original zu besitzen, einen Proceß gegen einen Concurrenten an¬
strengt, der dieselbe Quelle benutzte. — Fabrikanten ersten Ranges, wie z. B.
Phil. Haas u. Söhne in Wien, Zimmermann in Hanau, C. Hochstätter u.
Söhne in Darmstadt :c. nennen bei Ausstellungen und auch beim Verkauf
die Erfinder, während unbedeutendere Fabrikanten sich theils den Nimbus
geben, als seien sie die Erfinder, oder theils fürchten, man schaue ihnen in
die Karten, wenn man ihre Mitarbeiter kenne. Der Zeichner ist also die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/194>, abgerufen am 06.02.2025.