Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.immerhin möglich, daß, wenn das Herrenhaus diese Einschränkung vornimmt, Wir würden auch diesen Ausgang nicht beklagen, weil wir in der einzu¬ Am 14. April trat das Herrenhaus in die erste Berathung des Entwurfs, immerhin möglich, daß, wenn das Herrenhaus diese Einschränkung vornimmt, Wir würden auch diesen Ausgang nicht beklagen, weil wir in der einzu¬ Am 14. April trat das Herrenhaus in die erste Berathung des Entwurfs, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0158" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133446"/> <p xml:id="ID_504" prev="#ID_503"> immerhin möglich, daß, wenn das Herrenhaus diese Einschränkung vornimmt,<lb/> das Gesetz vom Abgeordnetenhaus ganz zurückgewiesen wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_505"> Wir würden auch diesen Ausgang nicht beklagen, weil wir in der einzu¬<lb/> richtenden Communalverwaltung keinen Gewinn und keinen Fortschritt sehen.<lb/> Die wahre Reform scheint uns darin zu liegen, daß, nach Vermehrung der<lb/> Provinzen, Provinzialausschüsse mit Zuziehung ständiger, juristischer Mitglie¬<lb/> der zunächst in die Funktion der Berwaltungsgerichte treten. Diesen Ver¬<lb/> waltungsgerichten wird dann an der Hand der Praxis eine geeignete Theil¬<lb/> nahme, eine Mitentscheidung gewisser Verwaltungsangelegenheiten einzuräumen<lb/> sein. Die Verwaltung der gemeinsamen Institute aber würden wir am<lb/> liebsten in der Hand der königlichen Behörden lassen, unter geeigneter<lb/> Controle und Mitwirkung der Provinzialversammlungen. —</p><lb/> <p xml:id="ID_506" next="#ID_507"> Am 14. April trat das Herrenhaus in die erste Berathung des Entwurfs,<lb/> betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römischen<lb/> Bisthümer und Geistlichen, auch kurz das Sperrgesetz genannt. Die an sich<lb/> nicht bedeutende Verhandlung wird merkwürdig dadurch, daß der Fürst Bis-<lb/> marck zweimal das Wort ergriff. Wenn der Kanzler sonst immer das Recht<lb/> des Staats gegenüber den usurpatorischen Ansprüchen der römischen Hier¬<lb/> archie betont hat, so sprach er jetzt zum ersten Mal als Protestant, und<lb/> seine Worte erhielten dadurch, wie uns dünkt, eine außerordentliche Bedeutung.<lb/> Der Fürst sprach seine Genugthuung aus, daß ein conservatives Mitglied<lb/> des Herrenhauses sich vom evangelischen Standpunkt für die Regierungsvor¬<lb/> lage erklärte. Bis dahin hatte nämlich, wie man weiß, die Kreuzzeitungs<lb/> Partei, welche ja leider die conservativen Prinzipien des preußischen Staates<lb/> so lange ohne wirksamen Einspruch gefälscht hat, immer die Solidarität der<lb/> positiven Glaubensrichtungen, einerlei, ob katholisch oder protestantisch, be¬<lb/> hauptet. Ein ärgerer Widerspruch gegen den Geist der Reformation, auf<lb/> welchem der Protestantismus und der preußische Staat ruhen, ist nicht denk¬<lb/> bar. Aber mit dieser Solidarität tritt die Kreuzzeitungspartei immerfort der<lb/> jetzigen Kirchenpolitik der Regierung entgegen. Dagegen berief sich Fürst<lb/> Bismarck auf den Geist der Reformation, wie er sagte, auf das Evangelium,<lb/> und diese Berufung dünkt uns von historischer Bedeutung. Der Kanzler er¬<lb/> kennt und hält an der Zeit, es auszusprechen, daß er in dem heutigen Kampfe<lb/> nicht blos den Staat gegen die Hierarchie, sondern den Protestantismus gegen<lb/> den Katholicismus vertheidigt. In der That erhält der Kampf damit erst<lb/> seine wahre Bezeichnung. Den Staat gegen die Hierarchie haben seit den<lb/> mittelalterlichen Kaisern viele katholische Regierungen mit mehr oder minde¬<lb/> rem Erfolg vertheidigt. Warum ist der Kampf gegen den deutschen Staat<lb/> von Seiten Roms mit einer Heftigkeit unternommen worden, wie gegen keine<lb/> andere Regierung der neuern Zeit? warum versagt Rom dem deutschen Staat,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0158]
immerhin möglich, daß, wenn das Herrenhaus diese Einschränkung vornimmt,
das Gesetz vom Abgeordnetenhaus ganz zurückgewiesen wird.
Wir würden auch diesen Ausgang nicht beklagen, weil wir in der einzu¬
richtenden Communalverwaltung keinen Gewinn und keinen Fortschritt sehen.
Die wahre Reform scheint uns darin zu liegen, daß, nach Vermehrung der
Provinzen, Provinzialausschüsse mit Zuziehung ständiger, juristischer Mitglie¬
der zunächst in die Funktion der Berwaltungsgerichte treten. Diesen Ver¬
waltungsgerichten wird dann an der Hand der Praxis eine geeignete Theil¬
nahme, eine Mitentscheidung gewisser Verwaltungsangelegenheiten einzuräumen
sein. Die Verwaltung der gemeinsamen Institute aber würden wir am
liebsten in der Hand der königlichen Behörden lassen, unter geeigneter
Controle und Mitwirkung der Provinzialversammlungen. —
Am 14. April trat das Herrenhaus in die erste Berathung des Entwurfs,
betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römischen
Bisthümer und Geistlichen, auch kurz das Sperrgesetz genannt. Die an sich
nicht bedeutende Verhandlung wird merkwürdig dadurch, daß der Fürst Bis-
marck zweimal das Wort ergriff. Wenn der Kanzler sonst immer das Recht
des Staats gegenüber den usurpatorischen Ansprüchen der römischen Hier¬
archie betont hat, so sprach er jetzt zum ersten Mal als Protestant, und
seine Worte erhielten dadurch, wie uns dünkt, eine außerordentliche Bedeutung.
Der Fürst sprach seine Genugthuung aus, daß ein conservatives Mitglied
des Herrenhauses sich vom evangelischen Standpunkt für die Regierungsvor¬
lage erklärte. Bis dahin hatte nämlich, wie man weiß, die Kreuzzeitungs
Partei, welche ja leider die conservativen Prinzipien des preußischen Staates
so lange ohne wirksamen Einspruch gefälscht hat, immer die Solidarität der
positiven Glaubensrichtungen, einerlei, ob katholisch oder protestantisch, be¬
hauptet. Ein ärgerer Widerspruch gegen den Geist der Reformation, auf
welchem der Protestantismus und der preußische Staat ruhen, ist nicht denk¬
bar. Aber mit dieser Solidarität tritt die Kreuzzeitungspartei immerfort der
jetzigen Kirchenpolitik der Regierung entgegen. Dagegen berief sich Fürst
Bismarck auf den Geist der Reformation, wie er sagte, auf das Evangelium,
und diese Berufung dünkt uns von historischer Bedeutung. Der Kanzler er¬
kennt und hält an der Zeit, es auszusprechen, daß er in dem heutigen Kampfe
nicht blos den Staat gegen die Hierarchie, sondern den Protestantismus gegen
den Katholicismus vertheidigt. In der That erhält der Kampf damit erst
seine wahre Bezeichnung. Den Staat gegen die Hierarchie haben seit den
mittelalterlichen Kaisern viele katholische Regierungen mit mehr oder minde¬
rem Erfolg vertheidigt. Warum ist der Kampf gegen den deutschen Staat
von Seiten Roms mit einer Heftigkeit unternommen worden, wie gegen keine
andere Regierung der neuern Zeit? warum versagt Rom dem deutschen Staat,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |