Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.seine Leistungen, das die Vertreter seiner Wissenschaft überhaupt über dieselben Wir erwarten hier den Einwand, daß es der Willkür der Fakultäten Im Jahre 1838 machte die Affaire Beckhaus in Bonn viel von sich seine Leistungen, das die Vertreter seiner Wissenschaft überhaupt über dieselben Wir erwarten hier den Einwand, daß es der Willkür der Fakultäten Im Jahre 1838 machte die Affaire Beckhaus in Bonn viel von sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0128" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133416"/> <p xml:id="ID_418" prev="#ID_417"> seine Leistungen, das die Vertreter seiner Wissenschaft überhaupt über dieselben<lb/> gewinnen. Zuletzt ruht die eigentliche Entscheidung über Anstellung<lb/> und Beförderung bei den deutschen Staatsregierungen, in deren Ländern sich<lb/> Universitäten befinden. Immer wird das Urtheil einer einzelnen Fakultät<lb/> über einen Dozenten compensirt oder controlirt durch die Erklärungen<lb/> anderer Universitäten. In der Mehrzahl der Fälle erfolgt ja auch die<lb/> Anstellung eines Dozenten als Professor an einer andern Hochschule als an der,<lb/> bei der er habilttirt war; und jedenfalls wünscht sich Jeder diese Berufung<lb/> nach auswärts. Je lebendiger in unserer Zeit der Verkehr und der Austausch¬<lb/> unter Gelehrten, desto geringer ist die Besorgniß geworden, daß aus un¬<lb/> gerechter Malice einer localen Professorengröße ein fähiger Dozent bei der Be¬<lb/> förderung übersehen werden könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_419"> Wir erwarten hier den Einwand, daß es der Willkür der Fakultäten<lb/> überlassen, einen Dozenten wieder zu entfernen, der sich, obwohl von ihr zu¬<lb/> gelassen, bei ihr mißliebig gemacht, — ohne Weiteres fügt man, wie selbstver¬<lb/> ständlich, den freundlichen Zusatz hinzu, daß ein Dozent sich natürlich nur<lb/> mißliebig gemacht haben könne durch eine, einem Professor zugefügte, erdrü¬<lb/> ckende Concurrenz. Entspräche diese Vorstellung der Wirklichkeit der Dinge,<lb/> dann wäre allerdings der Dozent ein rechtloses Individuum. Aber auch hier<lb/> wird ein so allgemeines Urtheil, das nach einer bestimmten Voraussetzung<lb/> über alle Fälle in Bausch und Bogen aburtheilt, von vornherein abgelehnt<lb/> werden dürfen. Was die Disciplinargewalt der Fakultäten über ihre Do¬<lb/> zenten, was insbesondere die Befugniß angeht, einem Habilitirten die soge¬<lb/> nannte venia legemii wieder zu entziehen, so sind an den verschiedenen Uni¬<lb/> versitäten die Bestimmungen darüber ganz verschiedene, — überall aber giebt<lb/> es feste, rechtliche Bestimmungen auch hierüber, und die Aufsicht der Regie¬<lb/> rung läßt keine Eigenmächtigkeit einer Fakultät zu. Und wer in solchen<lb/> Fragen unbefangen urtheilen will, muß objektiv die einzelnen Fälle prüfen.<lb/> Es ist nicht zu übersehen, daß der Dozent noch nicht Staatsbeamter ist; wir<lb/> erinnern daran, auch der Referendar kann ohne Weiteres, wenn er sich nicht<lb/> bewährt oder Anstoß gegeben, aus seinem Berufe entfernt werden. Sind fer¬<lb/> nerhin die Fälle ganz unerhört, daß ein Offizier oder Richter oder Beamten<lb/> quittiren muß? AHes derartige aber, wenn es einmal vorkommt, geht so still<lb/> als möglich vorüber, — nur wenn es sich um einen Privatdozenten handelt,<lb/> dann schlägt durch das ganze Reich, so weit die deutsche Zunge klingt, die<lb/> gesammte Presse einen furchtbaren Lärmen, bei dem ohne Weiteres dem Do¬<lb/> zenten die Rolle des unschuldig gekränkten Märtyrers und der Fakultät die<lb/> Stellung des ungerechten Verfolgers angewiesen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_420" next="#ID_421"> Im Jahre 1838 machte die Affaire Beckhaus in Bonn viel von sich<lb/> reden. In unverhülltester Weise rief man sich damals zu, der „Brodneid"</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0128]
seine Leistungen, das die Vertreter seiner Wissenschaft überhaupt über dieselben
gewinnen. Zuletzt ruht die eigentliche Entscheidung über Anstellung
und Beförderung bei den deutschen Staatsregierungen, in deren Ländern sich
Universitäten befinden. Immer wird das Urtheil einer einzelnen Fakultät
über einen Dozenten compensirt oder controlirt durch die Erklärungen
anderer Universitäten. In der Mehrzahl der Fälle erfolgt ja auch die
Anstellung eines Dozenten als Professor an einer andern Hochschule als an der,
bei der er habilttirt war; und jedenfalls wünscht sich Jeder diese Berufung
nach auswärts. Je lebendiger in unserer Zeit der Verkehr und der Austausch¬
unter Gelehrten, desto geringer ist die Besorgniß geworden, daß aus un¬
gerechter Malice einer localen Professorengröße ein fähiger Dozent bei der Be¬
förderung übersehen werden könnte.
Wir erwarten hier den Einwand, daß es der Willkür der Fakultäten
überlassen, einen Dozenten wieder zu entfernen, der sich, obwohl von ihr zu¬
gelassen, bei ihr mißliebig gemacht, — ohne Weiteres fügt man, wie selbstver¬
ständlich, den freundlichen Zusatz hinzu, daß ein Dozent sich natürlich nur
mißliebig gemacht haben könne durch eine, einem Professor zugefügte, erdrü¬
ckende Concurrenz. Entspräche diese Vorstellung der Wirklichkeit der Dinge,
dann wäre allerdings der Dozent ein rechtloses Individuum. Aber auch hier
wird ein so allgemeines Urtheil, das nach einer bestimmten Voraussetzung
über alle Fälle in Bausch und Bogen aburtheilt, von vornherein abgelehnt
werden dürfen. Was die Disciplinargewalt der Fakultäten über ihre Do¬
zenten, was insbesondere die Befugniß angeht, einem Habilitirten die soge¬
nannte venia legemii wieder zu entziehen, so sind an den verschiedenen Uni¬
versitäten die Bestimmungen darüber ganz verschiedene, — überall aber giebt
es feste, rechtliche Bestimmungen auch hierüber, und die Aufsicht der Regie¬
rung läßt keine Eigenmächtigkeit einer Fakultät zu. Und wer in solchen
Fragen unbefangen urtheilen will, muß objektiv die einzelnen Fälle prüfen.
Es ist nicht zu übersehen, daß der Dozent noch nicht Staatsbeamter ist; wir
erinnern daran, auch der Referendar kann ohne Weiteres, wenn er sich nicht
bewährt oder Anstoß gegeben, aus seinem Berufe entfernt werden. Sind fer¬
nerhin die Fälle ganz unerhört, daß ein Offizier oder Richter oder Beamten
quittiren muß? AHes derartige aber, wenn es einmal vorkommt, geht so still
als möglich vorüber, — nur wenn es sich um einen Privatdozenten handelt,
dann schlägt durch das ganze Reich, so weit die deutsche Zunge klingt, die
gesammte Presse einen furchtbaren Lärmen, bei dem ohne Weiteres dem Do¬
zenten die Rolle des unschuldig gekränkten Märtyrers und der Fakultät die
Stellung des ungerechten Verfolgers angewiesen ist.
Im Jahre 1838 machte die Affaire Beckhaus in Bonn viel von sich
reden. In unverhülltester Weise rief man sich damals zu, der „Brodneid"
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |