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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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verhängt worden war, weil sie sich zu stark in Speculationsgeschcifte einge¬
lassen hatten. Im Canton Bern hatte das Bankgeschäft von Marcuard Co.
einige Zeit sogar auf eigene Faust Noten ausgegeben, aber nach kurzer Zeit
wieder darauf verzichtet, weil das Unternehmen sich als unrentabel erwies.
Es war zu schwer gewesen, die Noten an den Mann zu bringen und wenn
untergebracht, kehrten sie so rasch wieder an die Kasse zurück, daß das Erträg-
niß an ersparten Zinsen nicht einmal die Anfertigungskosten der Noten auf¬
wog. Eine ähnliche Erfahrung wurde obwohl in geringerem Maße auch von
den verschiedenen Actienbanken gemacht. Mehr als ein schweizerischer Bank-
director hat mir im Vertrauen gestanden, daß ihre Anstalt gerne für den
Ersatz der Druckkosten der Noten auf die Emission verzichten würde. In
keinem Lande Europa's sah man bis vor 2 Jahren so wenig Banknoten im
Umlauf als in der Schweiz, denn das Publikum des einen Cantons nahm
die des anderen in der Regel nicht in Zahlungsstatt an; letztere mußten viel¬
mehr fast immer beim Banquier gegen Disagio verkauft werden, gerade als
wenn es Noten eines nicht schweizerischen Staates gewesen wären. Um diesen
mißlichen Zustand der Credit-Umlaufsmittel einigermaßen zu bessern, bildeten
sich 2 Cartell-Vereine von Zettelbanken, welche sich zu gegenseitiger Annahme
ihrer Noten zum nommat-Betrage verpflichteten. Zu dem einen dieser Cartell-
Vereine gehörten die consolidirten Zettelbanken der größeren Handelsplätze,
an der Spitze des anderen, von diesen ausgeschlossen, stand die eidgenössische
Bank in Bern. Da aber die beiden Cartell-Vereine in keiner Beziehung zu
einander standen und überdieß nicht alle Banken dem einen oder andern an¬
gehörten, so war doch nicht viel gewonnen und es konnten trotzdem noch in
vielen Fällen Noten schweizerischer Banken nur gegen Verlust angebracht
werden. Die Notencirculation stieg daher nie über 7 bis 8 Franken per
Kopf der Bevölkerung, und der Gesammtnotenumlauf der schweizerischen
Zettelbanken erhob sich am Ende des Jahres 1868 auf nicht höher als 20^
Millionen Franken.

Seit zwei Jahren hat sich diese Circulation allerdings mehr als verdop¬
pelt; allein dieser plötzliche bis dahin nie erhörte Sprung entstammte einer
Ursache, welche mit der Organisation des Zettelbankwesens in gar keiner Be¬
ziehung steht -- dem Verschwinden des Goldes aus dem schweizerischen Ver¬
kehr. Wir haben den Grund dieser Erscheinung schon an anderer Stelle*)
nachgewiesen und beschränken uns hier nur auf eine kurze Andeutung. In
Folge der Vorbereitungen zur deutschen Münzreform begann der Preis des



") Man vergleiche: Die Münzkrisis und die Notenbank-Reform im Deutschen Reiche-
von Max Wirth. Köln 1874. Verlag der M> Du Mont-Schauberg'sehen Buchhandlung und
insbesondere "Die Reform der Umlaufsmittel im Deutschen Reiche. Ein Nachtrag zur "Ge¬
schichte der Handelskrisen". (Frankfurt a. M. I. D. SaucMnder's Verlag.) Seite 7 bis 14.

verhängt worden war, weil sie sich zu stark in Speculationsgeschcifte einge¬
lassen hatten. Im Canton Bern hatte das Bankgeschäft von Marcuard Co.
einige Zeit sogar auf eigene Faust Noten ausgegeben, aber nach kurzer Zeit
wieder darauf verzichtet, weil das Unternehmen sich als unrentabel erwies.
Es war zu schwer gewesen, die Noten an den Mann zu bringen und wenn
untergebracht, kehrten sie so rasch wieder an die Kasse zurück, daß das Erträg-
niß an ersparten Zinsen nicht einmal die Anfertigungskosten der Noten auf¬
wog. Eine ähnliche Erfahrung wurde obwohl in geringerem Maße auch von
den verschiedenen Actienbanken gemacht. Mehr als ein schweizerischer Bank-
director hat mir im Vertrauen gestanden, daß ihre Anstalt gerne für den
Ersatz der Druckkosten der Noten auf die Emission verzichten würde. In
keinem Lande Europa's sah man bis vor 2 Jahren so wenig Banknoten im
Umlauf als in der Schweiz, denn das Publikum des einen Cantons nahm
die des anderen in der Regel nicht in Zahlungsstatt an; letztere mußten viel¬
mehr fast immer beim Banquier gegen Disagio verkauft werden, gerade als
wenn es Noten eines nicht schweizerischen Staates gewesen wären. Um diesen
mißlichen Zustand der Credit-Umlaufsmittel einigermaßen zu bessern, bildeten
sich 2 Cartell-Vereine von Zettelbanken, welche sich zu gegenseitiger Annahme
ihrer Noten zum nommat-Betrage verpflichteten. Zu dem einen dieser Cartell-
Vereine gehörten die consolidirten Zettelbanken der größeren Handelsplätze,
an der Spitze des anderen, von diesen ausgeschlossen, stand die eidgenössische
Bank in Bern. Da aber die beiden Cartell-Vereine in keiner Beziehung zu
einander standen und überdieß nicht alle Banken dem einen oder andern an¬
gehörten, so war doch nicht viel gewonnen und es konnten trotzdem noch in
vielen Fällen Noten schweizerischer Banken nur gegen Verlust angebracht
werden. Die Notencirculation stieg daher nie über 7 bis 8 Franken per
Kopf der Bevölkerung, und der Gesammtnotenumlauf der schweizerischen
Zettelbanken erhob sich am Ende des Jahres 1868 auf nicht höher als 20^
Millionen Franken.

Seit zwei Jahren hat sich diese Circulation allerdings mehr als verdop¬
pelt; allein dieser plötzliche bis dahin nie erhörte Sprung entstammte einer
Ursache, welche mit der Organisation des Zettelbankwesens in gar keiner Be¬
ziehung steht — dem Verschwinden des Goldes aus dem schweizerischen Ver¬
kehr. Wir haben den Grund dieser Erscheinung schon an anderer Stelle*)
nachgewiesen und beschränken uns hier nur auf eine kurze Andeutung. In
Folge der Vorbereitungen zur deutschen Münzreform begann der Preis des



") Man vergleiche: Die Münzkrisis und die Notenbank-Reform im Deutschen Reiche-
von Max Wirth. Köln 1874. Verlag der M> Du Mont-Schauberg'sehen Buchhandlung und
insbesondere „Die Reform der Umlaufsmittel im Deutschen Reiche. Ein Nachtrag zur „Ge¬
schichte der Handelskrisen". (Frankfurt a. M. I. D. SaucMnder's Verlag.) Seite 7 bis 14.
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[0114] verhängt worden war, weil sie sich zu stark in Speculationsgeschcifte einge¬ lassen hatten. Im Canton Bern hatte das Bankgeschäft von Marcuard Co. einige Zeit sogar auf eigene Faust Noten ausgegeben, aber nach kurzer Zeit wieder darauf verzichtet, weil das Unternehmen sich als unrentabel erwies. Es war zu schwer gewesen, die Noten an den Mann zu bringen und wenn untergebracht, kehrten sie so rasch wieder an die Kasse zurück, daß das Erträg- niß an ersparten Zinsen nicht einmal die Anfertigungskosten der Noten auf¬ wog. Eine ähnliche Erfahrung wurde obwohl in geringerem Maße auch von den verschiedenen Actienbanken gemacht. Mehr als ein schweizerischer Bank- director hat mir im Vertrauen gestanden, daß ihre Anstalt gerne für den Ersatz der Druckkosten der Noten auf die Emission verzichten würde. In keinem Lande Europa's sah man bis vor 2 Jahren so wenig Banknoten im Umlauf als in der Schweiz, denn das Publikum des einen Cantons nahm die des anderen in der Regel nicht in Zahlungsstatt an; letztere mußten viel¬ mehr fast immer beim Banquier gegen Disagio verkauft werden, gerade als wenn es Noten eines nicht schweizerischen Staates gewesen wären. Um diesen mißlichen Zustand der Credit-Umlaufsmittel einigermaßen zu bessern, bildeten sich 2 Cartell-Vereine von Zettelbanken, welche sich zu gegenseitiger Annahme ihrer Noten zum nommat-Betrage verpflichteten. Zu dem einen dieser Cartell- Vereine gehörten die consolidirten Zettelbanken der größeren Handelsplätze, an der Spitze des anderen, von diesen ausgeschlossen, stand die eidgenössische Bank in Bern. Da aber die beiden Cartell-Vereine in keiner Beziehung zu einander standen und überdieß nicht alle Banken dem einen oder andern an¬ gehörten, so war doch nicht viel gewonnen und es konnten trotzdem noch in vielen Fällen Noten schweizerischer Banken nur gegen Verlust angebracht werden. Die Notencirculation stieg daher nie über 7 bis 8 Franken per Kopf der Bevölkerung, und der Gesammtnotenumlauf der schweizerischen Zettelbanken erhob sich am Ende des Jahres 1868 auf nicht höher als 20^ Millionen Franken. Seit zwei Jahren hat sich diese Circulation allerdings mehr als verdop¬ pelt; allein dieser plötzliche bis dahin nie erhörte Sprung entstammte einer Ursache, welche mit der Organisation des Zettelbankwesens in gar keiner Be¬ ziehung steht — dem Verschwinden des Goldes aus dem schweizerischen Ver¬ kehr. Wir haben den Grund dieser Erscheinung schon an anderer Stelle*) nachgewiesen und beschränken uns hier nur auf eine kurze Andeutung. In Folge der Vorbereitungen zur deutschen Münzreform begann der Preis des ") Man vergleiche: Die Münzkrisis und die Notenbank-Reform im Deutschen Reiche- von Max Wirth. Köln 1874. Verlag der M> Du Mont-Schauberg'sehen Buchhandlung und insbesondere „Die Reform der Umlaufsmittel im Deutschen Reiche. Ein Nachtrag zur „Ge¬ schichte der Handelskrisen". (Frankfurt a. M. I. D. SaucMnder's Verlag.) Seite 7 bis 14.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/114>, abgerufen am 06.02.2025.