Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.entgegen zu werfen -- schon wegen ihrer abweichenden Mundart jeder Erfolg Neuerdings ermannte sich nun mehr und mehr das bessere ganz intelli¬ Doch kehren wir zu Herrn von Sick zurück! Sein Wiedereintritt in die Natürlich wird für die andern Minister diese Stellung von Tag entgegen zu werfen — schon wegen ihrer abweichenden Mundart jeder Erfolg Neuerdings ermannte sich nun mehr und mehr das bessere ganz intelli¬ Doch kehren wir zu Herrn von Sick zurück! Sein Wiedereintritt in die Natürlich wird für die andern Minister diese Stellung von Tag <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0509" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133269"/> <p xml:id="ID_1735" prev="#ID_1734"> entgegen zu werfen — schon wegen ihrer abweichenden Mundart jeder Erfolg<lb/> unmöglich war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1736"> Neuerdings ermannte sich nun mehr und mehr das bessere ganz intelli¬<lb/> gente, aber bisher durch die Massen terrorisirte Bürgerthum der Stadt zu<lb/> selbständiger politischer Thätigkeit, während andererseits der Schäffle'sche Nach¬<lb/> wuchs sich mehr und mehr verliert und durch den jetzigen Cultusminister nich t<lb/> mehr ersetzt wird; wie man denn auch den Abgang des Professors Fricker,<lb/> der seine Berufung nach Leipzig weniger seinen literarischen Erfolgen, als<lb/> wie wir hören einer Empfehlung Schäffle's an Röscher verdankte — von hier<lb/> aus sehr gerne wahrnahm. Bei der letzten Wahl ist nun zwar die nationale<lb/> Partei, welche diesmal in der Person eines Kreis-Gerichts-Raths Geß einen<lb/> ebenso talentvollen als energischen und redegewandten Candidaten aufgestellt<lb/> hatte, dem Gegner aus der vereinigten ultramontanen und demokratischen<lb/> Professorenpartei, der die Masse der „Weingärtner" auf seiner Seite hatte,<lb/> nach einem äußerst heftigen Wahlkampf wieder unterlegen, sie brachte es aber<lb/> diesmal zu einer so hohen Stimmenzahl, daß wir nicht zweifeln, es werde bei<lb/> nächster Gelegenheit gelingen, diese letzte Burg der Gegner im protestantischen<lb/> Theil des Landes zu überwinden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1737"> Doch kehren wir zu Herrn von Sick zurück! Sein Wiedereintritt in die<lb/> Ständekammer — er vertrat früher bis zu seiner Berufung in das Ministe¬<lb/> rium die Stadt Stuttgart — hat gegenwärtig eine ganz besondere Bedeu¬<lb/> tung. Besteht auch äußerlich kein gespanntes Verhältniß zwischen ihm und<lb/> von Mittnacht, so liegt doch eine tiefe Kluft zwischen beiden. Es ist bekannt,<lb/> daß Herr v. Mittnacht bisher keinem seiner Collegen das Heiligthum des<lb/> Bundesraths in Berlin zu betreten gestattete, offenbar um die Vermittlung<lb/> zwischen dem Reich und Württemberg allein oder doch in ausschließlicher<lb/> Verbindung mit dem württembergischen Gesandten zu Berlin in Händen zu<lb/> behalten: man erzählt sich, daß Herr v. Sick zu der Berathung des Bankge¬<lb/> setzes neulich sich in Berlin einfinden wollte, daß aber Herr v. Mittnacht<lb/> mit Erfolg die Ausführung dieses Entschlusses zu hintertreiben wußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1738" next="#ID_1739"> Natürlich wird für die andern Minister diese Stellung von Tag<lb/> zu Tag drückender und verletzender! Dazu kommt nun aber ein anderer Um¬<lb/> stand: die kirchliche Frage spitzt sich auch in Württemberg immer mehr zu<lb/> einer Krisis zu. Wir haben früher geschildert, wie man bisher um des lei¬<lb/> digen Friedens willen Schritt um Schritt vor den kirchlichen Anforderungen<lb/> zurückgewichen war: aber man ist jetzt bei einem Wendepunkt angelangt: denn<lb/> unsere protestantische Bevölkerung wird immer mehr mißtrauisch und richtet<lb/> sammt der Geistlichkeit ihre Blicke mehr nach Preußen als man in Stuttgart<lb/> gerne sieht, und mit dieser zunehmenden Aufregung läßt sich nicht spaßen.<lb/> Man hatte sich bisher in hohen Kreisen der eigenthümlichen Meinung hinge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0509]
entgegen zu werfen — schon wegen ihrer abweichenden Mundart jeder Erfolg
unmöglich war.
Neuerdings ermannte sich nun mehr und mehr das bessere ganz intelli¬
gente, aber bisher durch die Massen terrorisirte Bürgerthum der Stadt zu
selbständiger politischer Thätigkeit, während andererseits der Schäffle'sche Nach¬
wuchs sich mehr und mehr verliert und durch den jetzigen Cultusminister nich t
mehr ersetzt wird; wie man denn auch den Abgang des Professors Fricker,
der seine Berufung nach Leipzig weniger seinen literarischen Erfolgen, als
wie wir hören einer Empfehlung Schäffle's an Röscher verdankte — von hier
aus sehr gerne wahrnahm. Bei der letzten Wahl ist nun zwar die nationale
Partei, welche diesmal in der Person eines Kreis-Gerichts-Raths Geß einen
ebenso talentvollen als energischen und redegewandten Candidaten aufgestellt
hatte, dem Gegner aus der vereinigten ultramontanen und demokratischen
Professorenpartei, der die Masse der „Weingärtner" auf seiner Seite hatte,
nach einem äußerst heftigen Wahlkampf wieder unterlegen, sie brachte es aber
diesmal zu einer so hohen Stimmenzahl, daß wir nicht zweifeln, es werde bei
nächster Gelegenheit gelingen, diese letzte Burg der Gegner im protestantischen
Theil des Landes zu überwinden.
Doch kehren wir zu Herrn von Sick zurück! Sein Wiedereintritt in die
Ständekammer — er vertrat früher bis zu seiner Berufung in das Ministe¬
rium die Stadt Stuttgart — hat gegenwärtig eine ganz besondere Bedeu¬
tung. Besteht auch äußerlich kein gespanntes Verhältniß zwischen ihm und
von Mittnacht, so liegt doch eine tiefe Kluft zwischen beiden. Es ist bekannt,
daß Herr v. Mittnacht bisher keinem seiner Collegen das Heiligthum des
Bundesraths in Berlin zu betreten gestattete, offenbar um die Vermittlung
zwischen dem Reich und Württemberg allein oder doch in ausschließlicher
Verbindung mit dem württembergischen Gesandten zu Berlin in Händen zu
behalten: man erzählt sich, daß Herr v. Sick zu der Berathung des Bankge¬
setzes neulich sich in Berlin einfinden wollte, daß aber Herr v. Mittnacht
mit Erfolg die Ausführung dieses Entschlusses zu hintertreiben wußte.
Natürlich wird für die andern Minister diese Stellung von Tag
zu Tag drückender und verletzender! Dazu kommt nun aber ein anderer Um¬
stand: die kirchliche Frage spitzt sich auch in Württemberg immer mehr zu
einer Krisis zu. Wir haben früher geschildert, wie man bisher um des lei¬
digen Friedens willen Schritt um Schritt vor den kirchlichen Anforderungen
zurückgewichen war: aber man ist jetzt bei einem Wendepunkt angelangt: denn
unsere protestantische Bevölkerung wird immer mehr mißtrauisch und richtet
sammt der Geistlichkeit ihre Blicke mehr nach Preußen als man in Stuttgart
gerne sieht, und mit dieser zunehmenden Aufregung läßt sich nicht spaßen.
Man hatte sich bisher in hohen Kreisen der eigenthümlichen Meinung hinge-
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