Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.bringen. Im Gegentheil man creirt neue Stellen und bestimmt dabei regel¬ Wir sprechen soeben von den Wahlen; und damit kommen wir auf die bringen. Im Gegentheil man creirt neue Stellen und bestimmt dabei regel¬ Wir sprechen soeben von den Wahlen; und damit kommen wir auf die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0507" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133267"/> <p xml:id="ID_1730" prev="#ID_1729"> bringen. Im Gegentheil man creirt neue Stellen und bestimmt dabei regel¬<lb/> mäßig schon in Gedanken (es besteht in dieser Beziehung ein wahrhaft magne¬<lb/> tischer Rapport zwischen Ministern und Abgeordneten!) die Beamtenabgeord¬<lb/> neten, welche das neue Aemtchen erhalten sollen, wobei natürlich der Referent<lb/> nie leer ausgehen darf. So wurden hinter einander zuerst aus Anlaß der<lb/> Einführung des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz ein Landesamt für<lb/> das Heimathwesen, dann aus Anlaß des neuen Berggesetzes ein Oberbergamt,<lb/> endlich neuestens eine Lehranstalt für Notariatscandidaten geschaffen, theilweise<lb/> auf specielle Wünsche und Anträge der Ständekammer, welche sich schließlich<lb/> sämmtlich zu Nebenämtern der Antragsteller resp. Referenten cristallisirten,<lb/> ohne daß es einem der Betheiligten in den Sinn kam, nach dem neuen Ver¬<lb/> fassungsparagraphen sich der nicht immer ganz sichern Wiederwahl zu unter¬<lb/> werfen ; die neu eingebrachte Vorlage über die Errichtung eines Verwaltungs¬<lb/> gerichtshofs eröffnet einen neuen schon auf dem letzten Landtag ganz offen<lb/> erörterten Wettlauf für Referenten und andere um das Gesetz sich bemühende<lb/> Abgeordnete des Beamtenstandes. — Man muß diese Zustände, für welche<lb/> sich allerdings in den beiden Nachbarstaaten Bayern und Baden kein Analogon<lb/> findet, vor Augen haben, und man wird gewiß die Diätenlofigkeit der Reichs¬<lb/> tagsabgeordneten in einem weniger ungünstigen Lichte betrachten, als es<lb/> regelmäßig geschieht. In der That, es giebt in dieser Richtung keinen grelleren<lb/> Gegensatz als denjenigen zwischen einem württembergischen Abgeordneten aus<lb/> dem Beamtenstand und einem Mitglied des Reichstags. Darf man sich unter<lb/> solchen Umständen wundern, wenn man mitunter von Seiten der Negierung<lb/> dem Landtag mit einer gewissen Herablassung, um nicht mehr zu sagen, be¬<lb/> gegnet? Bezeichnend ist deßhalb auch eine neuliche Aeußerung des Ministers<lb/> des Innern gelegentlich der letzten Wahlen: „es seien nachgerade zu viele<lb/> Beamte in der Ständekammer"; mit andern Worten: der ganze Apparat<lb/> droht für das Ministerium denjenigen Werth zu verlieren, um dessen Willen<lb/> man ihn überhaupt noch braucht. Gilt es nämlich einmal, ich will sagen<lb/> dem Reich gegenüber, sich auf die Stimmung im „württembergischen Volk" zu<lb/> berufen, so würde, selbst wenn die Ständekammer im Sinn des Particularis-<lb/> mus sich äußern sollte, kaum irgend jemand außerhalb Württembergs auf eine<lb/> solche Meinungsäußerung einer Beamtenmehrheit irgend ein Gewicht legen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1731" next="#ID_1732"> Wir sprechen soeben von den Wahlen; und damit kommen wir auf die<lb/> in den letzten Tagen theilweise unter großer politischer Aufregung zu Stande<lb/> gebrachten drei Nachwahlen zu sprechen. Zu Blaubeuren wurde Minister von<lb/> Sick ohne jede Gegencandidatur gewählt: der Bezirk wünschte eine Fortsetzung<lb/> seiner Eisenbahn über die schwäbische Alp: d. h. die Herstellung einer Linie<lb/> Ulm-Straßburg, eine für den Herrn Minister allerdings etwas schwierige<lb/> Aufgabe, denn bisher standen hauptsächlich die localen Interessen Stuttgarts,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0507]
bringen. Im Gegentheil man creirt neue Stellen und bestimmt dabei regel¬
mäßig schon in Gedanken (es besteht in dieser Beziehung ein wahrhaft magne¬
tischer Rapport zwischen Ministern und Abgeordneten!) die Beamtenabgeord¬
neten, welche das neue Aemtchen erhalten sollen, wobei natürlich der Referent
nie leer ausgehen darf. So wurden hinter einander zuerst aus Anlaß der
Einführung des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz ein Landesamt für
das Heimathwesen, dann aus Anlaß des neuen Berggesetzes ein Oberbergamt,
endlich neuestens eine Lehranstalt für Notariatscandidaten geschaffen, theilweise
auf specielle Wünsche und Anträge der Ständekammer, welche sich schließlich
sämmtlich zu Nebenämtern der Antragsteller resp. Referenten cristallisirten,
ohne daß es einem der Betheiligten in den Sinn kam, nach dem neuen Ver¬
fassungsparagraphen sich der nicht immer ganz sichern Wiederwahl zu unter¬
werfen ; die neu eingebrachte Vorlage über die Errichtung eines Verwaltungs¬
gerichtshofs eröffnet einen neuen schon auf dem letzten Landtag ganz offen
erörterten Wettlauf für Referenten und andere um das Gesetz sich bemühende
Abgeordnete des Beamtenstandes. — Man muß diese Zustände, für welche
sich allerdings in den beiden Nachbarstaaten Bayern und Baden kein Analogon
findet, vor Augen haben, und man wird gewiß die Diätenlofigkeit der Reichs¬
tagsabgeordneten in einem weniger ungünstigen Lichte betrachten, als es
regelmäßig geschieht. In der That, es giebt in dieser Richtung keinen grelleren
Gegensatz als denjenigen zwischen einem württembergischen Abgeordneten aus
dem Beamtenstand und einem Mitglied des Reichstags. Darf man sich unter
solchen Umständen wundern, wenn man mitunter von Seiten der Negierung
dem Landtag mit einer gewissen Herablassung, um nicht mehr zu sagen, be¬
gegnet? Bezeichnend ist deßhalb auch eine neuliche Aeußerung des Ministers
des Innern gelegentlich der letzten Wahlen: „es seien nachgerade zu viele
Beamte in der Ständekammer"; mit andern Worten: der ganze Apparat
droht für das Ministerium denjenigen Werth zu verlieren, um dessen Willen
man ihn überhaupt noch braucht. Gilt es nämlich einmal, ich will sagen
dem Reich gegenüber, sich auf die Stimmung im „württembergischen Volk" zu
berufen, so würde, selbst wenn die Ständekammer im Sinn des Particularis-
mus sich äußern sollte, kaum irgend jemand außerhalb Württembergs auf eine
solche Meinungsäußerung einer Beamtenmehrheit irgend ein Gewicht legen.
Wir sprechen soeben von den Wahlen; und damit kommen wir auf die
in den letzten Tagen theilweise unter großer politischer Aufregung zu Stande
gebrachten drei Nachwahlen zu sprechen. Zu Blaubeuren wurde Minister von
Sick ohne jede Gegencandidatur gewählt: der Bezirk wünschte eine Fortsetzung
seiner Eisenbahn über die schwäbische Alp: d. h. die Herstellung einer Linie
Ulm-Straßburg, eine für den Herrn Minister allerdings etwas schwierige
Aufgabe, denn bisher standen hauptsächlich die localen Interessen Stuttgarts,
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