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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Mediciner und der Theologe ist an einer wissenschaftlich geordneten Bibliothek
so gut am Platze und nicht weniger unentbehrlich, wie der Historiker oder
Philologe.

Wir halten ferner den bibliothekwissenschaftlichen Universitätsunterricht
mit dem sich daran anschließenden Examen allein nicht für ausreichend, weil
dadurch im günstigsten Falle eine blos theoretische Vorbildung gewährleistet
werden würde. Die Frage der praktischen Durchbildung, welche für den
Bibliothekdienst die Hauptsache bleibt, ist damit noch nicht gelöst. Es ist
sehr wohl denkbar, daß man bei aller theoretischen Vorbildung doch nicht die
besonderen Eigenschaften und Fähigkeiten besitzt, welche gerade der Bibliothek¬
dienst fordert, und welche erst bei praktischer Thätigkeit sich bewähren können.
Ist aber einmal mit dem wohlbestandenen Examen der Anspruch auf An¬
stellung verbunden, so giebt es kein Mittel, die ungeeigneten Elemente, welche
sich in der Praxis nicht bewähren, abzustoßen.

Aus diesen Gründen empfiehlt es sich, an ein bereits bestehendes Institut
anzuknüpfen und dasselbe weiter aufzubauen. Wir meinen das Institut der
"Hilfsarbeiter", nicht der gelehrten, von denen oben die Rede gewesen
ist, sondern der technischen Hilfsarbeiter, wie sie an einzelnen Bibliotheken
neben den cratsmäßigen Beamten eingeführt sind. Das Institut der Hilfs¬
arbeiter, welche, auf Kündigung angestellt, sich im praktischen Bibliothekdienst
auszubilden haben, gewährt die Möglichkeit, einerseits die untauglichen Ele¬
mente auszuscheiden, andererseits die tüchtigen Kräfte heranzuziehen; es ist der
Prüfstein für die Befähigung der künftigen Bibliothekbeamten. Man erhebe
es also zum Princip, nur solche Leute im Bibliothekdienst anzustellen, welche
die praktische Borschule als Hilfsarbeiter durchlaufen und mit Erfolg durch¬
laufen haben, und man suche den Zutritt zu den Hilfsarbeiterstellen mit allen
Mittel zu fördern. Dazu gehört vor Allem, daß man die Hilfsarbeiter auf
eine Gehaltsstufe erhebt, welche ihnen schon während ihres Noviziats eine
gesicherte Existenz verleiht, bis sie bei eintretender Vacanz zu fester Anstellung
gelangen können. Das Mindeste, was zu fordern wäre, ist Gleichstellung
mit den sog. "Assistenten" der Universitätsinstitute. Außerdem sind die Hilfs¬
arbeiterstellen auch numerisch so weit zu vermehren, als es mit den Zuständen
der Bibliotheken irgend vereinbar ist. Es bedarf keines Beweises, daß es
mehr schaden als nützen würde, wollte man Hilfsarbeiter an denjenigen
Bibliotheken creiren, deren Einrichtungen nicht die Gewähr für richtige
Schulung bieten. Wohl aber führe man sie an allen großen und gut geord¬
neten Bibliotheken ein und gebe ihnen eine Ausdehnung, daß dadurch auch
das Bedürfniß der übrigen Bibliotheken gedeckt wird. Wie es sich aber um
bessere Dotirung und Vermehrung der Hilfsarbeiterstellen handelt, so wird
es auf der anderen Seite unerläßlich sein, von vornherein für den Zutritt zu


Mediciner und der Theologe ist an einer wissenschaftlich geordneten Bibliothek
so gut am Platze und nicht weniger unentbehrlich, wie der Historiker oder
Philologe.

Wir halten ferner den bibliothekwissenschaftlichen Universitätsunterricht
mit dem sich daran anschließenden Examen allein nicht für ausreichend, weil
dadurch im günstigsten Falle eine blos theoretische Vorbildung gewährleistet
werden würde. Die Frage der praktischen Durchbildung, welche für den
Bibliothekdienst die Hauptsache bleibt, ist damit noch nicht gelöst. Es ist
sehr wohl denkbar, daß man bei aller theoretischen Vorbildung doch nicht die
besonderen Eigenschaften und Fähigkeiten besitzt, welche gerade der Bibliothek¬
dienst fordert, und welche erst bei praktischer Thätigkeit sich bewähren können.
Ist aber einmal mit dem wohlbestandenen Examen der Anspruch auf An¬
stellung verbunden, so giebt es kein Mittel, die ungeeigneten Elemente, welche
sich in der Praxis nicht bewähren, abzustoßen.

Aus diesen Gründen empfiehlt es sich, an ein bereits bestehendes Institut
anzuknüpfen und dasselbe weiter aufzubauen. Wir meinen das Institut der
„Hilfsarbeiter", nicht der gelehrten, von denen oben die Rede gewesen
ist, sondern der technischen Hilfsarbeiter, wie sie an einzelnen Bibliotheken
neben den cratsmäßigen Beamten eingeführt sind. Das Institut der Hilfs¬
arbeiter, welche, auf Kündigung angestellt, sich im praktischen Bibliothekdienst
auszubilden haben, gewährt die Möglichkeit, einerseits die untauglichen Ele¬
mente auszuscheiden, andererseits die tüchtigen Kräfte heranzuziehen; es ist der
Prüfstein für die Befähigung der künftigen Bibliothekbeamten. Man erhebe
es also zum Princip, nur solche Leute im Bibliothekdienst anzustellen, welche
die praktische Borschule als Hilfsarbeiter durchlaufen und mit Erfolg durch¬
laufen haben, und man suche den Zutritt zu den Hilfsarbeiterstellen mit allen
Mittel zu fördern. Dazu gehört vor Allem, daß man die Hilfsarbeiter auf
eine Gehaltsstufe erhebt, welche ihnen schon während ihres Noviziats eine
gesicherte Existenz verleiht, bis sie bei eintretender Vacanz zu fester Anstellung
gelangen können. Das Mindeste, was zu fordern wäre, ist Gleichstellung
mit den sog. „Assistenten" der Universitätsinstitute. Außerdem sind die Hilfs¬
arbeiterstellen auch numerisch so weit zu vermehren, als es mit den Zuständen
der Bibliotheken irgend vereinbar ist. Es bedarf keines Beweises, daß es
mehr schaden als nützen würde, wollte man Hilfsarbeiter an denjenigen
Bibliotheken creiren, deren Einrichtungen nicht die Gewähr für richtige
Schulung bieten. Wohl aber führe man sie an allen großen und gut geord¬
neten Bibliotheken ein und gebe ihnen eine Ausdehnung, daß dadurch auch
das Bedürfniß der übrigen Bibliotheken gedeckt wird. Wie es sich aber um
bessere Dotirung und Vermehrung der Hilfsarbeiterstellen handelt, so wird
es auf der anderen Seite unerläßlich sein, von vornherein für den Zutritt zu


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[0466] Mediciner und der Theologe ist an einer wissenschaftlich geordneten Bibliothek so gut am Platze und nicht weniger unentbehrlich, wie der Historiker oder Philologe. Wir halten ferner den bibliothekwissenschaftlichen Universitätsunterricht mit dem sich daran anschließenden Examen allein nicht für ausreichend, weil dadurch im günstigsten Falle eine blos theoretische Vorbildung gewährleistet werden würde. Die Frage der praktischen Durchbildung, welche für den Bibliothekdienst die Hauptsache bleibt, ist damit noch nicht gelöst. Es ist sehr wohl denkbar, daß man bei aller theoretischen Vorbildung doch nicht die besonderen Eigenschaften und Fähigkeiten besitzt, welche gerade der Bibliothek¬ dienst fordert, und welche erst bei praktischer Thätigkeit sich bewähren können. Ist aber einmal mit dem wohlbestandenen Examen der Anspruch auf An¬ stellung verbunden, so giebt es kein Mittel, die ungeeigneten Elemente, welche sich in der Praxis nicht bewähren, abzustoßen. Aus diesen Gründen empfiehlt es sich, an ein bereits bestehendes Institut anzuknüpfen und dasselbe weiter aufzubauen. Wir meinen das Institut der „Hilfsarbeiter", nicht der gelehrten, von denen oben die Rede gewesen ist, sondern der technischen Hilfsarbeiter, wie sie an einzelnen Bibliotheken neben den cratsmäßigen Beamten eingeführt sind. Das Institut der Hilfs¬ arbeiter, welche, auf Kündigung angestellt, sich im praktischen Bibliothekdienst auszubilden haben, gewährt die Möglichkeit, einerseits die untauglichen Ele¬ mente auszuscheiden, andererseits die tüchtigen Kräfte heranzuziehen; es ist der Prüfstein für die Befähigung der künftigen Bibliothekbeamten. Man erhebe es also zum Princip, nur solche Leute im Bibliothekdienst anzustellen, welche die praktische Borschule als Hilfsarbeiter durchlaufen und mit Erfolg durch¬ laufen haben, und man suche den Zutritt zu den Hilfsarbeiterstellen mit allen Mittel zu fördern. Dazu gehört vor Allem, daß man die Hilfsarbeiter auf eine Gehaltsstufe erhebt, welche ihnen schon während ihres Noviziats eine gesicherte Existenz verleiht, bis sie bei eintretender Vacanz zu fester Anstellung gelangen können. Das Mindeste, was zu fordern wäre, ist Gleichstellung mit den sog. „Assistenten" der Universitätsinstitute. Außerdem sind die Hilfs¬ arbeiterstellen auch numerisch so weit zu vermehren, als es mit den Zuständen der Bibliotheken irgend vereinbar ist. Es bedarf keines Beweises, daß es mehr schaden als nützen würde, wollte man Hilfsarbeiter an denjenigen Bibliotheken creiren, deren Einrichtungen nicht die Gewähr für richtige Schulung bieten. Wohl aber führe man sie an allen großen und gut geord¬ neten Bibliotheken ein und gebe ihnen eine Ausdehnung, daß dadurch auch das Bedürfniß der übrigen Bibliotheken gedeckt wird. Wie es sich aber um bessere Dotirung und Vermehrung der Hilfsarbeiterstellen handelt, so wird es auf der anderen Seite unerläßlich sein, von vornherein für den Zutritt zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/466>, abgerufen am 03.07.2024.