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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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als Vertreter von 600,000 Landarbeitern sich einschreiben konnte. Die Na-
tional-Union stellte sich zuerst nur die materielle Verbesserung der Lage der
Landarbeiter zum Ziel und faßte dabei einerseits die Erhöhung des Lohnes
und andererseits die Auswanderung ins Auge. Die Lohnerhöhung sollte
durch Coalitionen und massenhafte Arbeitseinstellungen von den Pächtern er¬
zwungen werden. Deshalb wurde mit der Gründung der Union sofort mittelst
Wochcnbeiträgen eine Casse gegründet, welche in der Zukunft dazu dienen
sollte, die Arbeiter während eines Aufstandes zu unterstützen.

Nachdem Josef Ares die National-Union gesichert sah, hatte er noch im
Herbst 1873 eine Reise nach den Vereinigten Staaten und nach Canada an¬
getreten, um die dortigen Ansiedlungsverhältnisse zu studiren und sich Klar¬
heit darüber zu verschaffen, in wiefern den Landarbeitern durch die Auswan¬
derung radical geholfen werden könne. Das Ergebniß seiner Untersuchung
war nicht blos ein, im Allgemeinen für die Auswanderung sehr günstiges,
sondern es trafen gerade auch noch besondere Umstände damit zusammen,
welche dieselbe ungewöhnlich begünstigten. Schon seit einigen Jahren giebt
sich eine Anzahl von Staaten in der amerikanischen Union viele Mühe, um
Auswanderer, namentlich aus Deutschland und England an sich zu ziehen.
Ländereien werden zu sehr billigem Preis zuweilen sogar bis zu einem ge¬
wissen Betrag umsonst angeboten unter der Bedingung, daß Landarbetter sich
daselbst ansiedeln. Im Herbst 1872 wurde z. B. der schweizerischen Bundes¬
regierung das Geschenk von 80,000 Morgen fruchtbaren Landes von dem
Agenten einer Eisenbahngesellschast in Florida angeboten, welches indessen
selbstverständlich keine Annahme fand. Die Regierungen vieler Staaten
schickten sogar ihre Agenten nach Großbritannien, Deutschland und in die
Schweiz, um Auswanderer durch Versprechungen anzulocken und die preußische
Negierung sah sich noch im Jahre 1874 veranlaßt, den Schullehrern auf dem
Lande die Annahme von Unter-Agenturen für solche Auswanderungszwecke
zu verbieten. Diese fortgesetzten Warnungen gegen die Auswanderung nach
heißen Ländern, namentlich Brasilien, wo unsere Landsleute ein anderes
Klima, fremde Sitten und Gebräuche und Gesetze finden, kann nur als sehr
angemessen angesehen werden. Etwas anderes ist es aber mit Colonial-
Ländern von ähnlichem, gemäßigtem Klima. Josef Ares scheint die Verhältnisse
Canadas ganz besonders für die englische Auswanderung geeignet gefunden
zu haben. Einestheils steht die Bevölkerung von Canada in freundlicheren
Beziehungen zu England als die der Vereinigten Staaten, ohne deshalb mehr
den geringsten Antheil an den Interessen der englischen Grundaristokratie zu
nehmen, welcher die Auswanderung natürlich ein Dorn im Auge sein muß.
Sowohl die Negierung, wie die Volksvertretung Canadas haben sich daher
sogar zu Opfern verstanden, um englische Auswanderer durch noch günstigere


als Vertreter von 600,000 Landarbeitern sich einschreiben konnte. Die Na-
tional-Union stellte sich zuerst nur die materielle Verbesserung der Lage der
Landarbeiter zum Ziel und faßte dabei einerseits die Erhöhung des Lohnes
und andererseits die Auswanderung ins Auge. Die Lohnerhöhung sollte
durch Coalitionen und massenhafte Arbeitseinstellungen von den Pächtern er¬
zwungen werden. Deshalb wurde mit der Gründung der Union sofort mittelst
Wochcnbeiträgen eine Casse gegründet, welche in der Zukunft dazu dienen
sollte, die Arbeiter während eines Aufstandes zu unterstützen.

Nachdem Josef Ares die National-Union gesichert sah, hatte er noch im
Herbst 1873 eine Reise nach den Vereinigten Staaten und nach Canada an¬
getreten, um die dortigen Ansiedlungsverhältnisse zu studiren und sich Klar¬
heit darüber zu verschaffen, in wiefern den Landarbeitern durch die Auswan¬
derung radical geholfen werden könne. Das Ergebniß seiner Untersuchung
war nicht blos ein, im Allgemeinen für die Auswanderung sehr günstiges,
sondern es trafen gerade auch noch besondere Umstände damit zusammen,
welche dieselbe ungewöhnlich begünstigten. Schon seit einigen Jahren giebt
sich eine Anzahl von Staaten in der amerikanischen Union viele Mühe, um
Auswanderer, namentlich aus Deutschland und England an sich zu ziehen.
Ländereien werden zu sehr billigem Preis zuweilen sogar bis zu einem ge¬
wissen Betrag umsonst angeboten unter der Bedingung, daß Landarbetter sich
daselbst ansiedeln. Im Herbst 1872 wurde z. B. der schweizerischen Bundes¬
regierung das Geschenk von 80,000 Morgen fruchtbaren Landes von dem
Agenten einer Eisenbahngesellschast in Florida angeboten, welches indessen
selbstverständlich keine Annahme fand. Die Regierungen vieler Staaten
schickten sogar ihre Agenten nach Großbritannien, Deutschland und in die
Schweiz, um Auswanderer durch Versprechungen anzulocken und die preußische
Negierung sah sich noch im Jahre 1874 veranlaßt, den Schullehrern auf dem
Lande die Annahme von Unter-Agenturen für solche Auswanderungszwecke
zu verbieten. Diese fortgesetzten Warnungen gegen die Auswanderung nach
heißen Ländern, namentlich Brasilien, wo unsere Landsleute ein anderes
Klima, fremde Sitten und Gebräuche und Gesetze finden, kann nur als sehr
angemessen angesehen werden. Etwas anderes ist es aber mit Colonial-
Ländern von ähnlichem, gemäßigtem Klima. Josef Ares scheint die Verhältnisse
Canadas ganz besonders für die englische Auswanderung geeignet gefunden
zu haben. Einestheils steht die Bevölkerung von Canada in freundlicheren
Beziehungen zu England als die der Vereinigten Staaten, ohne deshalb mehr
den geringsten Antheil an den Interessen der englischen Grundaristokratie zu
nehmen, welcher die Auswanderung natürlich ein Dorn im Auge sein muß.
Sowohl die Negierung, wie die Volksvertretung Canadas haben sich daher
sogar zu Opfern verstanden, um englische Auswanderer durch noch günstigere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/421>, abgerufen am 23.07.2024.