Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ein französischer Quartiermeister vom zehnten Husarenregiment, Namens
Grundel, holte ihn ein und versetzte ihm einen Hieb auf den Hinterkopf; wie
er aus die Aufforderung, sich zu ergeben, sich zur Wehr setzte, traf ihn der
Gegner mit einem tödtlichen Stich in die Brust. In wenig Minuten war er
Verschieden; schon drängte der Feind von allen Seiten nach, vergebens suchten
die Adjutanten des Prinzen wenigstens den Leichnam den feindlichen Händen
zu entreißen."

Diese letztere Darstellung scheint denn auch durch den oben erwähnten
Denkstein unterstützt zu werden, denn dieser Stein befindet sich nur einige
Schritte von dem Zaun des Bock'schen Gartens zu Wölsdorf entfernt, linker
Hand von der von Saalfeld nach Rudolstadt führenden Chaussee. Etwa drei¬
hundert Schritte weiter nach Rudolstadt zu steht aber rechter Hand von der
Landstraße für den von Saalfeld her Kommenden auf einer Feldspitze ein
großes gußeisernes Monument, welches dem gefallenen Helden im Jahre 1823
errichtet ward, und die Inschrift dieses Denkmals besagt ebenfalls: "Hier
fiel kämpfend für sein Vaterland Prinz Louis Ferdinand von Preußen am
10. Okt. 1806."

In dieser Verwirrung und Unklarheit suchte nun bereits Dr. Roßmann
in jenem Artikel der Grenzboten durch die Mittheilung derjenigen Aufzeich¬
nungen Klarheit zu bringen, welche der pensionirte Oberbürgermeister und
Justizrath Windorf zu Saalfeld über den Tod des Prinzen Louis Ferdinand
gemacht hat. Windorf, welcher zur Zeit jener unglücklichen Katastrophe im
achtzehnten Lebensjahr stand *), sah den Prinzen am Morgen des 10. Oktober
im vollen Glänze seiner männlichen Schönheit und im Vollbesitz seiner jugend¬
lichen Kraft; und des Abends mußte er Zeuge sein, wie die Leiche desselben,
von schnöder Feindeshand der Kleider beraubt, unter den empörenden Klän¬
gen einer munteren Weise von den brutalen Siegern in die Stadt herein¬
gebracht wurde. Der junge Windorf wohnte dann auch der Obduktion und
der Sektion des Leichnams bei, und er hat zudem, durch ein zufälliges Zu¬
sammentreffen veranlaßt, Tags darauf mit dem französischen Korporal oder
Wachtmeister, welcher als derjenige bezeichnet wurde, von dessen Hand der
Prinz gefallen sei. die Wahlstatt bei Wölsdorf besucht und an der blutge¬
tränkten Stelle verweilt, woselbst jener nach seiner Versicherung den Prinzen
erstochen hatte.

Nun ist inzwischen auch dieser letzte Zeuge, dessen Glaubwürdigkeit von
Keinem, der ihm im Leben nahe gestanden, angezweifelt werden wird, heim¬
gegangen.

Der ehrwürdige Greis, welcher sich eine bei so hohem Alter seltene



^ Hiernach ist die Angabe in der NosMann'schen Abhandlung, daß Windorf damals ein
zwanzigjähriger Jüngling gewesen, zu berichtigen.

ein französischer Quartiermeister vom zehnten Husarenregiment, Namens
Grundel, holte ihn ein und versetzte ihm einen Hieb auf den Hinterkopf; wie
er aus die Aufforderung, sich zu ergeben, sich zur Wehr setzte, traf ihn der
Gegner mit einem tödtlichen Stich in die Brust. In wenig Minuten war er
Verschieden; schon drängte der Feind von allen Seiten nach, vergebens suchten
die Adjutanten des Prinzen wenigstens den Leichnam den feindlichen Händen
zu entreißen."

Diese letztere Darstellung scheint denn auch durch den oben erwähnten
Denkstein unterstützt zu werden, denn dieser Stein befindet sich nur einige
Schritte von dem Zaun des Bock'schen Gartens zu Wölsdorf entfernt, linker
Hand von der von Saalfeld nach Rudolstadt führenden Chaussee. Etwa drei¬
hundert Schritte weiter nach Rudolstadt zu steht aber rechter Hand von der
Landstraße für den von Saalfeld her Kommenden auf einer Feldspitze ein
großes gußeisernes Monument, welches dem gefallenen Helden im Jahre 1823
errichtet ward, und die Inschrift dieses Denkmals besagt ebenfalls: „Hier
fiel kämpfend für sein Vaterland Prinz Louis Ferdinand von Preußen am
10. Okt. 1806."

In dieser Verwirrung und Unklarheit suchte nun bereits Dr. Roßmann
in jenem Artikel der Grenzboten durch die Mittheilung derjenigen Aufzeich¬
nungen Klarheit zu bringen, welche der pensionirte Oberbürgermeister und
Justizrath Windorf zu Saalfeld über den Tod des Prinzen Louis Ferdinand
gemacht hat. Windorf, welcher zur Zeit jener unglücklichen Katastrophe im
achtzehnten Lebensjahr stand *), sah den Prinzen am Morgen des 10. Oktober
im vollen Glänze seiner männlichen Schönheit und im Vollbesitz seiner jugend¬
lichen Kraft; und des Abends mußte er Zeuge sein, wie die Leiche desselben,
von schnöder Feindeshand der Kleider beraubt, unter den empörenden Klän¬
gen einer munteren Weise von den brutalen Siegern in die Stadt herein¬
gebracht wurde. Der junge Windorf wohnte dann auch der Obduktion und
der Sektion des Leichnams bei, und er hat zudem, durch ein zufälliges Zu¬
sammentreffen veranlaßt, Tags darauf mit dem französischen Korporal oder
Wachtmeister, welcher als derjenige bezeichnet wurde, von dessen Hand der
Prinz gefallen sei. die Wahlstatt bei Wölsdorf besucht und an der blutge¬
tränkten Stelle verweilt, woselbst jener nach seiner Versicherung den Prinzen
erstochen hatte.

Nun ist inzwischen auch dieser letzte Zeuge, dessen Glaubwürdigkeit von
Keinem, der ihm im Leben nahe gestanden, angezweifelt werden wird, heim¬
gegangen.

Der ehrwürdige Greis, welcher sich eine bei so hohem Alter seltene



^ Hiernach ist die Angabe in der NosMann'schen Abhandlung, daß Windorf damals ein
zwanzigjähriger Jüngling gewesen, zu berichtigen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132795"/>
          <p xml:id="ID_116" prev="#ID_115"> ein französischer Quartiermeister vom zehnten Husarenregiment, Namens<lb/>
Grundel, holte ihn ein und versetzte ihm einen Hieb auf den Hinterkopf; wie<lb/>
er aus die Aufforderung, sich zu ergeben, sich zur Wehr setzte, traf ihn der<lb/>
Gegner mit einem tödtlichen Stich in die Brust. In wenig Minuten war er<lb/>
Verschieden; schon drängte der Feind von allen Seiten nach, vergebens suchten<lb/>
die Adjutanten des Prinzen wenigstens den Leichnam den feindlichen Händen<lb/>
zu entreißen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_117"> Diese letztere Darstellung scheint denn auch durch den oben erwähnten<lb/>
Denkstein unterstützt zu werden, denn dieser Stein befindet sich nur einige<lb/>
Schritte von dem Zaun des Bock'schen Gartens zu Wölsdorf entfernt, linker<lb/>
Hand von der von Saalfeld nach Rudolstadt führenden Chaussee. Etwa drei¬<lb/>
hundert Schritte weiter nach Rudolstadt zu steht aber rechter Hand von der<lb/>
Landstraße für den von Saalfeld her Kommenden auf einer Feldspitze ein<lb/>
großes gußeisernes Monument, welches dem gefallenen Helden im Jahre 1823<lb/>
errichtet ward, und die Inschrift dieses Denkmals besagt ebenfalls: &#x201E;Hier<lb/>
fiel kämpfend für sein Vaterland Prinz Louis Ferdinand von Preußen am<lb/>
10. Okt. 1806."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_118"> In dieser Verwirrung und Unklarheit suchte nun bereits Dr. Roßmann<lb/>
in jenem Artikel der Grenzboten durch die Mittheilung derjenigen Aufzeich¬<lb/>
nungen Klarheit zu bringen, welche der pensionirte Oberbürgermeister und<lb/>
Justizrath Windorf zu Saalfeld über den Tod des Prinzen Louis Ferdinand<lb/>
gemacht hat. Windorf, welcher zur Zeit jener unglücklichen Katastrophe im<lb/>
achtzehnten Lebensjahr stand *), sah den Prinzen am Morgen des 10. Oktober<lb/>
im vollen Glänze seiner männlichen Schönheit und im Vollbesitz seiner jugend¬<lb/>
lichen Kraft; und des Abends mußte er Zeuge sein, wie die Leiche desselben,<lb/>
von schnöder Feindeshand der Kleider beraubt, unter den empörenden Klän¬<lb/>
gen einer munteren Weise von den brutalen Siegern in die Stadt herein¬<lb/>
gebracht wurde. Der junge Windorf wohnte dann auch der Obduktion und<lb/>
der Sektion des Leichnams bei, und er hat zudem, durch ein zufälliges Zu¬<lb/>
sammentreffen veranlaßt, Tags darauf mit dem französischen Korporal oder<lb/>
Wachtmeister, welcher als derjenige bezeichnet wurde, von dessen Hand der<lb/>
Prinz gefallen sei. die Wahlstatt bei Wölsdorf besucht und an der blutge¬<lb/>
tränkten Stelle verweilt, woselbst jener nach seiner Versicherung den Prinzen<lb/>
erstochen hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_119"> Nun ist inzwischen auch dieser letzte Zeuge, dessen Glaubwürdigkeit von<lb/>
Keinem, der ihm im Leben nahe gestanden, angezweifelt werden wird, heim¬<lb/>
gegangen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_120" next="#ID_121"> Der ehrwürdige Greis, welcher sich eine bei so hohem Alter seltene</p><lb/>
          <note xml:id="FID_5" place="foot"> ^ Hiernach ist die Angabe in der NosMann'schen Abhandlung, daß Windorf damals ein<lb/>
zwanzigjähriger Jüngling gewesen, zu berichtigen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0035] ein französischer Quartiermeister vom zehnten Husarenregiment, Namens Grundel, holte ihn ein und versetzte ihm einen Hieb auf den Hinterkopf; wie er aus die Aufforderung, sich zu ergeben, sich zur Wehr setzte, traf ihn der Gegner mit einem tödtlichen Stich in die Brust. In wenig Minuten war er Verschieden; schon drängte der Feind von allen Seiten nach, vergebens suchten die Adjutanten des Prinzen wenigstens den Leichnam den feindlichen Händen zu entreißen." Diese letztere Darstellung scheint denn auch durch den oben erwähnten Denkstein unterstützt zu werden, denn dieser Stein befindet sich nur einige Schritte von dem Zaun des Bock'schen Gartens zu Wölsdorf entfernt, linker Hand von der von Saalfeld nach Rudolstadt führenden Chaussee. Etwa drei¬ hundert Schritte weiter nach Rudolstadt zu steht aber rechter Hand von der Landstraße für den von Saalfeld her Kommenden auf einer Feldspitze ein großes gußeisernes Monument, welches dem gefallenen Helden im Jahre 1823 errichtet ward, und die Inschrift dieses Denkmals besagt ebenfalls: „Hier fiel kämpfend für sein Vaterland Prinz Louis Ferdinand von Preußen am 10. Okt. 1806." In dieser Verwirrung und Unklarheit suchte nun bereits Dr. Roßmann in jenem Artikel der Grenzboten durch die Mittheilung derjenigen Aufzeich¬ nungen Klarheit zu bringen, welche der pensionirte Oberbürgermeister und Justizrath Windorf zu Saalfeld über den Tod des Prinzen Louis Ferdinand gemacht hat. Windorf, welcher zur Zeit jener unglücklichen Katastrophe im achtzehnten Lebensjahr stand *), sah den Prinzen am Morgen des 10. Oktober im vollen Glänze seiner männlichen Schönheit und im Vollbesitz seiner jugend¬ lichen Kraft; und des Abends mußte er Zeuge sein, wie die Leiche desselben, von schnöder Feindeshand der Kleider beraubt, unter den empörenden Klän¬ gen einer munteren Weise von den brutalen Siegern in die Stadt herein¬ gebracht wurde. Der junge Windorf wohnte dann auch der Obduktion und der Sektion des Leichnams bei, und er hat zudem, durch ein zufälliges Zu¬ sammentreffen veranlaßt, Tags darauf mit dem französischen Korporal oder Wachtmeister, welcher als derjenige bezeichnet wurde, von dessen Hand der Prinz gefallen sei. die Wahlstatt bei Wölsdorf besucht und an der blutge¬ tränkten Stelle verweilt, woselbst jener nach seiner Versicherung den Prinzen erstochen hatte. Nun ist inzwischen auch dieser letzte Zeuge, dessen Glaubwürdigkeit von Keinem, der ihm im Leben nahe gestanden, angezweifelt werden wird, heim¬ gegangen. Der ehrwürdige Greis, welcher sich eine bei so hohem Alter seltene ^ Hiernach ist die Angabe in der NosMann'schen Abhandlung, daß Windorf damals ein zwanzigjähriger Jüngling gewesen, zu berichtigen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/35
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/35>, abgerufen am 26.06.2024.