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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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zelnen Städten, wie z. B. in dem allzeit kühnen Ulm, Männer von weit¬
schauendem Blick gewesen sind, die über die lokalen Interessen hinaus politischen
Zielen nachstrebten, möchte der Verfasser nicht ableugnen, aber sie fanden in
den besonderen Verhältnissen der einzelnen Städte, in dem Wunsche der ehr¬
samen Handwerker und Kaufleute nicht weiterzugehen, als es zum Schutze
ihres Gewerbes erforderlich war, ein allzugroßes Gegengewicht, um zur Gel¬
tung zu kommen. Auch lockerte sich mit der Ausdehnung des Bundes die
Einheit desselben, besonders als neben dem schwäbischen sich der rheinische Städte¬
bund bildete, und beide, durch verschiedene Anlässe hervorgerufen, sich zu ver¬
einigen trachteten.

Die Gründung des schwäbischen Städtebundes hatte Veranlassung zur
Entstehung zahlreicher Rittergesellschaften gegeben, und deren bedrohliches
Auftreten trieb wieder in Elsaß und am Rhein die Städte zur Einigung.
Hier war also das Motiv ein anderes als in Schwaben, nicht um Versetzung
durch den König, sondern um die Befehdung durch den städtefeindlichen Adel
abzuwenden, entstand hier der Bund. Mainz, Worms, Speier, Straßburg
waren ja überhaupt nicht Reichsstädte, sondern Freistätte, also zu Zahlungen
an den König in keiner Weise verpflichtet. Aber der rheinische Bund war kaum
errichtet, als auch schon vom schwäbischen das Anerbieten einer gegenseitigen
Einigung gemacht wurde. Daß dieselbe zu Stande kam, ließ fortan die Macht
der Städte äußerlich sehr imposant erscheinen; aber das Gefüge war ein loses,
denn jeder Bund blieb für sich bestehen, und es kam immer nur zu gütlichen
Vereinbarungen zwischen beiden, nicht zu gemeinsamen Beschlüssen. Es liegt
zudem in der Natur der Dinge, daß die Muthigen und Vorwärtsstrebenden
den Aengstlichen und nur auf Erholung Bedachten mehr Rechnung tragen
müssen als umgekehrt. Doch wuchs die Anziehungskraft des Bundes noch
immer. Von Basel bis Regensburg erstreckte sich jetzt das Gebiet, selbst das
volk- und geldreiche Nürnberg, das mehr Neichssteuer zahlte als irgend eine
andere Stadt und zu den Luxemburgern in sehr intimer Verbindung stand,
konnte sich in seiner Jsolirung nicht halten und mußte dem allgemeinen Zuge
folgen, der auch die rheinischen Städte allmählich in die Wege der schwäbischen
zu drängen schien. Im October 1832 verlängern beide ihre Einigung auf
10 Jahre.

Die Besorgniß vor dem unruhigen Trieb Leopold's von Oesterreich nach
Vergrößerung seiner Lande trieb die, schwäbischen Städte auch. Anknüpfung
bei den Schweizern zu suchen. Die größeren Städte wie Zürich, Bern und
andere -- Basel und Se. Gallen gehören schon zum schwäbischen Bunde -
sind bald zur Verbindung geneigt. Ihre Einigung mit den schwäbischen Städten
wird auch Namens der rheinischen abgeschlossen, der große Zusammenhang


zelnen Städten, wie z. B. in dem allzeit kühnen Ulm, Männer von weit¬
schauendem Blick gewesen sind, die über die lokalen Interessen hinaus politischen
Zielen nachstrebten, möchte der Verfasser nicht ableugnen, aber sie fanden in
den besonderen Verhältnissen der einzelnen Städte, in dem Wunsche der ehr¬
samen Handwerker und Kaufleute nicht weiterzugehen, als es zum Schutze
ihres Gewerbes erforderlich war, ein allzugroßes Gegengewicht, um zur Gel¬
tung zu kommen. Auch lockerte sich mit der Ausdehnung des Bundes die
Einheit desselben, besonders als neben dem schwäbischen sich der rheinische Städte¬
bund bildete, und beide, durch verschiedene Anlässe hervorgerufen, sich zu ver¬
einigen trachteten.

Die Gründung des schwäbischen Städtebundes hatte Veranlassung zur
Entstehung zahlreicher Rittergesellschaften gegeben, und deren bedrohliches
Auftreten trieb wieder in Elsaß und am Rhein die Städte zur Einigung.
Hier war also das Motiv ein anderes als in Schwaben, nicht um Versetzung
durch den König, sondern um die Befehdung durch den städtefeindlichen Adel
abzuwenden, entstand hier der Bund. Mainz, Worms, Speier, Straßburg
waren ja überhaupt nicht Reichsstädte, sondern Freistätte, also zu Zahlungen
an den König in keiner Weise verpflichtet. Aber der rheinische Bund war kaum
errichtet, als auch schon vom schwäbischen das Anerbieten einer gegenseitigen
Einigung gemacht wurde. Daß dieselbe zu Stande kam, ließ fortan die Macht
der Städte äußerlich sehr imposant erscheinen; aber das Gefüge war ein loses,
denn jeder Bund blieb für sich bestehen, und es kam immer nur zu gütlichen
Vereinbarungen zwischen beiden, nicht zu gemeinsamen Beschlüssen. Es liegt
zudem in der Natur der Dinge, daß die Muthigen und Vorwärtsstrebenden
den Aengstlichen und nur auf Erholung Bedachten mehr Rechnung tragen
müssen als umgekehrt. Doch wuchs die Anziehungskraft des Bundes noch
immer. Von Basel bis Regensburg erstreckte sich jetzt das Gebiet, selbst das
volk- und geldreiche Nürnberg, das mehr Neichssteuer zahlte als irgend eine
andere Stadt und zu den Luxemburgern in sehr intimer Verbindung stand,
konnte sich in seiner Jsolirung nicht halten und mußte dem allgemeinen Zuge
folgen, der auch die rheinischen Städte allmählich in die Wege der schwäbischen
zu drängen schien. Im October 1832 verlängern beide ihre Einigung auf
10 Jahre.

Die Besorgniß vor dem unruhigen Trieb Leopold's von Oesterreich nach
Vergrößerung seiner Lande trieb die, schwäbischen Städte auch. Anknüpfung
bei den Schweizern zu suchen. Die größeren Städte wie Zürich, Bern und
andere — Basel und Se. Gallen gehören schon zum schwäbischen Bunde -
sind bald zur Verbindung geneigt. Ihre Einigung mit den schwäbischen Städten
wird auch Namens der rheinischen abgeschlossen, der große Zusammenhang


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/318>, abgerufen am 23.07.2024.