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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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mit 13 Säulen in seiner Länge; was aussergewöhnlich ist, so wie seine Lage
gegen Norden. Seinem Pronaos und Opistodomus lag ein zwei Säulen
weiter tiefer Portikus vor. Jenes war mit der Höhe der Anten gleich, durch
ein metallnes Gitterwerk verschlossen, man kam von ihm durch eine majestätische
Pforte in die Celle, welche unbedekt war, (Hypäthros). Das hier ringsumlau¬
fende Hauptgesimse der Seitenwände wurde auf beiden Seiten der Länge nach
durch 3 Pfeiler nach vorne mit jonischen Säulen verziert, getragen, und in
seinem Fries stunden jene Basreliefs, die in einer Länge von 100 Fußen,
Gegenstände aus der griechischen Geschichte und Mythologie vorstellen. Das
eine den Kampf der Centauren und Lapithen bey der Hochzeit des Pirithous.
Man sieht in einer Gruppe davon den Centaur Eurytion, die Braut Deidamia,
einen Zweyten, einen jungen Mann, vermuthlich den Bräutigam gewalt¬
sam ergreifen; in andern fliehende Weiber mit ihren Kindern, verfolgt von
Centauren; andere niederstürzend vor der Statue einer Gottheit, mehrere sich
mit den Centauren und Lapithen fürchterlich herumschlagend. Apollo und
Diana erscheinen auf einen mit Rehen bespannten Wagen zur Hülfe. Der
zweyte Gegenstand ist die Schlacht der Griechen mit den Amazonen. Hier
sind wieder vortreffliche Gruppen, schöne kräftige Jünglinge kämpfen mit weib¬
lichen Heldinnen zu Fuße und zu Pferd, Jugendliches kräftiges Leben ist in
Mienen und Bewegungen schön ausgesprochen. Einer Scene hat der Künstler
vorzüglichen Reiz gegeben in dem Contrast zwischen Liebe und feindlichem
Streben. Zwei Amazonen, schöne Mädchen, sind im Conflict mit einem jungen
griechischen Helden. Die Eine davon durch ein Diadem von höherm Range
ausgezeichnet, wendet den tödtlichen Streich der andern auf den schon zu
ihren Füßen gestürzten Jüngling, ab. -- Diese Gruppe hat mich besonders
angezogen. -- Wir sind so glücklich gewesen, den ganzen Fries zu finden,
freilich mitunter sehr verwittert und zerbrochen; doch haben wir die kleinsten
Splitter zur Restauration. Alle diese Marmorlagen in der Mitte der Celle,
wo sie bey dem Einsturz des Tempels auf das große Pflaster fielen und
unter den größten Architektur-Stücken vergraben wurden.

Ihre ersten Spuren entdeckten wir, wie schon gesagt, bey unserm ersten
Besuch in diesem Tempel, wo ich schon mit vieler Mühe auf dem Bauch
unter die Trümmer kriechend, von einer Gruppe eine Skizze gemacht hatte.

Ich kann Dir von unsern hiesigen Leben nicht ein Bild reizend genug
machen.

Stelle Dir sich innigliebende Freunde, beinahe getrennt von der übrigen
Welt, unausgesetzt mit den schönsten Gegenständen der Kunst und Natur be¬
schäftigt, auf den Bergen Arkadiens lebend, vor. Alles war hier nun wieder
thätig, alles lebte, während dem der eine Theil oft 20 -- 30 Männer an ein
und ebendemselben Stein ziehend, commandirte, war ein anderer mit dem


mit 13 Säulen in seiner Länge; was aussergewöhnlich ist, so wie seine Lage
gegen Norden. Seinem Pronaos und Opistodomus lag ein zwei Säulen
weiter tiefer Portikus vor. Jenes war mit der Höhe der Anten gleich, durch
ein metallnes Gitterwerk verschlossen, man kam von ihm durch eine majestätische
Pforte in die Celle, welche unbedekt war, (Hypäthros). Das hier ringsumlau¬
fende Hauptgesimse der Seitenwände wurde auf beiden Seiten der Länge nach
durch 3 Pfeiler nach vorne mit jonischen Säulen verziert, getragen, und in
seinem Fries stunden jene Basreliefs, die in einer Länge von 100 Fußen,
Gegenstände aus der griechischen Geschichte und Mythologie vorstellen. Das
eine den Kampf der Centauren und Lapithen bey der Hochzeit des Pirithous.
Man sieht in einer Gruppe davon den Centaur Eurytion, die Braut Deidamia,
einen Zweyten, einen jungen Mann, vermuthlich den Bräutigam gewalt¬
sam ergreifen; in andern fliehende Weiber mit ihren Kindern, verfolgt von
Centauren; andere niederstürzend vor der Statue einer Gottheit, mehrere sich
mit den Centauren und Lapithen fürchterlich herumschlagend. Apollo und
Diana erscheinen auf einen mit Rehen bespannten Wagen zur Hülfe. Der
zweyte Gegenstand ist die Schlacht der Griechen mit den Amazonen. Hier
sind wieder vortreffliche Gruppen, schöne kräftige Jünglinge kämpfen mit weib¬
lichen Heldinnen zu Fuße und zu Pferd, Jugendliches kräftiges Leben ist in
Mienen und Bewegungen schön ausgesprochen. Einer Scene hat der Künstler
vorzüglichen Reiz gegeben in dem Contrast zwischen Liebe und feindlichem
Streben. Zwei Amazonen, schöne Mädchen, sind im Conflict mit einem jungen
griechischen Helden. Die Eine davon durch ein Diadem von höherm Range
ausgezeichnet, wendet den tödtlichen Streich der andern auf den schon zu
ihren Füßen gestürzten Jüngling, ab. — Diese Gruppe hat mich besonders
angezogen. — Wir sind so glücklich gewesen, den ganzen Fries zu finden,
freilich mitunter sehr verwittert und zerbrochen; doch haben wir die kleinsten
Splitter zur Restauration. Alle diese Marmorlagen in der Mitte der Celle,
wo sie bey dem Einsturz des Tempels auf das große Pflaster fielen und
unter den größten Architektur-Stücken vergraben wurden.

Ihre ersten Spuren entdeckten wir, wie schon gesagt, bey unserm ersten
Besuch in diesem Tempel, wo ich schon mit vieler Mühe auf dem Bauch
unter die Trümmer kriechend, von einer Gruppe eine Skizze gemacht hatte.

Ich kann Dir von unsern hiesigen Leben nicht ein Bild reizend genug
machen.

Stelle Dir sich innigliebende Freunde, beinahe getrennt von der übrigen
Welt, unausgesetzt mit den schönsten Gegenständen der Kunst und Natur be¬
schäftigt, auf den Bergen Arkadiens lebend, vor. Alles war hier nun wieder
thätig, alles lebte, während dem der eine Theil oft 20 — 30 Männer an ein
und ebendemselben Stein ziehend, commandirte, war ein anderer mit dem


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[0267] mit 13 Säulen in seiner Länge; was aussergewöhnlich ist, so wie seine Lage gegen Norden. Seinem Pronaos und Opistodomus lag ein zwei Säulen weiter tiefer Portikus vor. Jenes war mit der Höhe der Anten gleich, durch ein metallnes Gitterwerk verschlossen, man kam von ihm durch eine majestätische Pforte in die Celle, welche unbedekt war, (Hypäthros). Das hier ringsumlau¬ fende Hauptgesimse der Seitenwände wurde auf beiden Seiten der Länge nach durch 3 Pfeiler nach vorne mit jonischen Säulen verziert, getragen, und in seinem Fries stunden jene Basreliefs, die in einer Länge von 100 Fußen, Gegenstände aus der griechischen Geschichte und Mythologie vorstellen. Das eine den Kampf der Centauren und Lapithen bey der Hochzeit des Pirithous. Man sieht in einer Gruppe davon den Centaur Eurytion, die Braut Deidamia, einen Zweyten, einen jungen Mann, vermuthlich den Bräutigam gewalt¬ sam ergreifen; in andern fliehende Weiber mit ihren Kindern, verfolgt von Centauren; andere niederstürzend vor der Statue einer Gottheit, mehrere sich mit den Centauren und Lapithen fürchterlich herumschlagend. Apollo und Diana erscheinen auf einen mit Rehen bespannten Wagen zur Hülfe. Der zweyte Gegenstand ist die Schlacht der Griechen mit den Amazonen. Hier sind wieder vortreffliche Gruppen, schöne kräftige Jünglinge kämpfen mit weib¬ lichen Heldinnen zu Fuße und zu Pferd, Jugendliches kräftiges Leben ist in Mienen und Bewegungen schön ausgesprochen. Einer Scene hat der Künstler vorzüglichen Reiz gegeben in dem Contrast zwischen Liebe und feindlichem Streben. Zwei Amazonen, schöne Mädchen, sind im Conflict mit einem jungen griechischen Helden. Die Eine davon durch ein Diadem von höherm Range ausgezeichnet, wendet den tödtlichen Streich der andern auf den schon zu ihren Füßen gestürzten Jüngling, ab. — Diese Gruppe hat mich besonders angezogen. — Wir sind so glücklich gewesen, den ganzen Fries zu finden, freilich mitunter sehr verwittert und zerbrochen; doch haben wir die kleinsten Splitter zur Restauration. Alle diese Marmorlagen in der Mitte der Celle, wo sie bey dem Einsturz des Tempels auf das große Pflaster fielen und unter den größten Architektur-Stücken vergraben wurden. Ihre ersten Spuren entdeckten wir, wie schon gesagt, bey unserm ersten Besuch in diesem Tempel, wo ich schon mit vieler Mühe auf dem Bauch unter die Trümmer kriechend, von einer Gruppe eine Skizze gemacht hatte. Ich kann Dir von unsern hiesigen Leben nicht ein Bild reizend genug machen. Stelle Dir sich innigliebende Freunde, beinahe getrennt von der übrigen Welt, unausgesetzt mit den schönsten Gegenständen der Kunst und Natur be¬ schäftigt, auf den Bergen Arkadiens lebend, vor. Alles war hier nun wieder thätig, alles lebte, während dem der eine Theil oft 20 — 30 Männer an ein und ebendemselben Stein ziehend, commandirte, war ein anderer mit dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/267>, abgerufen am 23.07.2024.