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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Am festesten war Dr. Bröndstedt seinem Vorsatz getreu zu bleiben,
und ich sah keinen andern Grund den meinigen zu verlassen, als bloß das
sonderbare Zusammentreffen von Umständen, die sich immer unserm Weiter¬
gehen entgegen zu stemmen schienen, und so blieb auch ich beharrlich für
Griechenland, und damit unsere ganze Gesellschaft, und unser Muth erneuerte
sich nur um so mehr. Hier lieber Bruder muß ich meines lieben Freundes
Koch gedenken. Sein männliches Benehmen in den Augenblicken der Gefahr,
und sein festes Vertrauen auf Gott, hat einen großen Eindruck auf mich ge¬
macht, und von diesen Augenblick schloß ich mich fester an ihn an, und wir
wurden enge Freunde. Ein paar Tage später schifften wir uns auf eine
ganz kleine Barke ein, die mit Knoblauch nach Corfu gieng, und womit wir
in ein paar Tagen dort, obschon unterwegs die Engländer gewaltig fürchtend,
ankamen.

Die Insel Corfu gefiel mir wegen ihrer malerischen Parthien sehr wohl,
und ich würde während meines langen Aufenthaltes daselbst viel gezeichnet
haben, wäre ich nicht an das Krankenbett meines theuren Slackelbergs ge-
feßelt gewesen. Die Stadt selbst ist wegen ihrer drei starken Castelle und
die vorliegende kleine Insel Vito, die die Franzosen vorzüglich befestigt haben,
wohl nicht so leicht zu nehmen, und diese sollen neuerdings ihre Festungs¬
werke noch sehr vermehrt, und sie durch einen Durchstich von der Insel
ganz abgeschnitten haben'. Ich machte da die Bekanntschaft mit ihren Gou¬
verneur dem braven General Dongelat, der Corfu während ihrer ganzen
Blokade so gut erhielt, daß ihn die Einwohner mit ihrem Schutzheiligen
Spiridion verglichen. Außerdem sind der Senator Theotoki, der nachher fran¬
zösischer Reichs-Baron wurde, ein sehr braver Mann, und zwei junge Proßa-
lendi, wovon der eine Bruder Secretair der Akademie der Ionischen Inseln
war, und eine Contessa Sicuro wegen ihrer Reize die interessantesten Bekannt¬
schaften, die ich dort gemacht hatte. So bald mein Freund so weit genesen
war, um sich der Reise aussetzen zu können, schifften wir nach dem festen Land
von Griechenland über, was wir zum erstenmal in Prevesa betraten. Zu den
ganz neuen Eindrücken die mir in Corfu gemacht wurden, muß ich das Kennen¬
lernen des Aecht-Albanesischen Soldaten-Corps rechnen, das damals die Fran¬
zosen aufgenommen hatten, und wovon ein großer Theil aus der Albanischen
Bergstadt Saku war, deren Einwohner sich so tapfer gegen ihren Tyrannen
Ali-(Bascha) von Albanien vertheidigten. --

Diese Leute tragen noch das Gepräge der alt Griechischen Helden in ihrer
Kleidung und ihren Gewohnheiten an sich. Sie äußern Wildheit, verbunden
mit Heldensinn, ich behalte mir es vor Dir durch Zeichnung ein treues Bild
von ihnen zu geben. -- Prevesa war die erste türkische Stadt die ich sah, und
sie und ihre Einwohner machten daher einen ganz eignen Eindruck auf mich-


Am festesten war Dr. Bröndstedt seinem Vorsatz getreu zu bleiben,
und ich sah keinen andern Grund den meinigen zu verlassen, als bloß das
sonderbare Zusammentreffen von Umständen, die sich immer unserm Weiter¬
gehen entgegen zu stemmen schienen, und so blieb auch ich beharrlich für
Griechenland, und damit unsere ganze Gesellschaft, und unser Muth erneuerte
sich nur um so mehr. Hier lieber Bruder muß ich meines lieben Freundes
Koch gedenken. Sein männliches Benehmen in den Augenblicken der Gefahr,
und sein festes Vertrauen auf Gott, hat einen großen Eindruck auf mich ge¬
macht, und von diesen Augenblick schloß ich mich fester an ihn an, und wir
wurden enge Freunde. Ein paar Tage später schifften wir uns auf eine
ganz kleine Barke ein, die mit Knoblauch nach Corfu gieng, und womit wir
in ein paar Tagen dort, obschon unterwegs die Engländer gewaltig fürchtend,
ankamen.

Die Insel Corfu gefiel mir wegen ihrer malerischen Parthien sehr wohl,
und ich würde während meines langen Aufenthaltes daselbst viel gezeichnet
haben, wäre ich nicht an das Krankenbett meines theuren Slackelbergs ge-
feßelt gewesen. Die Stadt selbst ist wegen ihrer drei starken Castelle und
die vorliegende kleine Insel Vito, die die Franzosen vorzüglich befestigt haben,
wohl nicht so leicht zu nehmen, und diese sollen neuerdings ihre Festungs¬
werke noch sehr vermehrt, und sie durch einen Durchstich von der Insel
ganz abgeschnitten haben'. Ich machte da die Bekanntschaft mit ihren Gou¬
verneur dem braven General Dongelat, der Corfu während ihrer ganzen
Blokade so gut erhielt, daß ihn die Einwohner mit ihrem Schutzheiligen
Spiridion verglichen. Außerdem sind der Senator Theotoki, der nachher fran¬
zösischer Reichs-Baron wurde, ein sehr braver Mann, und zwei junge Proßa-
lendi, wovon der eine Bruder Secretair der Akademie der Ionischen Inseln
war, und eine Contessa Sicuro wegen ihrer Reize die interessantesten Bekannt¬
schaften, die ich dort gemacht hatte. So bald mein Freund so weit genesen
war, um sich der Reise aussetzen zu können, schifften wir nach dem festen Land
von Griechenland über, was wir zum erstenmal in Prevesa betraten. Zu den
ganz neuen Eindrücken die mir in Corfu gemacht wurden, muß ich das Kennen¬
lernen des Aecht-Albanesischen Soldaten-Corps rechnen, das damals die Fran¬
zosen aufgenommen hatten, und wovon ein großer Theil aus der Albanischen
Bergstadt Saku war, deren Einwohner sich so tapfer gegen ihren Tyrannen
Ali-(Bascha) von Albanien vertheidigten. —

Diese Leute tragen noch das Gepräge der alt Griechischen Helden in ihrer
Kleidung und ihren Gewohnheiten an sich. Sie äußern Wildheit, verbunden
mit Heldensinn, ich behalte mir es vor Dir durch Zeichnung ein treues Bild
von ihnen zu geben. — Prevesa war die erste türkische Stadt die ich sah, und
sie und ihre Einwohner machten daher einen ganz eignen Eindruck auf mich-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/214>, abgerufen am 03.07.2024.