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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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wo merkwürdiger Weise die Vorschriften des preußischen Gesetzes mit denen des
canonischen Rechts übereinstimmen, dasselbe gänzlich ignoriren, oder es geradezu
auf den Kopf stellen. Man ist nämlich in klerikalen Blättern in der Unver¬
schämtheit so weit gegangen, zu behaupten, das kanonische Recht sei mit diesen
Succursalen völlig einverstanden,; ja eine Korrespondenz, welche neulich durch
sämmtliche Zeitungen dieser Farbe die Runde machte, fordert den Cultusminister
direct auf, sich doch einmal in dem canonischen Recht umzusehen; dann werde
er zugestehen müssen, "daß die Herren Bischöfe gar nicht in der Lage seien,
(sie!) die in Rede stehenden Stellen definitiv zu besetzen, selbst wenn sie sich
den Maigesetzen unterwerfen wollen." Das heißt doch den Teufel durch
Beelzebub austreiben. Wir unsrerseits glauben, daß der Dr. Falk in dem
canonischen Recht besser bewandert ist, als mancher glatzhäuptige, feiste Cano-
nicus. Wenn die Herren so argumentiren, dann mögen sie es uns nicht
verübeln, wenn wir, trotz des in seinen Folgen nicht blos auf politischem,
sondern auch leider auf bürgerlichem und gesellschaftlichen Gebiete für beide
Theile äußerst traurigen Conflictes, herzlich wünschen, daß das Gesetz mit
seiner ganzen Schärfe in diese Rotte Cora und Abiram hineinschlage, unbe¬
kümmert um die Thränen, die darob geweint, die Seufzer, die nicht erhört
und die Flüche, die hoffentlich dort oben auch nicht erhört werden.

Bekanntlich hatte man regierungsseitig die Absicht, mit diesen Succursal-
Pfarrern, meistens alten Herren, die nur ungern aus dem ihnen lieb gewor¬
denen Amte und Kreise scheiden dürften, äußerst gelinde und zart umzugehen.
Das zweite Alinea des § 19 lautete daher in seiner ursprünglichen Fassung
als Entwurf: "Die Suceursalpfarreien im Bereiche des französischen Rechts
gelten mit dem Ablauf von sechs Monaten nach .Verkündigung dieses Gesetzes
den Inhabern als dauernd verliehen" und selbst in der Fassung, in welcher
das Gesetz jetzt sich uns präsentirte, wonach dem Ober-Präsidenten der Rhein-
Provinz schon Mitte Mai dieses Jahres das discretionäre Befugniß ertheilt
war, die erwähnte Aufforderung an die Bischöfe von Köln und Trier zu
richten und im Weigerungsfalle die betr. Geldstrafen, für die Suceursal--
Pfarrer selbst aber Amtssperre eintreten zu lassen, hat man sich noch mit der
Ausführung des Gesetzes bis gegen das Ende des Jahres geduldet. Was
hatte diese Milde zur Folge? Das Gesetz und seine Organe wurden ihret¬
wegen verhöhnt in den clerikalen Schmutzblättern; man sagte, die Regierung
werde es wohl nicht wagen, auf diese Weise Tausende von alten Priestern
aus Amt und Nahrung zu setzen oder fühle sich zu schwach, dem Gesetze
seinen ordnungsmäßigen Verlauf zu lassen. Pah! Hohngelächter aus solch'
erbärmliche Gesetze, die selbst nicht wissen was sie wollen, deren Ausführung
selbst ihren berufenen Vertretern bange macht und trotz deren wir doch thun,
was wir wollen! Wie wird man sich wundern, wenn binnen Kurzem eben


Grnizdoten I. 1L7S. 24

wo merkwürdiger Weise die Vorschriften des preußischen Gesetzes mit denen des
canonischen Rechts übereinstimmen, dasselbe gänzlich ignoriren, oder es geradezu
auf den Kopf stellen. Man ist nämlich in klerikalen Blättern in der Unver¬
schämtheit so weit gegangen, zu behaupten, das kanonische Recht sei mit diesen
Succursalen völlig einverstanden,; ja eine Korrespondenz, welche neulich durch
sämmtliche Zeitungen dieser Farbe die Runde machte, fordert den Cultusminister
direct auf, sich doch einmal in dem canonischen Recht umzusehen; dann werde
er zugestehen müssen, „daß die Herren Bischöfe gar nicht in der Lage seien,
(sie!) die in Rede stehenden Stellen definitiv zu besetzen, selbst wenn sie sich
den Maigesetzen unterwerfen wollen." Das heißt doch den Teufel durch
Beelzebub austreiben. Wir unsrerseits glauben, daß der Dr. Falk in dem
canonischen Recht besser bewandert ist, als mancher glatzhäuptige, feiste Cano-
nicus. Wenn die Herren so argumentiren, dann mögen sie es uns nicht
verübeln, wenn wir, trotz des in seinen Folgen nicht blos auf politischem,
sondern auch leider auf bürgerlichem und gesellschaftlichen Gebiete für beide
Theile äußerst traurigen Conflictes, herzlich wünschen, daß das Gesetz mit
seiner ganzen Schärfe in diese Rotte Cora und Abiram hineinschlage, unbe¬
kümmert um die Thränen, die darob geweint, die Seufzer, die nicht erhört
und die Flüche, die hoffentlich dort oben auch nicht erhört werden.

Bekanntlich hatte man regierungsseitig die Absicht, mit diesen Succursal-
Pfarrern, meistens alten Herren, die nur ungern aus dem ihnen lieb gewor¬
denen Amte und Kreise scheiden dürften, äußerst gelinde und zart umzugehen.
Das zweite Alinea des § 19 lautete daher in seiner ursprünglichen Fassung
als Entwurf: „Die Suceursalpfarreien im Bereiche des französischen Rechts
gelten mit dem Ablauf von sechs Monaten nach .Verkündigung dieses Gesetzes
den Inhabern als dauernd verliehen" und selbst in der Fassung, in welcher
das Gesetz jetzt sich uns präsentirte, wonach dem Ober-Präsidenten der Rhein-
Provinz schon Mitte Mai dieses Jahres das discretionäre Befugniß ertheilt
war, die erwähnte Aufforderung an die Bischöfe von Köln und Trier zu
richten und im Weigerungsfalle die betr. Geldstrafen, für die Suceursal--
Pfarrer selbst aber Amtssperre eintreten zu lassen, hat man sich noch mit der
Ausführung des Gesetzes bis gegen das Ende des Jahres geduldet. Was
hatte diese Milde zur Folge? Das Gesetz und seine Organe wurden ihret¬
wegen verhöhnt in den clerikalen Schmutzblättern; man sagte, die Regierung
werde es wohl nicht wagen, auf diese Weise Tausende von alten Priestern
aus Amt und Nahrung zu setzen oder fühle sich zu schwach, dem Gesetze
seinen ordnungsmäßigen Verlauf zu lassen. Pah! Hohngelächter aus solch'
erbärmliche Gesetze, die selbst nicht wissen was sie wollen, deren Ausführung
selbst ihren berufenen Vertretern bange macht und trotz deren wir doch thun,
was wir wollen! Wie wird man sich wundern, wenn binnen Kurzem eben


Grnizdoten I. 1L7S. 24
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[0193] wo merkwürdiger Weise die Vorschriften des preußischen Gesetzes mit denen des canonischen Rechts übereinstimmen, dasselbe gänzlich ignoriren, oder es geradezu auf den Kopf stellen. Man ist nämlich in klerikalen Blättern in der Unver¬ schämtheit so weit gegangen, zu behaupten, das kanonische Recht sei mit diesen Succursalen völlig einverstanden,; ja eine Korrespondenz, welche neulich durch sämmtliche Zeitungen dieser Farbe die Runde machte, fordert den Cultusminister direct auf, sich doch einmal in dem canonischen Recht umzusehen; dann werde er zugestehen müssen, „daß die Herren Bischöfe gar nicht in der Lage seien, (sie!) die in Rede stehenden Stellen definitiv zu besetzen, selbst wenn sie sich den Maigesetzen unterwerfen wollen." Das heißt doch den Teufel durch Beelzebub austreiben. Wir unsrerseits glauben, daß der Dr. Falk in dem canonischen Recht besser bewandert ist, als mancher glatzhäuptige, feiste Cano- nicus. Wenn die Herren so argumentiren, dann mögen sie es uns nicht verübeln, wenn wir, trotz des in seinen Folgen nicht blos auf politischem, sondern auch leider auf bürgerlichem und gesellschaftlichen Gebiete für beide Theile äußerst traurigen Conflictes, herzlich wünschen, daß das Gesetz mit seiner ganzen Schärfe in diese Rotte Cora und Abiram hineinschlage, unbe¬ kümmert um die Thränen, die darob geweint, die Seufzer, die nicht erhört und die Flüche, die hoffentlich dort oben auch nicht erhört werden. Bekanntlich hatte man regierungsseitig die Absicht, mit diesen Succursal- Pfarrern, meistens alten Herren, die nur ungern aus dem ihnen lieb gewor¬ denen Amte und Kreise scheiden dürften, äußerst gelinde und zart umzugehen. Das zweite Alinea des § 19 lautete daher in seiner ursprünglichen Fassung als Entwurf: „Die Suceursalpfarreien im Bereiche des französischen Rechts gelten mit dem Ablauf von sechs Monaten nach .Verkündigung dieses Gesetzes den Inhabern als dauernd verliehen" und selbst in der Fassung, in welcher das Gesetz jetzt sich uns präsentirte, wonach dem Ober-Präsidenten der Rhein- Provinz schon Mitte Mai dieses Jahres das discretionäre Befugniß ertheilt war, die erwähnte Aufforderung an die Bischöfe von Köln und Trier zu richten und im Weigerungsfalle die betr. Geldstrafen, für die Suceursal-- Pfarrer selbst aber Amtssperre eintreten zu lassen, hat man sich noch mit der Ausführung des Gesetzes bis gegen das Ende des Jahres geduldet. Was hatte diese Milde zur Folge? Das Gesetz und seine Organe wurden ihret¬ wegen verhöhnt in den clerikalen Schmutzblättern; man sagte, die Regierung werde es wohl nicht wagen, auf diese Weise Tausende von alten Priestern aus Amt und Nahrung zu setzen oder fühle sich zu schwach, dem Gesetze seinen ordnungsmäßigen Verlauf zu lassen. Pah! Hohngelächter aus solch' erbärmliche Gesetze, die selbst nicht wissen was sie wollen, deren Ausführung selbst ihren berufenen Vertretern bange macht und trotz deren wir doch thun, was wir wollen! Wie wird man sich wundern, wenn binnen Kurzem eben Grnizdoten I. 1L7S. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/193>, abgerufen am 23.07.2024.