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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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der Centauren oder der Haupthaare an dem Satyr mit der Traube, der eben¬
falls eine durch viele Zuthaten gestörte Wiederholung einer älteren belebteren Figur
ist. Dazu kommt eine Vorliebe für bunten Marmor: der Satyr mit der
Traube ist von rothem, die Centauren sind von schwarzem Marmor; endlich
gar die gleichmäßige Verbindung von Marmor mit Bronce. Das ganze Ge¬
wand des Antinous-Braschi war von Bronce, während die Figur selbst von
Marmor ist.

Schwerlich wird jemand diese Neuerungen der Hadrianischen Kunst loben
wollen.

Die Anwendung buntfarbigen Marmors zur Wiedergabe des menschlichen
Körpers zeigt, wie sehr das Verständniß der Bedeutung des weißen etwas
durchsichtigen Marmors mit seinem lebensvollen warmen Ton für den mensch¬
lichen Körper abhanden gekommen war. Bei sonnenverbrannten gemeinen
Waldwesen, wie die Satyrn sind, und bei jenen wilden halbthierischen Cen¬
tauren kann man die Wahl des rothen und schwarzen Marmors allenfalls
erklären, aber immer bleibt es eine Abwendung von der Aufgabe der Kunst
die gemeine niedrige Natur zu veredeln, welche im weitern Verlauf zu den
allerstärksten Geschmacklosigkeiten, zu jenen buntfarbigen Alabasterstatuen führt,
wie sie das Zimmer der bunten Marini in Neapel und besonders der farne-
fische Apoll zeigt, jene Statue von violettem Marmor, dem am schwersten
zu bearbeitenden Porphyr, mit blendend weißem Kopf und Extremitäten, und
einem Lorbeerkranz von Bronce. -- Eine derartige Vermischung der Stoffe,
welche ihrem Wesen und ihrer Wirkung nach so disparat sind, wird niemand
mehr billigen wollen, als jene Ansätze zur Vermischung des Basiliken- und
Centralbaus.

Nehmen wir noch dazu, daß die Hadrianische Kunst consequenterweise in
Säulen wie Statuen auf Massenhaftigkeit und Colossalität der Di¬
mensionen bedacht war, so sind ihre Eigenthümlichkeiten erschöpft und nun¬
mehr der Standort gewonnen, von welchem erst ein freier und sichrer Um-
blick auf ihre Leistungen ermöglicht ist. Dieser Umblick kann unser Urtheil
nur bestätigen, daß die Kunst zur Zeit Hadrian's keine Originalschöpfungen
hervorgebracht, daß sie vielmehr nur als romantische Kunst auf die Ideale
der klassisch-griechischen Kunst zurückgegriffen und diese reproducirt hat, und
daß alle ihre selbständigen Neuerungen keine Verbesserungen dieser gewesen
sind, daß sie demnach keine andre Stellung einnimmt als die Romantik der
deutschen Kunst in diesem Jahrhundert.

Zum Schluß noch ein Wort der Erklärung, warum eine Renaissance
der griechischen Kunst jener Zeit nicht gelungen ist.

Hadrian selbst war kein Original-Genie: er war großartiger Di-


der Centauren oder der Haupthaare an dem Satyr mit der Traube, der eben¬
falls eine durch viele Zuthaten gestörte Wiederholung einer älteren belebteren Figur
ist. Dazu kommt eine Vorliebe für bunten Marmor: der Satyr mit der
Traube ist von rothem, die Centauren sind von schwarzem Marmor; endlich
gar die gleichmäßige Verbindung von Marmor mit Bronce. Das ganze Ge¬
wand des Antinous-Braschi war von Bronce, während die Figur selbst von
Marmor ist.

Schwerlich wird jemand diese Neuerungen der Hadrianischen Kunst loben
wollen.

Die Anwendung buntfarbigen Marmors zur Wiedergabe des menschlichen
Körpers zeigt, wie sehr das Verständniß der Bedeutung des weißen etwas
durchsichtigen Marmors mit seinem lebensvollen warmen Ton für den mensch¬
lichen Körper abhanden gekommen war. Bei sonnenverbrannten gemeinen
Waldwesen, wie die Satyrn sind, und bei jenen wilden halbthierischen Cen¬
tauren kann man die Wahl des rothen und schwarzen Marmors allenfalls
erklären, aber immer bleibt es eine Abwendung von der Aufgabe der Kunst
die gemeine niedrige Natur zu veredeln, welche im weitern Verlauf zu den
allerstärksten Geschmacklosigkeiten, zu jenen buntfarbigen Alabasterstatuen führt,
wie sie das Zimmer der bunten Marini in Neapel und besonders der farne-
fische Apoll zeigt, jene Statue von violettem Marmor, dem am schwersten
zu bearbeitenden Porphyr, mit blendend weißem Kopf und Extremitäten, und
einem Lorbeerkranz von Bronce. — Eine derartige Vermischung der Stoffe,
welche ihrem Wesen und ihrer Wirkung nach so disparat sind, wird niemand
mehr billigen wollen, als jene Ansätze zur Vermischung des Basiliken- und
Centralbaus.

Nehmen wir noch dazu, daß die Hadrianische Kunst consequenterweise in
Säulen wie Statuen auf Massenhaftigkeit und Colossalität der Di¬
mensionen bedacht war, so sind ihre Eigenthümlichkeiten erschöpft und nun¬
mehr der Standort gewonnen, von welchem erst ein freier und sichrer Um-
blick auf ihre Leistungen ermöglicht ist. Dieser Umblick kann unser Urtheil
nur bestätigen, daß die Kunst zur Zeit Hadrian's keine Originalschöpfungen
hervorgebracht, daß sie vielmehr nur als romantische Kunst auf die Ideale
der klassisch-griechischen Kunst zurückgegriffen und diese reproducirt hat, und
daß alle ihre selbständigen Neuerungen keine Verbesserungen dieser gewesen
sind, daß sie demnach keine andre Stellung einnimmt als die Romantik der
deutschen Kunst in diesem Jahrhundert.

Zum Schluß noch ein Wort der Erklärung, warum eine Renaissance
der griechischen Kunst jener Zeit nicht gelungen ist.

Hadrian selbst war kein Original-Genie: er war großartiger Di-


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[0182] der Centauren oder der Haupthaare an dem Satyr mit der Traube, der eben¬ falls eine durch viele Zuthaten gestörte Wiederholung einer älteren belebteren Figur ist. Dazu kommt eine Vorliebe für bunten Marmor: der Satyr mit der Traube ist von rothem, die Centauren sind von schwarzem Marmor; endlich gar die gleichmäßige Verbindung von Marmor mit Bronce. Das ganze Ge¬ wand des Antinous-Braschi war von Bronce, während die Figur selbst von Marmor ist. Schwerlich wird jemand diese Neuerungen der Hadrianischen Kunst loben wollen. Die Anwendung buntfarbigen Marmors zur Wiedergabe des menschlichen Körpers zeigt, wie sehr das Verständniß der Bedeutung des weißen etwas durchsichtigen Marmors mit seinem lebensvollen warmen Ton für den mensch¬ lichen Körper abhanden gekommen war. Bei sonnenverbrannten gemeinen Waldwesen, wie die Satyrn sind, und bei jenen wilden halbthierischen Cen¬ tauren kann man die Wahl des rothen und schwarzen Marmors allenfalls erklären, aber immer bleibt es eine Abwendung von der Aufgabe der Kunst die gemeine niedrige Natur zu veredeln, welche im weitern Verlauf zu den allerstärksten Geschmacklosigkeiten, zu jenen buntfarbigen Alabasterstatuen führt, wie sie das Zimmer der bunten Marini in Neapel und besonders der farne- fische Apoll zeigt, jene Statue von violettem Marmor, dem am schwersten zu bearbeitenden Porphyr, mit blendend weißem Kopf und Extremitäten, und einem Lorbeerkranz von Bronce. — Eine derartige Vermischung der Stoffe, welche ihrem Wesen und ihrer Wirkung nach so disparat sind, wird niemand mehr billigen wollen, als jene Ansätze zur Vermischung des Basiliken- und Centralbaus. Nehmen wir noch dazu, daß die Hadrianische Kunst consequenterweise in Säulen wie Statuen auf Massenhaftigkeit und Colossalität der Di¬ mensionen bedacht war, so sind ihre Eigenthümlichkeiten erschöpft und nun¬ mehr der Standort gewonnen, von welchem erst ein freier und sichrer Um- blick auf ihre Leistungen ermöglicht ist. Dieser Umblick kann unser Urtheil nur bestätigen, daß die Kunst zur Zeit Hadrian's keine Originalschöpfungen hervorgebracht, daß sie vielmehr nur als romantische Kunst auf die Ideale der klassisch-griechischen Kunst zurückgegriffen und diese reproducirt hat, und daß alle ihre selbständigen Neuerungen keine Verbesserungen dieser gewesen sind, daß sie demnach keine andre Stellung einnimmt als die Romantik der deutschen Kunst in diesem Jahrhundert. Zum Schluß noch ein Wort der Erklärung, warum eine Renaissance der griechischen Kunst jener Zeit nicht gelungen ist. Hadrian selbst war kein Original-Genie: er war großartiger Di-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/182>, abgerufen am 23.07.2024.