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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Die Bauten der Villa zu Tivoli find ausgesprochner Maßen Nachahmun¬
gen griechischer, wie die Akademie, das Lyceum, Prytaneum, Stoa Poikile,
speziell ätherischer oder, wie der Canopus, ägyptischer Bauwerke. Das Mau¬
soleum endlich hat sein Vorbild in dem Grabmal der Plantier an dem Wege
nach Tivoli aus dem Anfang der Kaiserzeit oder am Grabmal der Caecilia
Metella, der Gemahlin des reichen Crassus, an der appischen Straße aus dem
Ende der Republik, welches sogar einen ganz ähnlichen mit Stierschädeln ge¬
zierten Fries zeigt, wie ihn ältere Beschreibe! der Stadt Rom noch am Mau¬
soleum Hadrian's bemerkt haben.

Ueber die Malerei ist in aller Kürze dasselbe zu sagen. Wir hören
von keinem großen Maler -- Action, der Maler der Hochzeit Alexander's und
der Rhoxane, welchen man früher in die Zeit Hadrian's setzte, hat 6 Jahrhun¬
derte früher gelebt --, wir hören von keiner bedeutenden malerischen Schöpfung
aus dieser Zeit, und was uns erhalten ist, zeigt dieselbe Nachahmung wie
die Werke der Architektur : das Taubenmosaik ist nichts als die Copie. eines
Werks des berühmtesten aller Mosaicisten, des Sosos, eines Werks, welches
sich, wie das ihm gespendete Lob und die zahlreichen Wiederholungen beweisen,
zu allen Zeiten großer Beliebtheit erfreut hat, noch dazu die nicht ganz ge¬
lungne Copie jenes Werks: denn dasjenige, was am Original am meisten
die Bewunderung hervorrief, der Schlagschatten, welchen der Kopf der sich
tränkenden Taube auf die Oberfläche des Wassers geworfen hatte, wird hier
vergebens gesucht. Ebenso gehörten Scenen aus dem Leben der Centauren
besonders seit Zeuxis zu den beliebtesten Gegenständen der Malerei, und wird
auch das Centaurenmosaik nach einen älteren Vorbild gearbeitet sein.

Was endlich die Plastik betrifft, so ist auch bei ihr der Nachweis der
Unselbständigkeit nicht schwer geführt.

Der Typus der Artemis von Ephesus ist Jahrhunderte vor Hadrian
entstanden und zu allen Zeiten derselbe gewesen.

Die Niobide ist entlehnt der berühmten Komposition des Skopas; das
Original des sich formenden Satyr ist geschaffen von Praxiteles, das des
bogenspannenden Amor wahrscheinlich von Lystpp, das des lauschenden Mer¬
kur wahrscheinlich von einem Künstler einer dieser verwandten Schule, welcher
seinerseits das Motiv der Figur dem westlichen Friese des Parthenon ent¬
lehnte.

Die verwundete Amazone wird auf Polyklet oder Krestlas, die sich zum
Sprung rüstende vielleicht auf Phidias zurückgehen.

Die Nemesis zeigt einen Typus, der nur der classisch-attischen Kunst des
S.-Jahrhunderts v. Chr. entnommen sein kann, während die Entstehung des
Orginals der Wettläuferin um wenig früher in einer Schule des Peloponnes
zu suchen sein wird.


Die Bauten der Villa zu Tivoli find ausgesprochner Maßen Nachahmun¬
gen griechischer, wie die Akademie, das Lyceum, Prytaneum, Stoa Poikile,
speziell ätherischer oder, wie der Canopus, ägyptischer Bauwerke. Das Mau¬
soleum endlich hat sein Vorbild in dem Grabmal der Plantier an dem Wege
nach Tivoli aus dem Anfang der Kaiserzeit oder am Grabmal der Caecilia
Metella, der Gemahlin des reichen Crassus, an der appischen Straße aus dem
Ende der Republik, welches sogar einen ganz ähnlichen mit Stierschädeln ge¬
zierten Fries zeigt, wie ihn ältere Beschreibe! der Stadt Rom noch am Mau¬
soleum Hadrian's bemerkt haben.

Ueber die Malerei ist in aller Kürze dasselbe zu sagen. Wir hören
von keinem großen Maler — Action, der Maler der Hochzeit Alexander's und
der Rhoxane, welchen man früher in die Zeit Hadrian's setzte, hat 6 Jahrhun¬
derte früher gelebt —, wir hören von keiner bedeutenden malerischen Schöpfung
aus dieser Zeit, und was uns erhalten ist, zeigt dieselbe Nachahmung wie
die Werke der Architektur : das Taubenmosaik ist nichts als die Copie. eines
Werks des berühmtesten aller Mosaicisten, des Sosos, eines Werks, welches
sich, wie das ihm gespendete Lob und die zahlreichen Wiederholungen beweisen,
zu allen Zeiten großer Beliebtheit erfreut hat, noch dazu die nicht ganz ge¬
lungne Copie jenes Werks: denn dasjenige, was am Original am meisten
die Bewunderung hervorrief, der Schlagschatten, welchen der Kopf der sich
tränkenden Taube auf die Oberfläche des Wassers geworfen hatte, wird hier
vergebens gesucht. Ebenso gehörten Scenen aus dem Leben der Centauren
besonders seit Zeuxis zu den beliebtesten Gegenständen der Malerei, und wird
auch das Centaurenmosaik nach einen älteren Vorbild gearbeitet sein.

Was endlich die Plastik betrifft, so ist auch bei ihr der Nachweis der
Unselbständigkeit nicht schwer geführt.

Der Typus der Artemis von Ephesus ist Jahrhunderte vor Hadrian
entstanden und zu allen Zeiten derselbe gewesen.

Die Niobide ist entlehnt der berühmten Komposition des Skopas; das
Original des sich formenden Satyr ist geschaffen von Praxiteles, das des
bogenspannenden Amor wahrscheinlich von Lystpp, das des lauschenden Mer¬
kur wahrscheinlich von einem Künstler einer dieser verwandten Schule, welcher
seinerseits das Motiv der Figur dem westlichen Friese des Parthenon ent¬
lehnte.

Die verwundete Amazone wird auf Polyklet oder Krestlas, die sich zum
Sprung rüstende vielleicht auf Phidias zurückgehen.

Die Nemesis zeigt einen Typus, der nur der classisch-attischen Kunst des
S.-Jahrhunderts v. Chr. entnommen sein kann, während die Entstehung des
Orginals der Wettläuferin um wenig früher in einer Schule des Peloponnes
zu suchen sein wird.


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[0180] Die Bauten der Villa zu Tivoli find ausgesprochner Maßen Nachahmun¬ gen griechischer, wie die Akademie, das Lyceum, Prytaneum, Stoa Poikile, speziell ätherischer oder, wie der Canopus, ägyptischer Bauwerke. Das Mau¬ soleum endlich hat sein Vorbild in dem Grabmal der Plantier an dem Wege nach Tivoli aus dem Anfang der Kaiserzeit oder am Grabmal der Caecilia Metella, der Gemahlin des reichen Crassus, an der appischen Straße aus dem Ende der Republik, welches sogar einen ganz ähnlichen mit Stierschädeln ge¬ zierten Fries zeigt, wie ihn ältere Beschreibe! der Stadt Rom noch am Mau¬ soleum Hadrian's bemerkt haben. Ueber die Malerei ist in aller Kürze dasselbe zu sagen. Wir hören von keinem großen Maler — Action, der Maler der Hochzeit Alexander's und der Rhoxane, welchen man früher in die Zeit Hadrian's setzte, hat 6 Jahrhun¬ derte früher gelebt —, wir hören von keiner bedeutenden malerischen Schöpfung aus dieser Zeit, und was uns erhalten ist, zeigt dieselbe Nachahmung wie die Werke der Architektur : das Taubenmosaik ist nichts als die Copie. eines Werks des berühmtesten aller Mosaicisten, des Sosos, eines Werks, welches sich, wie das ihm gespendete Lob und die zahlreichen Wiederholungen beweisen, zu allen Zeiten großer Beliebtheit erfreut hat, noch dazu die nicht ganz ge¬ lungne Copie jenes Werks: denn dasjenige, was am Original am meisten die Bewunderung hervorrief, der Schlagschatten, welchen der Kopf der sich tränkenden Taube auf die Oberfläche des Wassers geworfen hatte, wird hier vergebens gesucht. Ebenso gehörten Scenen aus dem Leben der Centauren besonders seit Zeuxis zu den beliebtesten Gegenständen der Malerei, und wird auch das Centaurenmosaik nach einen älteren Vorbild gearbeitet sein. Was endlich die Plastik betrifft, so ist auch bei ihr der Nachweis der Unselbständigkeit nicht schwer geführt. Der Typus der Artemis von Ephesus ist Jahrhunderte vor Hadrian entstanden und zu allen Zeiten derselbe gewesen. Die Niobide ist entlehnt der berühmten Komposition des Skopas; das Original des sich formenden Satyr ist geschaffen von Praxiteles, das des bogenspannenden Amor wahrscheinlich von Lystpp, das des lauschenden Mer¬ kur wahrscheinlich von einem Künstler einer dieser verwandten Schule, welcher seinerseits das Motiv der Figur dem westlichen Friese des Parthenon ent¬ lehnte. Die verwundete Amazone wird auf Polyklet oder Krestlas, die sich zum Sprung rüstende vielleicht auf Phidias zurückgehen. Die Nemesis zeigt einen Typus, der nur der classisch-attischen Kunst des S.-Jahrhunderts v. Chr. entnommen sein kann, während die Entstehung des Orginals der Wettläuferin um wenig früher in einer Schule des Peloponnes zu suchen sein wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/180>, abgerufen am 23.07.2024.