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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Deutscherseits war man von Anfang an durchdrungen von' der Ueber¬
zeugung, die Franzosen würden die Bereinigung suchen mit der Armee von
Chalons. Von der obersten Heeresleitung bis zu den Avantgardenführern
herab war jeder Einzelne nur darauf bedacht, alle Kräfte einzusetzen, um jenes
Vorhaben zu hindern. Diese Ueberzeugung führte zu den Irrthümern am
Tage von Vionville-Mars la Tour; denn obgleich seit dem 18. August deutsche
Reiteret die südliche Straße von Metz auf Verdun überwachte, so war doch
der Feind noch immer im ungestörten Besitz der nördlichen Straße, und als
die Borgänge am 16. die Gewißheit gebracht von der Anwesenheit der feind¬
lichen Gesammtmacht in der Gegend von Gravelotte, so nahm man doch auch
am 17. August noch immer an, daß Bazaine es versuchen werde, den ihm
am vorigen Tage verlegten Weg gewaltsam zu öffnen.

Es war am Mittage des 17. August 1870, daß König Wilhelm be¬
schloß, am folgenden Tage mit gesammelter Kraft gegen die Franzosen vor¬
zurücken. Noch nahm man, wie gesagt, die Möglichkeit, ja die Wahrschein¬
lichkeit an, daß der Feind seinen durch die Schlacht bei Vionville unterbroche¬
nen Rückzug von Metz nach der Maas auf den nördlicher gelegenen Straßen
wieder angetreten habe, und die Front der deutschen Armee blieb daher vor¬
läufig nach Norden gerichtet. Traf sie beim Borrücken in dieser Himmels¬
gegend den Gegner im Abmärsche nach Westen, so galt es, ihn mit weitaus¬
holenden linken Flügel zum Halten und zum Schlagen zu bringen. Dann
war die strategische Lage sehr ungünstig für die Franzosen; denn sie kämpften
mit dem Rücken gegen die kaum zwei Märsche entfernte belo/"' Grenze.
War jedoch der Feind auf Metz zurückgegangen, so wurde es nothwendig,
mit der deutschen Armee gegen Osten einzuschwenken; auch dann also bedürfte
es eines Borsprunges des deutschen linken Flügels, eines Zurückhaltens des
rechten. -- Demgemäß ordnete General von Moltke an, daß die II. Armee
am 18. August früh 5 Uhr antreten und mit Staffeln vom linken Flügel
zwischen dem Yron und Gorzebach vorgehn solle. Auf dem rechten Flügel
der II. Armee sollte sich das 8. Corps dieser Bewegung anschließen, welche
gegen etwaige feindliche Unternehmungen von Metz her durch das 7. Corps
gesichert werden sollte.

Vergegenwärtigen wir uns zunächst die lokale Anordnung der
deutschen Heere am Abende des 17. August. -- Die Aufstellung der
II. Armee war in der Richtung von Westen nach Osten die folgende: -- Auf
dem äußersten linken Flügel lagerte bei Se. Jean les Buzy an der Straße
von Etain die sächsische Kavallerie-Division; südsüdöstlich davon bei Hannon-
ville an der Verduner Straße lag das preußische Garde-Corps. Oestlich dieses
Ortes folgen an derselben Straße die blutgetränkten Stätten von Mars-la-


Deutscherseits war man von Anfang an durchdrungen von' der Ueber¬
zeugung, die Franzosen würden die Bereinigung suchen mit der Armee von
Chalons. Von der obersten Heeresleitung bis zu den Avantgardenführern
herab war jeder Einzelne nur darauf bedacht, alle Kräfte einzusetzen, um jenes
Vorhaben zu hindern. Diese Ueberzeugung führte zu den Irrthümern am
Tage von Vionville-Mars la Tour; denn obgleich seit dem 18. August deutsche
Reiteret die südliche Straße von Metz auf Verdun überwachte, so war doch
der Feind noch immer im ungestörten Besitz der nördlichen Straße, und als
die Borgänge am 16. die Gewißheit gebracht von der Anwesenheit der feind¬
lichen Gesammtmacht in der Gegend von Gravelotte, so nahm man doch auch
am 17. August noch immer an, daß Bazaine es versuchen werde, den ihm
am vorigen Tage verlegten Weg gewaltsam zu öffnen.

Es war am Mittage des 17. August 1870, daß König Wilhelm be¬
schloß, am folgenden Tage mit gesammelter Kraft gegen die Franzosen vor¬
zurücken. Noch nahm man, wie gesagt, die Möglichkeit, ja die Wahrschein¬
lichkeit an, daß der Feind seinen durch die Schlacht bei Vionville unterbroche¬
nen Rückzug von Metz nach der Maas auf den nördlicher gelegenen Straßen
wieder angetreten habe, und die Front der deutschen Armee blieb daher vor¬
läufig nach Norden gerichtet. Traf sie beim Borrücken in dieser Himmels¬
gegend den Gegner im Abmärsche nach Westen, so galt es, ihn mit weitaus¬
holenden linken Flügel zum Halten und zum Schlagen zu bringen. Dann
war die strategische Lage sehr ungünstig für die Franzosen; denn sie kämpften
mit dem Rücken gegen die kaum zwei Märsche entfernte belo/"' Grenze.
War jedoch der Feind auf Metz zurückgegangen, so wurde es nothwendig,
mit der deutschen Armee gegen Osten einzuschwenken; auch dann also bedürfte
es eines Borsprunges des deutschen linken Flügels, eines Zurückhaltens des
rechten. — Demgemäß ordnete General von Moltke an, daß die II. Armee
am 18. August früh 5 Uhr antreten und mit Staffeln vom linken Flügel
zwischen dem Yron und Gorzebach vorgehn solle. Auf dem rechten Flügel
der II. Armee sollte sich das 8. Corps dieser Bewegung anschließen, welche
gegen etwaige feindliche Unternehmungen von Metz her durch das 7. Corps
gesichert werden sollte.

Vergegenwärtigen wir uns zunächst die lokale Anordnung der
deutschen Heere am Abende des 17. August. — Die Aufstellung der
II. Armee war in der Richtung von Westen nach Osten die folgende: — Auf
dem äußersten linken Flügel lagerte bei Se. Jean les Buzy an der Straße
von Etain die sächsische Kavallerie-Division; südsüdöstlich davon bei Hannon-
ville an der Verduner Straße lag das preußische Garde-Corps. Oestlich dieses
Ortes folgen an derselben Straße die blutgetränkten Stätten von Mars-la-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/16>, abgerufen am 23.07.2024.