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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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tenter katholischer Priester aus ihrem Sprengel Ernst gemacht wurde. Die
ungesetzliche Ausübung des Priesteramtes durch diese abgesetzten Eindringlinge
bezeichnete die Jesuitenpresse dem fanatisirten Haufen als heilige Glaubens¬
treue, das rächende Eingreifen des Staates als gemeine Tempelschändung!
Wahrlich, wo solche Verdrehung der Wahrheit und Gesetze gewagt, geglaubt
und vom Wolke begünstigt wird, wo sie Monate und Jahre lang andauert,
trotz aller immer energischeren Anstrengungen des Staates, ihrer Herr zu
werden -- da ist vom inneren Frieden in der Hauptsache noch keine Rede.
Sicher ist, daß Fürst Bismarck, als er dem Jahr 1874 jenes Zeugniß hervor¬
ragender Friedlichkeit ausstellte, ausdrücklich nur von den Beziehungen
Deutschlands zu seinen Nachbarn sprach, und daß er selbst im weiteren Ver-
laufe seiner Rede die Gefahren für die öffentliche Moral und den deutschen
Staat, welche der ultramontane Feldzug gegen das deutsche Reich mit sich
führt, so klar und furchtbar veranschaulichte, als irgend Jemand vor ihm.
Die feierliche Stunde des Jahreswechsels ist besonders berufen, uns Allen
den ganzen Ernst der Thatsache einzuprägen: daß Deutschland nicht eher
Frieden findet, bis der große Kulturkampf, in dem wir mitten inne stehen,
zu Gunsten der deutschen Staatsgewalt ausgekämpft, daß es Pflicht jedes
deutschen Patrioten ist, das Ende dieses Kampfes sobald als nur möglich
herbeizuführen. --

Es wäre sehr kurzsichtig, wollte man leugnen, daß jeder der diploma¬
tischen Erfolge, welche der geniale Leiter der deutschen Politik auch im ver¬
gangenen Jahre aufzuweisen hat, werthvolle neue Bürgschaften geliefert hat
für die Beschleunigung und Sicherung unseres endlichen Sieges über die strei¬
tende römische Kirche. Dieser unvergleichlichen Staatskunst verdanken wir vor
allem die völlige Jsolirung der ultramontanen Kriegsmacht in Deutschland
von allen auswärtigen Feinden des Reiches. Niemals haben wenige Tage so
viel und Bedeutendes zum Ruhme dieser Staatskunst beigetragen, als die Ge¬
richtsverhandlungen im Proceß Arnim. Die Veröffentlichungen, mit denen
die höchstgestellten Feinde des Kanzlers ihn zu verderben dachten, legen Zeug¬
niß ab für die beispiellose Ueberlegenheit seiner Einsicht, für die bewunderungs¬
würdige Ehrlichkeit und Einfachheit seiner Politik. Wir fragen uns bang,
was aus dem Reiche geworden wäre, wenn der Kanzler den mächtigen In¬
triganten, die bis in die jüngsten Tage hinein mit Arnim ihr heilloses heim¬
liches Spiel gegen den Fürsten trieben, mißmuthig gewichen, und.die Leitung
der deutschen Geschicke jener eiteln täppischen Unfähigkeit des Nebenbuhlers
überlassen hätte, die aus allem Thun des bestraften Botschafters so komisch
hervorschaut. Und dieser Proceß hat nur die deutsche Politik Frankreich gegen¬
über enthüllt. Die kirchenpolitischen Depeschen sind, soweit Arnim sie nicht
bereit? früher verrathen hatte, Geheimniß geblieben. Aber in den jüngsten


tenter katholischer Priester aus ihrem Sprengel Ernst gemacht wurde. Die
ungesetzliche Ausübung des Priesteramtes durch diese abgesetzten Eindringlinge
bezeichnete die Jesuitenpresse dem fanatisirten Haufen als heilige Glaubens¬
treue, das rächende Eingreifen des Staates als gemeine Tempelschändung!
Wahrlich, wo solche Verdrehung der Wahrheit und Gesetze gewagt, geglaubt
und vom Wolke begünstigt wird, wo sie Monate und Jahre lang andauert,
trotz aller immer energischeren Anstrengungen des Staates, ihrer Herr zu
werden — da ist vom inneren Frieden in der Hauptsache noch keine Rede.
Sicher ist, daß Fürst Bismarck, als er dem Jahr 1874 jenes Zeugniß hervor¬
ragender Friedlichkeit ausstellte, ausdrücklich nur von den Beziehungen
Deutschlands zu seinen Nachbarn sprach, und daß er selbst im weiteren Ver-
laufe seiner Rede die Gefahren für die öffentliche Moral und den deutschen
Staat, welche der ultramontane Feldzug gegen das deutsche Reich mit sich
führt, so klar und furchtbar veranschaulichte, als irgend Jemand vor ihm.
Die feierliche Stunde des Jahreswechsels ist besonders berufen, uns Allen
den ganzen Ernst der Thatsache einzuprägen: daß Deutschland nicht eher
Frieden findet, bis der große Kulturkampf, in dem wir mitten inne stehen,
zu Gunsten der deutschen Staatsgewalt ausgekämpft, daß es Pflicht jedes
deutschen Patrioten ist, das Ende dieses Kampfes sobald als nur möglich
herbeizuführen. —

Es wäre sehr kurzsichtig, wollte man leugnen, daß jeder der diploma¬
tischen Erfolge, welche der geniale Leiter der deutschen Politik auch im ver¬
gangenen Jahre aufzuweisen hat, werthvolle neue Bürgschaften geliefert hat
für die Beschleunigung und Sicherung unseres endlichen Sieges über die strei¬
tende römische Kirche. Dieser unvergleichlichen Staatskunst verdanken wir vor
allem die völlige Jsolirung der ultramontanen Kriegsmacht in Deutschland
von allen auswärtigen Feinden des Reiches. Niemals haben wenige Tage so
viel und Bedeutendes zum Ruhme dieser Staatskunst beigetragen, als die Ge¬
richtsverhandlungen im Proceß Arnim. Die Veröffentlichungen, mit denen
die höchstgestellten Feinde des Kanzlers ihn zu verderben dachten, legen Zeug¬
niß ab für die beispiellose Ueberlegenheit seiner Einsicht, für die bewunderungs¬
würdige Ehrlichkeit und Einfachheit seiner Politik. Wir fragen uns bang,
was aus dem Reiche geworden wäre, wenn der Kanzler den mächtigen In¬
triganten, die bis in die jüngsten Tage hinein mit Arnim ihr heilloses heim¬
liches Spiel gegen den Fürsten trieben, mißmuthig gewichen, und.die Leitung
der deutschen Geschicke jener eiteln täppischen Unfähigkeit des Nebenbuhlers
überlassen hätte, die aus allem Thun des bestraften Botschafters so komisch
hervorschaut. Und dieser Proceß hat nur die deutsche Politik Frankreich gegen¬
über enthüllt. Die kirchenpolitischen Depeschen sind, soweit Arnim sie nicht
bereit? früher verrathen hatte, Geheimniß geblieben. Aber in den jüngsten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/10>, abgerufen am 01.07.2024.