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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Besitz von ausgedehnten Ländereien, und wenn dieselben auch die erste Anlage
sehr erheblich vertheuern, so kann die Stadt doch die dadurch erlangten sehr
werthvollen Bauplätze, deren Werth natürlich durch die Straßenanlage wesent¬
lich gestiegen ist, vortheilhaft verkaufen oder verpachten. Letzteres ist das
häufigere und zwar erfolgt die Ausnutzung des Grund und Bodens in fol¬
gender Weise. Irgend welcher Bauunternehmer pachtet den Platz von der
Stadt gegen die Verpflichtung ein Haus darauf zu bauen auf 99 Jahre.
Nach Ablauf dieser Zeit muß der Platz wieder der Stadt zurückgegeben werden
und alle etwa darauf befindlichen Gebäude entfallen dann auch der Gemeinde.
Der Bauunternehmer gelangt so in den Besitz eines Hauses, das ihm eigen¬
thümlich gehört, ohne daß der Grund auf dem es steht, sein Eigenthum ist,
er verpachtet oder verkauft wohl auch sein Haus an dritte Personen, aber
immer fällt Alles nach Ablauf der genannten Frist an die Eigenthümerin
des Bauplatzes zurück. Diese Art der Verwerthung der miterworbenen Par¬
zellen oder ganzen Grundstücke ist die Regel, vollständiger Verkauf selten,
weil beide Theile ihn nicht wünschen und niemals führt die Stadt als eigene
Unternehmerin auf ihren Grundstücken Häuser aus.

Auf diese Weise sind in den letzten Jahren in der City die großen
schönen Straßenanlagen am Holborn-Viaduct entstanden, der selbst auch eine
großartige städtische Schöpfung ist und dazu dient, die so verkehrsreiche
Skinner Street mit dem High Holborn über die nicht minder belebte Farring-
don Street hinweg zu verbinden, während früher dort Wagen und Fußgänger
einen geradezu gefährlichen Thalübergang zu passiren hatten.

So ist die schöne Queen Victoria Street im belebtesten Theile der un¬
ermeßlichen Stadt zwischen der Bank und dem neuen Thamesembankmcnt
theilweise noch im Entstehen begriffen und so wird jetzt wieder eine neue
große Straße zwischen Charing Croß und der Themse durchgelegt, durch
welche sogar das berühmte Palais des Herzogs von Nord'humberland mit
seinen Prachtgemächern, seinem Kamin aus massivem Silber und seinen werth¬
vollen Kunstsammlungen den alles verschlingenden Verkehrserleichterungen
weichen muß.

Es ist so in England schon seit einer Reihe von Jahrzehnten ganz von
selbst das erreicht, was so lange in Berlin von vielen Kreisen vergebens an¬
gestrebt wurde, daß nämlich die Stadt bei neuen Straßenanlagm durch alte
Stadttheile soviel Grundstücke durch Expropriationsrecht mit erwerben könne,
daß sie dadurch in den Stand gesetzt sei, sich durch spätere Veräußerung der
mit erworbenen und in zweckmäßigster Weise neu parzellirten Bauplätze für
den augenblicklichen bedeutenden Kostenaufwand wenigstens einigermaßen zu
entschädigen; d. h. daß sie dieselben Vortheile genießen möge, welche Privat¬
gesellschaften durch den freihändigen Ankauf ganzer Grundstückcomplere, der


Besitz von ausgedehnten Ländereien, und wenn dieselben auch die erste Anlage
sehr erheblich vertheuern, so kann die Stadt doch die dadurch erlangten sehr
werthvollen Bauplätze, deren Werth natürlich durch die Straßenanlage wesent¬
lich gestiegen ist, vortheilhaft verkaufen oder verpachten. Letzteres ist das
häufigere und zwar erfolgt die Ausnutzung des Grund und Bodens in fol¬
gender Weise. Irgend welcher Bauunternehmer pachtet den Platz von der
Stadt gegen die Verpflichtung ein Haus darauf zu bauen auf 99 Jahre.
Nach Ablauf dieser Zeit muß der Platz wieder der Stadt zurückgegeben werden
und alle etwa darauf befindlichen Gebäude entfallen dann auch der Gemeinde.
Der Bauunternehmer gelangt so in den Besitz eines Hauses, das ihm eigen¬
thümlich gehört, ohne daß der Grund auf dem es steht, sein Eigenthum ist,
er verpachtet oder verkauft wohl auch sein Haus an dritte Personen, aber
immer fällt Alles nach Ablauf der genannten Frist an die Eigenthümerin
des Bauplatzes zurück. Diese Art der Verwerthung der miterworbenen Par¬
zellen oder ganzen Grundstücke ist die Regel, vollständiger Verkauf selten,
weil beide Theile ihn nicht wünschen und niemals führt die Stadt als eigene
Unternehmerin auf ihren Grundstücken Häuser aus.

Auf diese Weise sind in den letzten Jahren in der City die großen
schönen Straßenanlagen am Holborn-Viaduct entstanden, der selbst auch eine
großartige städtische Schöpfung ist und dazu dient, die so verkehrsreiche
Skinner Street mit dem High Holborn über die nicht minder belebte Farring-
don Street hinweg zu verbinden, während früher dort Wagen und Fußgänger
einen geradezu gefährlichen Thalübergang zu passiren hatten.

So ist die schöne Queen Victoria Street im belebtesten Theile der un¬
ermeßlichen Stadt zwischen der Bank und dem neuen Thamesembankmcnt
theilweise noch im Entstehen begriffen und so wird jetzt wieder eine neue
große Straße zwischen Charing Croß und der Themse durchgelegt, durch
welche sogar das berühmte Palais des Herzogs von Nord'humberland mit
seinen Prachtgemächern, seinem Kamin aus massivem Silber und seinen werth¬
vollen Kunstsammlungen den alles verschlingenden Verkehrserleichterungen
weichen muß.

Es ist so in England schon seit einer Reihe von Jahrzehnten ganz von
selbst das erreicht, was so lange in Berlin von vielen Kreisen vergebens an¬
gestrebt wurde, daß nämlich die Stadt bei neuen Straßenanlagm durch alte
Stadttheile soviel Grundstücke durch Expropriationsrecht mit erwerben könne,
daß sie dadurch in den Stand gesetzt sei, sich durch spätere Veräußerung der
mit erworbenen und in zweckmäßigster Weise neu parzellirten Bauplätze für
den augenblicklichen bedeutenden Kostenaufwand wenigstens einigermaßen zu
entschädigen; d. h. daß sie dieselben Vortheile genießen möge, welche Privat¬
gesellschaften durch den freihändigen Ankauf ganzer Grundstückcomplere, der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/497>, abgerufen am 27.07.2024.