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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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bedeutsamer Weise verkündet die erste Thronrede die innige Freundschaft mit
Preußen als die Hoffnung der zukünftigen Politik der italienischen Regierung,
und fast einstimmig wird vom Parlament das Königreich Italien und
Victor Emanuel als "König von Italien" ausgerufen. Wie an diesem Tage
Cavour beim Heraustreten aus dem Parlamentsgebäude von Alessandro
Manzoni umarmt wurde, und das zu Tausenden versammelte Volk stürmischen
Beifall klatschte, als es den Begründer seiner politischen Einheit in den
Armen des edelsten Vertreters der literarischen Einheit Italiens liegen sah,
da mochte jeder Zuschauer in der Begeisterung der bedeutsamen Stunde das
große Werk des Staatsmannes für erfüllt halten. Indessen für ihn begann
nun erst der Gipfel der Schwierigkeiten sich zu zeigen: Venedig und Rom,
die Stellung zu Frankreich und Deutschland, zu den radicalen Drängern im
Innern, das Verhältniß der Kirche zum Staate --- Alles das forderte von
Tag zu Tag immer lauter und dringlicher seine Lösung. Es ist nun ein be¬
sonderer -- oben schon von Holtzendorff betonter -- Vorzug der Massari'schen
Biographie, daß er alle diese Dissonanzen wohl kräftig erklingen läßt, wie sie
ja auch Cavour's letzte Lebensmonde erfüllten, aber daß er dagegen auch auf¬
zeigt, wie dem unermüdlichen Vorkämpfer seines Volkes das seltene Geschick
beschieden war, versöhnt mit allen Gegnern seines Strebens zu sterben. So
endete jene denkwürdige Zusammenkunft Cavour's mit Garibaldi, die nach
dem furchtbaren Aneinandertreffen beider Männer im offenen Parlament vom
Könige gewünscht wurde, aber kaum möglich erschien, mit einer feierlichen
Billigung des politischen Programms Cavour's im Verhalten gegen Oesterreich
und Frankreich durch Garibaldi. Die Männer schieden. wenn nicht als
Freunde, doch ohne jegliche Gereiztheit. So glückte Cavour noch in den
letzten Tagen seines Lebens, die Verhandlungen mit Paris und Rom dem
Abschlüsse nahe zu führen: Napoleon wollte das Königreich Italien an¬
erkennen und sich verpflichten, die Truppen aus dem Kirchenstaat zurück¬
zurufen, wenn dagegen die italienische Regierung eine Gewähr geben
würde, daß sie keinen Angriff duldete und die Grenze streng bewachte.
Die Zusage dieser Bedingung Seiten Cavour's enthielt eines seiner letzten
Telegramme nach Paris, mit dem Datum vom 31. Mai 1861. Den
Rest der Schwierigkeiten dachte er mit der Zauberformel zu ebnen: "die
freie Kirche im freien Staate." Das war der letzte Gedanke, den der Ster¬
bende aussprach, der ihm das Sterben im Frieden mit seiner Kirche, deren
letzte Gnadenmittel ihm der eigene Bruder spendete, ermöglichte. So breitet
sich über all seine letzten Handlungen die Verklärung des Friedens, der Ver¬
söhnung. Am 6. Juni 1861 früh Uhr verschied er.
'

Möge die Verdeutschung der Biographie Massaris in Deutschland recht
viele, recht aufmerksame Leser finden. Denn wenn der Politiker und Staats-
man Cavour vielleicht auch noch kunstvoller dargestellt und charakterisier wer¬
den kann -- den Menschen Cavour wird niemand pietätvoller und anschaulicher
jemals uns schildern können ^ , als das Werk Joseph Massari's.




Mit diesem Hefte beginnt diese Zeitschrift ein neues Vuarral,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter des In- und Aus¬
landes zu beziehen ist.
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, im October 1874 Die Werlagshandlung.




Verantwortlicher Redakteur: or. Hans Blum.
Verloa, von A. L. Herbig. -- Druck von Hiithel Segler in Leipzig.

bedeutsamer Weise verkündet die erste Thronrede die innige Freundschaft mit
Preußen als die Hoffnung der zukünftigen Politik der italienischen Regierung,
und fast einstimmig wird vom Parlament das Königreich Italien und
Victor Emanuel als „König von Italien" ausgerufen. Wie an diesem Tage
Cavour beim Heraustreten aus dem Parlamentsgebäude von Alessandro
Manzoni umarmt wurde, und das zu Tausenden versammelte Volk stürmischen
Beifall klatschte, als es den Begründer seiner politischen Einheit in den
Armen des edelsten Vertreters der literarischen Einheit Italiens liegen sah,
da mochte jeder Zuschauer in der Begeisterung der bedeutsamen Stunde das
große Werk des Staatsmannes für erfüllt halten. Indessen für ihn begann
nun erst der Gipfel der Schwierigkeiten sich zu zeigen: Venedig und Rom,
die Stellung zu Frankreich und Deutschland, zu den radicalen Drängern im
Innern, das Verhältniß der Kirche zum Staate —- Alles das forderte von
Tag zu Tag immer lauter und dringlicher seine Lösung. Es ist nun ein be¬
sonderer — oben schon von Holtzendorff betonter — Vorzug der Massari'schen
Biographie, daß er alle diese Dissonanzen wohl kräftig erklingen läßt, wie sie
ja auch Cavour's letzte Lebensmonde erfüllten, aber daß er dagegen auch auf¬
zeigt, wie dem unermüdlichen Vorkämpfer seines Volkes das seltene Geschick
beschieden war, versöhnt mit allen Gegnern seines Strebens zu sterben. So
endete jene denkwürdige Zusammenkunft Cavour's mit Garibaldi, die nach
dem furchtbaren Aneinandertreffen beider Männer im offenen Parlament vom
Könige gewünscht wurde, aber kaum möglich erschien, mit einer feierlichen
Billigung des politischen Programms Cavour's im Verhalten gegen Oesterreich
und Frankreich durch Garibaldi. Die Männer schieden. wenn nicht als
Freunde, doch ohne jegliche Gereiztheit. So glückte Cavour noch in den
letzten Tagen seines Lebens, die Verhandlungen mit Paris und Rom dem
Abschlüsse nahe zu führen: Napoleon wollte das Königreich Italien an¬
erkennen und sich verpflichten, die Truppen aus dem Kirchenstaat zurück¬
zurufen, wenn dagegen die italienische Regierung eine Gewähr geben
würde, daß sie keinen Angriff duldete und die Grenze streng bewachte.
Die Zusage dieser Bedingung Seiten Cavour's enthielt eines seiner letzten
Telegramme nach Paris, mit dem Datum vom 31. Mai 1861. Den
Rest der Schwierigkeiten dachte er mit der Zauberformel zu ebnen: „die
freie Kirche im freien Staate." Das war der letzte Gedanke, den der Ster¬
bende aussprach, der ihm das Sterben im Frieden mit seiner Kirche, deren
letzte Gnadenmittel ihm der eigene Bruder spendete, ermöglichte. So breitet
sich über all seine letzten Handlungen die Verklärung des Friedens, der Ver¬
söhnung. Am 6. Juni 1861 früh Uhr verschied er.
'

Möge die Verdeutschung der Biographie Massaris in Deutschland recht
viele, recht aufmerksame Leser finden. Denn wenn der Politiker und Staats-
man Cavour vielleicht auch noch kunstvoller dargestellt und charakterisier wer¬
den kann — den Menschen Cavour wird niemand pietätvoller und anschaulicher
jemals uns schildern können ^ , als das Werk Joseph Massari's.




Mit diesem Hefte beginnt diese Zeitschrift ein neues Vuarral,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter des In- und Aus¬
landes zu beziehen ist.
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, im October 1874 Die Werlagshandlung.




Verantwortlicher Redakteur: or. Hans Blum.
Verloa, von A. L. Herbig. — Druck von Hiithel Segler in Leipzig.
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[0044] bedeutsamer Weise verkündet die erste Thronrede die innige Freundschaft mit Preußen als die Hoffnung der zukünftigen Politik der italienischen Regierung, und fast einstimmig wird vom Parlament das Königreich Italien und Victor Emanuel als „König von Italien" ausgerufen. Wie an diesem Tage Cavour beim Heraustreten aus dem Parlamentsgebäude von Alessandro Manzoni umarmt wurde, und das zu Tausenden versammelte Volk stürmischen Beifall klatschte, als es den Begründer seiner politischen Einheit in den Armen des edelsten Vertreters der literarischen Einheit Italiens liegen sah, da mochte jeder Zuschauer in der Begeisterung der bedeutsamen Stunde das große Werk des Staatsmannes für erfüllt halten. Indessen für ihn begann nun erst der Gipfel der Schwierigkeiten sich zu zeigen: Venedig und Rom, die Stellung zu Frankreich und Deutschland, zu den radicalen Drängern im Innern, das Verhältniß der Kirche zum Staate —- Alles das forderte von Tag zu Tag immer lauter und dringlicher seine Lösung. Es ist nun ein be¬ sonderer — oben schon von Holtzendorff betonter — Vorzug der Massari'schen Biographie, daß er alle diese Dissonanzen wohl kräftig erklingen läßt, wie sie ja auch Cavour's letzte Lebensmonde erfüllten, aber daß er dagegen auch auf¬ zeigt, wie dem unermüdlichen Vorkämpfer seines Volkes das seltene Geschick beschieden war, versöhnt mit allen Gegnern seines Strebens zu sterben. So endete jene denkwürdige Zusammenkunft Cavour's mit Garibaldi, die nach dem furchtbaren Aneinandertreffen beider Männer im offenen Parlament vom Könige gewünscht wurde, aber kaum möglich erschien, mit einer feierlichen Billigung des politischen Programms Cavour's im Verhalten gegen Oesterreich und Frankreich durch Garibaldi. Die Männer schieden. wenn nicht als Freunde, doch ohne jegliche Gereiztheit. So glückte Cavour noch in den letzten Tagen seines Lebens, die Verhandlungen mit Paris und Rom dem Abschlüsse nahe zu führen: Napoleon wollte das Königreich Italien an¬ erkennen und sich verpflichten, die Truppen aus dem Kirchenstaat zurück¬ zurufen, wenn dagegen die italienische Regierung eine Gewähr geben würde, daß sie keinen Angriff duldete und die Grenze streng bewachte. Die Zusage dieser Bedingung Seiten Cavour's enthielt eines seiner letzten Telegramme nach Paris, mit dem Datum vom 31. Mai 1861. Den Rest der Schwierigkeiten dachte er mit der Zauberformel zu ebnen: „die freie Kirche im freien Staate." Das war der letzte Gedanke, den der Ster¬ bende aussprach, der ihm das Sterben im Frieden mit seiner Kirche, deren letzte Gnadenmittel ihm der eigene Bruder spendete, ermöglichte. So breitet sich über all seine letzten Handlungen die Verklärung des Friedens, der Ver¬ söhnung. Am 6. Juni 1861 früh Uhr verschied er. ' Möge die Verdeutschung der Biographie Massaris in Deutschland recht viele, recht aufmerksame Leser finden. Denn wenn der Politiker und Staats- man Cavour vielleicht auch noch kunstvoller dargestellt und charakterisier wer¬ den kann — den Menschen Cavour wird niemand pietätvoller und anschaulicher jemals uns schildern können ^ , als das Werk Joseph Massari's. Mit diesem Hefte beginnt diese Zeitschrift ein neues Vuarral, welches durch alle Buchhandlungen und Postämter des In- und Aus¬ landes zu beziehen ist. Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften, Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung derselben freundlichst gebeten. Leipzig, im October 1874 Die Werlagshandlung. Verantwortlicher Redakteur: or. Hans Blum. Verloa, von A. L. Herbig. — Druck von Hiithel Segler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/44>, abgerufen am 28.12.2024.