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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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besten. Es ist ein Wort, des Fürsten Bismarck würdig, welches damals halb¬
amtlich geschrieben wurde: "wer einen großen Kampf auf sich genommen hat.
darf sich während desselben nicht in heterogene Händel einlassen." Wenn eine
Cardinalfrage, wie die Sicherstellung des deutschen Heeres, aufgeschoben werden
mußte, um die Organe des Reiches im Kampfe mit Rom nicht der G^se-Hr
einer Spaltung auszusetzen, so durfte noch vielmehr die beste Construction des
Gerichts, so wichtig der Zweck ist. Aufschub erleiden. Wenn die deutsche
Staatsleitung riskirte, das Schwert nach Außen einstweilen minder dauerhaft
zu schmieden, als sie für nothwendig erkannte, so durfte sie auch das Schwert
nach Innen -- um das Gericht einmal mit einem bei unsern überrheinischen
Nachbarn beliebten Vergleich zu bezeichnen -- zu demselben Zweck minder
vollkommen schmieden. Eine weise Staatskunst hat sich unter anderem auch
zu zeigen in der Schonung der Vorurtheile ihres Volkes bei der rechten Ge¬
legenheit. Man erzählt, was vollkommen glaubwürdig ist, der Fürst Bismarck
habe einem bekannten national gesinnten Abgeordneten aus Baiern schon im
vorigen Jahre die Versicherung gegeben: "obgleich er, der Kanzler, für die
Schöffengerichte sei, so werde er doch aus dieser Einrichtung niemals eine
politische Frage machen." Nach dieser Aeußerung konnte man erwarten, es
werde das Schöffengericht in der Gestalt, die ihm das preußische Justiz¬
ministerium geben wollte, wenigstens zur Discussion vor den Reichstag kommen.
Die Anhänger der Schöffengerichte durften, wenn nicht auf den Gewinn der
Majorität für ihre Ueberzeugung, doch auf die erschöpfende Darlegung der¬
selben in Rede und Gegenrede der berufensten Sachverständigen vor dem
deutschen Volke rechnen. Es scheint aber, daß die süddeutschen Enthusiasten
des Schwurgerichts ihre geliebte Institution nicht einmal dem Feuer einer
öffentlichen Discussion im Reichstag, die eine viel eingreifendere Bedeutung
hat als jede andere, unterworfen sehen wollten. Die Schöffen wurden bereits
im Justizausschuß des Bundesraths geopfert, d. h. als consequente Gestalt
des Laienelementes in der Strafrechtspflege. Ganz ausgeschlossen hat man
sie nicht. Der Entwurf der Strafprozeßordnung und der Gerichtsverfassung
in den hier einschlagenden Bestimmungen, wie ihn der Bundesrath nunmehr
vorgelegt, hat aber durch die ungleichartige Gestalt des Laienelementes nichts
weniger als gewonnen. Es ist nicht bloß die äußere Symmetrie zu vermissen,
wenn wir als Strafgericht unterster Ordnung den Einzelrichter mit Schöffen,
als Strafgericht mittlerer Ordnung das reine Richtercollegium, und als Straf¬
gericht höchster Ordnung den Schwurgerichtshof vorgeschlagen sehen. Die
drei Gerichtsformen sind vielmehr ihrem Wesen nach so ungleichartig, daß die
Seele der Rechtspflege, die Einheit, welche sie belebt, dabei nicht bestehen
kann. Man kann sehr versucht sein, die Gerichtsverfassung lieber auf dem
reinen gelehrten Richterthum aufzubauen und den schwerfälligen Apparat des


besten. Es ist ein Wort, des Fürsten Bismarck würdig, welches damals halb¬
amtlich geschrieben wurde: „wer einen großen Kampf auf sich genommen hat.
darf sich während desselben nicht in heterogene Händel einlassen." Wenn eine
Cardinalfrage, wie die Sicherstellung des deutschen Heeres, aufgeschoben werden
mußte, um die Organe des Reiches im Kampfe mit Rom nicht der G^se-Hr
einer Spaltung auszusetzen, so durfte noch vielmehr die beste Construction des
Gerichts, so wichtig der Zweck ist. Aufschub erleiden. Wenn die deutsche
Staatsleitung riskirte, das Schwert nach Außen einstweilen minder dauerhaft
zu schmieden, als sie für nothwendig erkannte, so durfte sie auch das Schwert
nach Innen — um das Gericht einmal mit einem bei unsern überrheinischen
Nachbarn beliebten Vergleich zu bezeichnen — zu demselben Zweck minder
vollkommen schmieden. Eine weise Staatskunst hat sich unter anderem auch
zu zeigen in der Schonung der Vorurtheile ihres Volkes bei der rechten Ge¬
legenheit. Man erzählt, was vollkommen glaubwürdig ist, der Fürst Bismarck
habe einem bekannten national gesinnten Abgeordneten aus Baiern schon im
vorigen Jahre die Versicherung gegeben: „obgleich er, der Kanzler, für die
Schöffengerichte sei, so werde er doch aus dieser Einrichtung niemals eine
politische Frage machen." Nach dieser Aeußerung konnte man erwarten, es
werde das Schöffengericht in der Gestalt, die ihm das preußische Justiz¬
ministerium geben wollte, wenigstens zur Discussion vor den Reichstag kommen.
Die Anhänger der Schöffengerichte durften, wenn nicht auf den Gewinn der
Majorität für ihre Ueberzeugung, doch auf die erschöpfende Darlegung der¬
selben in Rede und Gegenrede der berufensten Sachverständigen vor dem
deutschen Volke rechnen. Es scheint aber, daß die süddeutschen Enthusiasten
des Schwurgerichts ihre geliebte Institution nicht einmal dem Feuer einer
öffentlichen Discussion im Reichstag, die eine viel eingreifendere Bedeutung
hat als jede andere, unterworfen sehen wollten. Die Schöffen wurden bereits
im Justizausschuß des Bundesraths geopfert, d. h. als consequente Gestalt
des Laienelementes in der Strafrechtspflege. Ganz ausgeschlossen hat man
sie nicht. Der Entwurf der Strafprozeßordnung und der Gerichtsverfassung
in den hier einschlagenden Bestimmungen, wie ihn der Bundesrath nunmehr
vorgelegt, hat aber durch die ungleichartige Gestalt des Laienelementes nichts
weniger als gewonnen. Es ist nicht bloß die äußere Symmetrie zu vermissen,
wenn wir als Strafgericht unterster Ordnung den Einzelrichter mit Schöffen,
als Strafgericht mittlerer Ordnung das reine Richtercollegium, und als Straf¬
gericht höchster Ordnung den Schwurgerichtshof vorgeschlagen sehen. Die
drei Gerichtsformen sind vielmehr ihrem Wesen nach so ungleichartig, daß die
Seele der Rechtspflege, die Einheit, welche sie belebt, dabei nicht bestehen
kann. Man kann sehr versucht sein, die Gerichtsverfassung lieber auf dem
reinen gelehrten Richterthum aufzubauen und den schwerfälligen Apparat des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/431>, abgerufen am 28.12.2024.