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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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einen sehr interessanten Führer durch das lebende Italien schreiben. Es ist
Carpi bei seinen Studien über die Auswanderungen vielleicht nicht aufge¬
stoßen, wie weit sich jene Documente hätten ausnützen lassen, sonst hätte er
sie nicht in einem Buche vergraben, welches doch zunächst einem ganz anderen
Zwecke dient, sondern für ein populäres und gewiß einem größeren Publikum
nützliches Werk reservirt, wenn auch das gegenwärtige Werk einer großen
Anzahl von Emigranten werthvoll sein wird. Denn die italienische Aus¬
wanderung nimmt, wie Carpi nachweist, beunruhigende Dimensionen an.
einzig die deutsche Auswanderung ließe sich in der Anzahl mit ihr vergleichen;
aber während die deutsche wohl geregelt und nutzbringend sei, unterläge die
unsere nur zufälliger Laune und Caprice, und sei nur zu oft schädlich.

Am Schluß seines Werkes sagt der Verfasser, daß er die Machteinwirkung
Deutschlands auf unsern Seehandel und unsere Colonien nicht fürchte. Ich
citire hier seine eigenen Worte: "Jene Gründe, welche dem Verständigen
nicht entgehen werden, die geographische Lage und die gemeinschaftlichen po¬
litischen und commerziellen Interessen, machen ein freundschaftliches Verhältniß
zwischen Deutschland und Italien zur Nothwendigkeit, und, da die Interessen
der beiden Länder sich in keiner Weise widerstrebenist es naturgemäß, daß
sie eine solide Freundschaft verbindet, die keiner geschriebenen Tractate und
Erklärungen bedarf, um aufrichtig und dauernd zu sein. Die unparteiische
und zugleich platonische Freundschaft der Schweiz liegt wie ein sympathisches
Bindeglied zwischen Deutschland und Italien. Ich lege weder den vagen
Gelüsten einiger Deutschen noch den politischen Elucubrationen einiger Journa¬
listen dieses Landes Gewicht bei, welche sich mit den Rechten beschäftigen, welche
die Deutschen auf die Italien umgebenden Meere besitzen sollen. Das sind ab¬
geblaßte Reminiscenzen aus der Zeit des alten deutschen Kaiserreichs, welche
selbst in seiner größten Epoche nicht wirklich Wurzel zu fassen vermochte, in
Italien, diesem Lande, welches für jede Fremdherrschaft fatal wurde. Die klugen
Söhne Herman's werden sich hüten, diesen Erinnerungen neues Leben geben zu
wollen. Deutschland hat zahlreiche und ergiebige Hülfsquellen in dem bal¬
tischen Meere. Von dort aus macht es seine Unternehmungen und breitet
seinen Handel über alle Meere der Welt aus. Durch seine Schienenwege ist
es mit dem schwarzen Meere verbunden und bald werden diese es in Rapport
setzen mit dem Ural einerseits und Constantinopel andererseits; es hat eine
blühende Schifffahrt auf seinen Flüssen, die bald noch bedeutender werden
wird durch die Verbindung der Weser und Elbe mit dem Rhein. Also bleibt
wenig, um was es Italien beneiden könnte. Es ist gewiß, daß es mit dem
ganzen Gewicht einer mächtigen und industriellen Nation sich in unsere Alpen
drängt, um sich unseren Meeren zu nähern, jedoch nicht um diese zu annec-
tiren. sondern nur um der gewaltigen Thätigkeit seines Handels und seiner


Grenzboten IV. 1874. 5

einen sehr interessanten Führer durch das lebende Italien schreiben. Es ist
Carpi bei seinen Studien über die Auswanderungen vielleicht nicht aufge¬
stoßen, wie weit sich jene Documente hätten ausnützen lassen, sonst hätte er
sie nicht in einem Buche vergraben, welches doch zunächst einem ganz anderen
Zwecke dient, sondern für ein populäres und gewiß einem größeren Publikum
nützliches Werk reservirt, wenn auch das gegenwärtige Werk einer großen
Anzahl von Emigranten werthvoll sein wird. Denn die italienische Aus¬
wanderung nimmt, wie Carpi nachweist, beunruhigende Dimensionen an.
einzig die deutsche Auswanderung ließe sich in der Anzahl mit ihr vergleichen;
aber während die deutsche wohl geregelt und nutzbringend sei, unterläge die
unsere nur zufälliger Laune und Caprice, und sei nur zu oft schädlich.

Am Schluß seines Werkes sagt der Verfasser, daß er die Machteinwirkung
Deutschlands auf unsern Seehandel und unsere Colonien nicht fürchte. Ich
citire hier seine eigenen Worte: „Jene Gründe, welche dem Verständigen
nicht entgehen werden, die geographische Lage und die gemeinschaftlichen po¬
litischen und commerziellen Interessen, machen ein freundschaftliches Verhältniß
zwischen Deutschland und Italien zur Nothwendigkeit, und, da die Interessen
der beiden Länder sich in keiner Weise widerstrebenist es naturgemäß, daß
sie eine solide Freundschaft verbindet, die keiner geschriebenen Tractate und
Erklärungen bedarf, um aufrichtig und dauernd zu sein. Die unparteiische
und zugleich platonische Freundschaft der Schweiz liegt wie ein sympathisches
Bindeglied zwischen Deutschland und Italien. Ich lege weder den vagen
Gelüsten einiger Deutschen noch den politischen Elucubrationen einiger Journa¬
listen dieses Landes Gewicht bei, welche sich mit den Rechten beschäftigen, welche
die Deutschen auf die Italien umgebenden Meere besitzen sollen. Das sind ab¬
geblaßte Reminiscenzen aus der Zeit des alten deutschen Kaiserreichs, welche
selbst in seiner größten Epoche nicht wirklich Wurzel zu fassen vermochte, in
Italien, diesem Lande, welches für jede Fremdherrschaft fatal wurde. Die klugen
Söhne Herman's werden sich hüten, diesen Erinnerungen neues Leben geben zu
wollen. Deutschland hat zahlreiche und ergiebige Hülfsquellen in dem bal¬
tischen Meere. Von dort aus macht es seine Unternehmungen und breitet
seinen Handel über alle Meere der Welt aus. Durch seine Schienenwege ist
es mit dem schwarzen Meere verbunden und bald werden diese es in Rapport
setzen mit dem Ural einerseits und Constantinopel andererseits; es hat eine
blühende Schifffahrt auf seinen Flüssen, die bald noch bedeutender werden
wird durch die Verbindung der Weser und Elbe mit dem Rhein. Also bleibt
wenig, um was es Italien beneiden könnte. Es ist gewiß, daß es mit dem
ganzen Gewicht einer mächtigen und industriellen Nation sich in unsere Alpen
drängt, um sich unseren Meeren zu nähern, jedoch nicht um diese zu annec-
tiren. sondern nur um der gewaltigen Thätigkeit seines Handels und seiner


Grenzboten IV. 1874. 5
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[0037] einen sehr interessanten Führer durch das lebende Italien schreiben. Es ist Carpi bei seinen Studien über die Auswanderungen vielleicht nicht aufge¬ stoßen, wie weit sich jene Documente hätten ausnützen lassen, sonst hätte er sie nicht in einem Buche vergraben, welches doch zunächst einem ganz anderen Zwecke dient, sondern für ein populäres und gewiß einem größeren Publikum nützliches Werk reservirt, wenn auch das gegenwärtige Werk einer großen Anzahl von Emigranten werthvoll sein wird. Denn die italienische Aus¬ wanderung nimmt, wie Carpi nachweist, beunruhigende Dimensionen an. einzig die deutsche Auswanderung ließe sich in der Anzahl mit ihr vergleichen; aber während die deutsche wohl geregelt und nutzbringend sei, unterläge die unsere nur zufälliger Laune und Caprice, und sei nur zu oft schädlich. Am Schluß seines Werkes sagt der Verfasser, daß er die Machteinwirkung Deutschlands auf unsern Seehandel und unsere Colonien nicht fürchte. Ich citire hier seine eigenen Worte: „Jene Gründe, welche dem Verständigen nicht entgehen werden, die geographische Lage und die gemeinschaftlichen po¬ litischen und commerziellen Interessen, machen ein freundschaftliches Verhältniß zwischen Deutschland und Italien zur Nothwendigkeit, und, da die Interessen der beiden Länder sich in keiner Weise widerstrebenist es naturgemäß, daß sie eine solide Freundschaft verbindet, die keiner geschriebenen Tractate und Erklärungen bedarf, um aufrichtig und dauernd zu sein. Die unparteiische und zugleich platonische Freundschaft der Schweiz liegt wie ein sympathisches Bindeglied zwischen Deutschland und Italien. Ich lege weder den vagen Gelüsten einiger Deutschen noch den politischen Elucubrationen einiger Journa¬ listen dieses Landes Gewicht bei, welche sich mit den Rechten beschäftigen, welche die Deutschen auf die Italien umgebenden Meere besitzen sollen. Das sind ab¬ geblaßte Reminiscenzen aus der Zeit des alten deutschen Kaiserreichs, welche selbst in seiner größten Epoche nicht wirklich Wurzel zu fassen vermochte, in Italien, diesem Lande, welches für jede Fremdherrschaft fatal wurde. Die klugen Söhne Herman's werden sich hüten, diesen Erinnerungen neues Leben geben zu wollen. Deutschland hat zahlreiche und ergiebige Hülfsquellen in dem bal¬ tischen Meere. Von dort aus macht es seine Unternehmungen und breitet seinen Handel über alle Meere der Welt aus. Durch seine Schienenwege ist es mit dem schwarzen Meere verbunden und bald werden diese es in Rapport setzen mit dem Ural einerseits und Constantinopel andererseits; es hat eine blühende Schifffahrt auf seinen Flüssen, die bald noch bedeutender werden wird durch die Verbindung der Weser und Elbe mit dem Rhein. Also bleibt wenig, um was es Italien beneiden könnte. Es ist gewiß, daß es mit dem ganzen Gewicht einer mächtigen und industriellen Nation sich in unsere Alpen drängt, um sich unseren Meeren zu nähern, jedoch nicht um diese zu annec- tiren. sondern nur um der gewaltigen Thätigkeit seines Handels und seiner Grenzboten IV. 1874. 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/37>, abgerufen am 28.12.2024.