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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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sollen, versuchte ich die wichtigsten Compositionen zu publiciren. Es erschienen
die beiden Lieferungen des Albums für Wohnungsdecoration, in denen die
für Vorhänge und Teppiche gelieferten und ausgeführten Compositionen mit
Angaben der Bezugsquellen publicirt wurden. Die Teppichcompositionen
werden in der Folge auch im Buntdruck erscheinen, so wie auch die Tapeten¬
borden u. s. w.

In Paris lernte ick 1867 den Slavonier Felirday kennen, der mit seinen
nationalen Teppichen großes Aufsehen machte. Als er von mir die Bedeutung
der Ornamentik für Hausindustrie erfuhr, stellte er mir das Material zur
Publication zur Verfügung und übernahm einen Theil der Unkosten. So
entstand das 1872 herausgegebene Werk "südslavische Ornamente", welches
in vorzüglichem Drucke von Dondorf ausgeführt wurde. Die Ministerien in
Berlin und Rußland abonnirten, jedoch lehnte das österreichische Ministerium
nach dem Gutachten Eitelberger's das Abonnement ab. Das ungarische tgi.
Ministerium betraute mich 1873 mit der Herausgabe eines ähnlichen aber
größeren Werkes, welches 1878 erscheinen wird. Zu gleicher Zeit ist noch
ein Vorlagewerk für den elementaren Zeichenunterricht in Arbeit.

Diese Aufgaben hätte ich nicht lösen können, wenn ich nicht mir die
Hülse in guten Mitarbeitern auf meinem Atelier verschafft hätte. 1865 gab
ich Zeichenunterricht in dem Taubstummeninstitute Wiens und bemerkte dort
einen talentvollen Jungen von 14 Jahren. Dieser Joh. Redinger ist seit 10
Jahren mein Gehülfe und hat sich in Allem tüchtig bewährt.

Der Contrast im subjectiven Schaffen und objectiven Genießen und Stu¬
diren ist zu beachten, um täglich ein großes und vielseitiges Arbeitspensum
zu avsolviren. Wichtig ist ferner mit allen besonderen Erscheinungen der
Ornament-Publicationen vertraut zu bleiben und die besten Sachen auf dem
Weltmarkte zu studiren. Warnen muß man jedoch jeden Zeichner, zu viel
zu copiren und mehr wie Skizzen zu machen, um die eigene Originalität
nicht einzubüßen. Nie soll man beim Componiren zu viele Anhaltspunkte
neben sich legen, sondern diese erst zur Ausarbeitung in gewissen Fällen
herbeiziehen, wenn der Charakter des Ganzen schon feststeht. -- Nur hierdurch
retten wir die Originalität und Naivetät der Composition, und entgehen dem
Eklekticismus, der in unserer Zeit mehr wie je durch Publicationen genährt
wird und die halben Talente groß zieht. -- 1873 fand ich in Italien, welches
ich in seinen wichtigsten Städten bis Neapel kennen lernte, sehr viele Orna¬
mente, welche von Wiener Coryphäen als eigene Erfindungen in Cours ge¬
bracht waren. Spätere Zeiten werden diese sklavischen Copien scharf tadeln,
da wir lediglich die Aufgabe haben, das Gute der alten Zeit zu studiren,
um unser eigenes Empfinden und Erfinden um so vollkommener und reicher
zu gestalten.


sollen, versuchte ich die wichtigsten Compositionen zu publiciren. Es erschienen
die beiden Lieferungen des Albums für Wohnungsdecoration, in denen die
für Vorhänge und Teppiche gelieferten und ausgeführten Compositionen mit
Angaben der Bezugsquellen publicirt wurden. Die Teppichcompositionen
werden in der Folge auch im Buntdruck erscheinen, so wie auch die Tapeten¬
borden u. s. w.

In Paris lernte ick 1867 den Slavonier Felirday kennen, der mit seinen
nationalen Teppichen großes Aufsehen machte. Als er von mir die Bedeutung
der Ornamentik für Hausindustrie erfuhr, stellte er mir das Material zur
Publication zur Verfügung und übernahm einen Theil der Unkosten. So
entstand das 1872 herausgegebene Werk „südslavische Ornamente", welches
in vorzüglichem Drucke von Dondorf ausgeführt wurde. Die Ministerien in
Berlin und Rußland abonnirten, jedoch lehnte das österreichische Ministerium
nach dem Gutachten Eitelberger's das Abonnement ab. Das ungarische tgi.
Ministerium betraute mich 1873 mit der Herausgabe eines ähnlichen aber
größeren Werkes, welches 1878 erscheinen wird. Zu gleicher Zeit ist noch
ein Vorlagewerk für den elementaren Zeichenunterricht in Arbeit.

Diese Aufgaben hätte ich nicht lösen können, wenn ich nicht mir die
Hülse in guten Mitarbeitern auf meinem Atelier verschafft hätte. 1865 gab
ich Zeichenunterricht in dem Taubstummeninstitute Wiens und bemerkte dort
einen talentvollen Jungen von 14 Jahren. Dieser Joh. Redinger ist seit 10
Jahren mein Gehülfe und hat sich in Allem tüchtig bewährt.

Der Contrast im subjectiven Schaffen und objectiven Genießen und Stu¬
diren ist zu beachten, um täglich ein großes und vielseitiges Arbeitspensum
zu avsolviren. Wichtig ist ferner mit allen besonderen Erscheinungen der
Ornament-Publicationen vertraut zu bleiben und die besten Sachen auf dem
Weltmarkte zu studiren. Warnen muß man jedoch jeden Zeichner, zu viel
zu copiren und mehr wie Skizzen zu machen, um die eigene Originalität
nicht einzubüßen. Nie soll man beim Componiren zu viele Anhaltspunkte
neben sich legen, sondern diese erst zur Ausarbeitung in gewissen Fällen
herbeiziehen, wenn der Charakter des Ganzen schon feststeht. — Nur hierdurch
retten wir die Originalität und Naivetät der Composition, und entgehen dem
Eklekticismus, der in unserer Zeit mehr wie je durch Publicationen genährt
wird und die halben Talente groß zieht. — 1873 fand ich in Italien, welches
ich in seinen wichtigsten Städten bis Neapel kennen lernte, sehr viele Orna¬
mente, welche von Wiener Coryphäen als eigene Erfindungen in Cours ge¬
bracht waren. Spätere Zeiten werden diese sklavischen Copien scharf tadeln,
da wir lediglich die Aufgabe haben, das Gute der alten Zeit zu studiren,
um unser eigenes Empfinden und Erfinden um so vollkommener und reicher
zu gestalten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/266>, abgerufen am 27.07.2024.