Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.der Aburtheilung der ihm zur Entscheidung vorliegenden Civilprozesse regel¬ So wenig statthaft die Versendung der Akten s,ä exteros von Amts- Neben den Rücksichten auf die rechtsuchenden Staatsangehörigen dürfen der Aburtheilung der ihm zur Entscheidung vorliegenden Civilprozesse regel¬ So wenig statthaft die Versendung der Akten s,ä exteros von Amts- Neben den Rücksichten auf die rechtsuchenden Staatsangehörigen dürfen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132204"/> <p xml:id="ID_1695" prev="#ID_1694"> der Aburtheilung der ihm zur Entscheidung vorliegenden Civilprozesse regel¬<lb/> mäßig dadurch entzöge, daß es fast ohne jede Ausnahme die Akten an eine<lb/> auswärtige Spruchbehörde von Amtswegen versendete? Man wird zu¬<lb/> geben dürfen, daß der Verlust, welcher den Parteien durch den übermäßigen<lb/> Mehraufwand an Kosten in Folge dieses, in einem Kleinstaat jahrelang that¬<lb/> sächlich beobachteten Verfahrens erwachsen ist, durch den materiellen Werth<lb/> der Facultäts-Entscheidungen einigermaßen aufgewogen wird, dessenungeachtet<lb/> läßt sich diese Enthaltung des eignen Urtheils mit der gegenüber dem tief<lb/> unten stehenden Unterrichter vielfach so stark betonten Würde der Herren<lb/> Oberrichter schwer vereinigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1696"> So wenig statthaft die Versendung der Akten s,ä exteros von Amts-<lb/> wegen erscheint, ein so bedeutungsvolles, ja geradezu nothwendiges Institut<lb/> ist unseres Erachtens in Kleinstaaten die Befugn iß der Parteien, die<lb/> Versendung zu beantragen. Nach dem Entwurf einer deutschen Civil¬<lb/> prozeßordnung kommt sie, als mit dem mündlichen Verfahren unverträglich,<lb/> in Wegfall. Dann erst wird es sich offenbaren, wie sehr es in kleinen Ver¬<lb/> hältnissen, in denen verzweigte Familienverbindungen, Freundschaften und<lb/> Antipathien der mannigfachsten Art, Koterienwesen :c., vorzugsweise anzutreffen<lb/> sind und die heimischen Richter in ihre Kreise ziehen, eines Mittels bedarf,<lb/> um die Furcht vor nicht ganz ungetrübten Anschauungen auch in solchen<lb/> Fällen zu bannen, wo es an gesetzlichen Ablehnungsgründen fehlt. Ein<lb/> solches Mittel würde die von uns angestrebte Freizügigkeit unter den Juristen<lb/> der kleineren Staaten an die Hand geben. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1697" next="#ID_1698"> Neben den Rücksichten auf die rechtsuchenden Staatsangehörigen dürfen<lb/> die auf das Richterpersonal nicht unerwogen bleiben. Wollte man den Ver¬<lb/> such machen, unter Benutzung der vorhandenen Beamten die Gerichtsbehörden<lb/> in kleinstaatlichem Sinne einzurichten, so würde man bald zu der Ueberzeugung<lb/> gelangen, daß solche Zustände keinen Bestand haben können. Selbst ange¬<lb/> nommen, daß die einmal Angestellten im Hinblick auf die besser besoldeten,<lb/> der Aussicht auf Beförderung nicht gänzlich beraubten Collegen in den größe¬<lb/> ren Staaten sich hinreichende Berufsfreudigkeit bewahrten, um den durch die<lb/> neuen Prozeßgesetze an sie gestellten erhöhten Anforderungen zu genügen, so<lb/> wäre doch in nicht langer Zeit ein Mangel an Nachwuchs zu befürchten.<lb/> Gegenwärtig schon beginnen die jüngeren Juristen aus den kleinen Staaten<lb/> in der großen Mehrzahl ihre Laufbahn nicht in der Heimath, sondern aus¬<lb/> wärts, wo sich ihrem Talent und ihrem Fleiß bessere Aussichten eröffnen.<lb/> Wenn selbst ein Gemeinwesen wie Bremen, das seinen Beamten stets viel<lb/> bedeutendere Vortheile geboten hat, als die meisten übrigen Staaten, bei der<lb/> Besetzung von Nichterstellen sich nach auswärts wenden muß, so beweist dies,<lb/> daß man an anderen Orten in eine viel schwierigere Lage gerathen wird, vor-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0510]
der Aburtheilung der ihm zur Entscheidung vorliegenden Civilprozesse regel¬
mäßig dadurch entzöge, daß es fast ohne jede Ausnahme die Akten an eine
auswärtige Spruchbehörde von Amtswegen versendete? Man wird zu¬
geben dürfen, daß der Verlust, welcher den Parteien durch den übermäßigen
Mehraufwand an Kosten in Folge dieses, in einem Kleinstaat jahrelang that¬
sächlich beobachteten Verfahrens erwachsen ist, durch den materiellen Werth
der Facultäts-Entscheidungen einigermaßen aufgewogen wird, dessenungeachtet
läßt sich diese Enthaltung des eignen Urtheils mit der gegenüber dem tief
unten stehenden Unterrichter vielfach so stark betonten Würde der Herren
Oberrichter schwer vereinigen.
So wenig statthaft die Versendung der Akten s,ä exteros von Amts-
wegen erscheint, ein so bedeutungsvolles, ja geradezu nothwendiges Institut
ist unseres Erachtens in Kleinstaaten die Befugn iß der Parteien, die
Versendung zu beantragen. Nach dem Entwurf einer deutschen Civil¬
prozeßordnung kommt sie, als mit dem mündlichen Verfahren unverträglich,
in Wegfall. Dann erst wird es sich offenbaren, wie sehr es in kleinen Ver¬
hältnissen, in denen verzweigte Familienverbindungen, Freundschaften und
Antipathien der mannigfachsten Art, Koterienwesen :c., vorzugsweise anzutreffen
sind und die heimischen Richter in ihre Kreise ziehen, eines Mittels bedarf,
um die Furcht vor nicht ganz ungetrübten Anschauungen auch in solchen
Fällen zu bannen, wo es an gesetzlichen Ablehnungsgründen fehlt. Ein
solches Mittel würde die von uns angestrebte Freizügigkeit unter den Juristen
der kleineren Staaten an die Hand geben. —
Neben den Rücksichten auf die rechtsuchenden Staatsangehörigen dürfen
die auf das Richterpersonal nicht unerwogen bleiben. Wollte man den Ver¬
such machen, unter Benutzung der vorhandenen Beamten die Gerichtsbehörden
in kleinstaatlichem Sinne einzurichten, so würde man bald zu der Ueberzeugung
gelangen, daß solche Zustände keinen Bestand haben können. Selbst ange¬
nommen, daß die einmal Angestellten im Hinblick auf die besser besoldeten,
der Aussicht auf Beförderung nicht gänzlich beraubten Collegen in den größe¬
ren Staaten sich hinreichende Berufsfreudigkeit bewahrten, um den durch die
neuen Prozeßgesetze an sie gestellten erhöhten Anforderungen zu genügen, so
wäre doch in nicht langer Zeit ein Mangel an Nachwuchs zu befürchten.
Gegenwärtig schon beginnen die jüngeren Juristen aus den kleinen Staaten
in der großen Mehrzahl ihre Laufbahn nicht in der Heimath, sondern aus¬
wärts, wo sich ihrem Talent und ihrem Fleiß bessere Aussichten eröffnen.
Wenn selbst ein Gemeinwesen wie Bremen, das seinen Beamten stets viel
bedeutendere Vortheile geboten hat, als die meisten übrigen Staaten, bei der
Besetzung von Nichterstellen sich nach auswärts wenden muß, so beweist dies,
daß man an anderen Orten in eine viel schwierigere Lage gerathen wird, vor-
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