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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Wege, so darf der Schuster nunmehr getrost das Mandat der hohen Groß-
herzoglichen Justiz - Canzlei erwarten, worin dem Herrn von Jtzelwitz anbe¬
fohlen wird, binnen acht Tagen bei Strafe der Zwangsexecution den Klage¬
schein dem Schuster auszustellen und demselben die erwachsenen Kosten der
Beschwerde zu erstatten.

Nun freut sich der Schuster. Aber auch Herr von Jtzelwitz freut sich,
denn hieraus hat er nur gewartet, um an dem dreisten Schuster sein Müth-
chen zu kühlen. Herr von Jtzelwitz kommt mit einer furchtbaren Gegenschrift
von so und so viel Bogen, die ihm sein Sachwalter gehörig verfaßt hat.
Das wird dem Meister Drath Geld kosten; denn der Sachwalter liquidüt
unter der Einredeschrift für jeden Bogen 7 Reichsmark. Mit größtem
Behagen und möglichst breit entwickelt Herr von Jtzelwitz in dieser seiner
Vernehmlassung, daß der Meister Schuhmacher überall kein Recht habe, irgend
einen Klageschein von ihm zu fordern. Es sei ja der gesuchte Hauslehrer,
gegen welchen der Schuster den Klageschein fordere, schon 14 Tage vor dem
Ansuchen des Schuhmachers aus seiner Stellung entlassen und befinde sich
besagter Hauslehrer überall nicht mehr auf dem Gute Pritzelwitz und unter
der Jurisdiction des Herrn von Jtzelwitz. Letzterer bittet daher ehrerbietigst:
den Schuster mit seiner unbefugten Beschwerde ab - und zur Ruhe zu ver¬
weisen und ihn in die sämmtlichen erwachsenen Kosten zu verurtheilen.

Der Schuster möchte vor Schrecken in die Erde sinken.

Sein Advokat stärkt ihn aber mit der Zusicherung, daß die Sache noch
lange nicht verloren sei. Somit wird denn in Befolgung des Mandates der
hohen Großherzoglichen Justiz-Canzlei diese Einredeschrift auf das Nachdrück¬
lichste in einer voluminösen Schrift beantwortet. Advocatus liquidirr für diese
vortreffliche Arbeit ebenfalls pro Bogen 7 Reichsmark.

Jetzt kommt das Urtheil! Die hohe Großherzogliche Justizkanzlei erkennt
für Recht: daß die Einreden des Herrn von Jtzelwitz aus Pritzelwitz als un¬
begründet hiermit verworfen werden und derselbe schuldig sei, nunmehr den
Klageschein binnen annoch acht Tagen an den Meister Schuhmacher bei Strafe
der Zwangsexecution auszustellen und daß er ferner verurtheilt werde, binnen
gleicher Frist demselben die gesammten Kosten zu erstatten. Wer malt sich
die Freude des Schusters, wer den Zorn des Herrn von Jtzelwitz? Nachdem
der Letztere vergeblich gegen den Bescheid ein Rechtsmittel an das hohe Gro߬
herzogliche Ober-Appellations-Gericht eingelegt hat, bleibt er dahin beschicken,
daß er wohl das Recht habe, einen Klageschein auszustellen, daß es aber auch
seine verfluchte Pflicht und Schuldigkeit sei, dem Bittsteller einen solchen Klage¬
schein auszustellen und daß es ihm überall nicht zukomme, dem Bittsteller
ihn vorzuenthalten, weil etwa derjenige, gegen welchen der Klageschein ge-
richtet, sich auf dem Gute Pritzelwitz nicht mehr aufhalte. -- Ganz kleinlaut


Wege, so darf der Schuster nunmehr getrost das Mandat der hohen Groß-
herzoglichen Justiz - Canzlei erwarten, worin dem Herrn von Jtzelwitz anbe¬
fohlen wird, binnen acht Tagen bei Strafe der Zwangsexecution den Klage¬
schein dem Schuster auszustellen und demselben die erwachsenen Kosten der
Beschwerde zu erstatten.

Nun freut sich der Schuster. Aber auch Herr von Jtzelwitz freut sich,
denn hieraus hat er nur gewartet, um an dem dreisten Schuster sein Müth-
chen zu kühlen. Herr von Jtzelwitz kommt mit einer furchtbaren Gegenschrift
von so und so viel Bogen, die ihm sein Sachwalter gehörig verfaßt hat.
Das wird dem Meister Drath Geld kosten; denn der Sachwalter liquidüt
unter der Einredeschrift für jeden Bogen 7 Reichsmark. Mit größtem
Behagen und möglichst breit entwickelt Herr von Jtzelwitz in dieser seiner
Vernehmlassung, daß der Meister Schuhmacher überall kein Recht habe, irgend
einen Klageschein von ihm zu fordern. Es sei ja der gesuchte Hauslehrer,
gegen welchen der Schuster den Klageschein fordere, schon 14 Tage vor dem
Ansuchen des Schuhmachers aus seiner Stellung entlassen und befinde sich
besagter Hauslehrer überall nicht mehr auf dem Gute Pritzelwitz und unter
der Jurisdiction des Herrn von Jtzelwitz. Letzterer bittet daher ehrerbietigst:
den Schuster mit seiner unbefugten Beschwerde ab - und zur Ruhe zu ver¬
weisen und ihn in die sämmtlichen erwachsenen Kosten zu verurtheilen.

Der Schuster möchte vor Schrecken in die Erde sinken.

Sein Advokat stärkt ihn aber mit der Zusicherung, daß die Sache noch
lange nicht verloren sei. Somit wird denn in Befolgung des Mandates der
hohen Großherzoglichen Justiz-Canzlei diese Einredeschrift auf das Nachdrück¬
lichste in einer voluminösen Schrift beantwortet. Advocatus liquidirr für diese
vortreffliche Arbeit ebenfalls pro Bogen 7 Reichsmark.

Jetzt kommt das Urtheil! Die hohe Großherzogliche Justizkanzlei erkennt
für Recht: daß die Einreden des Herrn von Jtzelwitz aus Pritzelwitz als un¬
begründet hiermit verworfen werden und derselbe schuldig sei, nunmehr den
Klageschein binnen annoch acht Tagen an den Meister Schuhmacher bei Strafe
der Zwangsexecution auszustellen und daß er ferner verurtheilt werde, binnen
gleicher Frist demselben die gesammten Kosten zu erstatten. Wer malt sich
die Freude des Schusters, wer den Zorn des Herrn von Jtzelwitz? Nachdem
der Letztere vergeblich gegen den Bescheid ein Rechtsmittel an das hohe Gro߬
herzogliche Ober-Appellations-Gericht eingelegt hat, bleibt er dahin beschicken,
daß er wohl das Recht habe, einen Klageschein auszustellen, daß es aber auch
seine verfluchte Pflicht und Schuldigkeit sei, dem Bittsteller einen solchen Klage¬
schein auszustellen und daß es ihm überall nicht zukomme, dem Bittsteller
ihn vorzuenthalten, weil etwa derjenige, gegen welchen der Klageschein ge-
richtet, sich auf dem Gute Pritzelwitz nicht mehr aufhalte. — Ganz kleinlaut


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[0440] Wege, so darf der Schuster nunmehr getrost das Mandat der hohen Groß- herzoglichen Justiz - Canzlei erwarten, worin dem Herrn von Jtzelwitz anbe¬ fohlen wird, binnen acht Tagen bei Strafe der Zwangsexecution den Klage¬ schein dem Schuster auszustellen und demselben die erwachsenen Kosten der Beschwerde zu erstatten. Nun freut sich der Schuster. Aber auch Herr von Jtzelwitz freut sich, denn hieraus hat er nur gewartet, um an dem dreisten Schuster sein Müth- chen zu kühlen. Herr von Jtzelwitz kommt mit einer furchtbaren Gegenschrift von so und so viel Bogen, die ihm sein Sachwalter gehörig verfaßt hat. Das wird dem Meister Drath Geld kosten; denn der Sachwalter liquidüt unter der Einredeschrift für jeden Bogen 7 Reichsmark. Mit größtem Behagen und möglichst breit entwickelt Herr von Jtzelwitz in dieser seiner Vernehmlassung, daß der Meister Schuhmacher überall kein Recht habe, irgend einen Klageschein von ihm zu fordern. Es sei ja der gesuchte Hauslehrer, gegen welchen der Schuster den Klageschein fordere, schon 14 Tage vor dem Ansuchen des Schuhmachers aus seiner Stellung entlassen und befinde sich besagter Hauslehrer überall nicht mehr auf dem Gute Pritzelwitz und unter der Jurisdiction des Herrn von Jtzelwitz. Letzterer bittet daher ehrerbietigst: den Schuster mit seiner unbefugten Beschwerde ab - und zur Ruhe zu ver¬ weisen und ihn in die sämmtlichen erwachsenen Kosten zu verurtheilen. Der Schuster möchte vor Schrecken in die Erde sinken. Sein Advokat stärkt ihn aber mit der Zusicherung, daß die Sache noch lange nicht verloren sei. Somit wird denn in Befolgung des Mandates der hohen Großherzoglichen Justiz-Canzlei diese Einredeschrift auf das Nachdrück¬ lichste in einer voluminösen Schrift beantwortet. Advocatus liquidirr für diese vortreffliche Arbeit ebenfalls pro Bogen 7 Reichsmark. Jetzt kommt das Urtheil! Die hohe Großherzogliche Justizkanzlei erkennt für Recht: daß die Einreden des Herrn von Jtzelwitz aus Pritzelwitz als un¬ begründet hiermit verworfen werden und derselbe schuldig sei, nunmehr den Klageschein binnen annoch acht Tagen an den Meister Schuhmacher bei Strafe der Zwangsexecution auszustellen und daß er ferner verurtheilt werde, binnen gleicher Frist demselben die gesammten Kosten zu erstatten. Wer malt sich die Freude des Schusters, wer den Zorn des Herrn von Jtzelwitz? Nachdem der Letztere vergeblich gegen den Bescheid ein Rechtsmittel an das hohe Gro߬ herzogliche Ober-Appellations-Gericht eingelegt hat, bleibt er dahin beschicken, daß er wohl das Recht habe, einen Klageschein auszustellen, daß es aber auch seine verfluchte Pflicht und Schuldigkeit sei, dem Bittsteller einen solchen Klage¬ schein auszustellen und daß es ihm überall nicht zukomme, dem Bittsteller ihn vorzuenthalten, weil etwa derjenige, gegen welchen der Klageschein ge- richtet, sich auf dem Gute Pritzelwitz nicht mehr aufhalte. — Ganz kleinlaut

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/440>, abgerufen am 22.07.2024.