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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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so großen Anspruch gaben. So lange er noch auf italischer Erde weilte,
wurde er aus seiner Ruhe aufgestört, um vor Tagesanbruch weiter zu reisen,
und man sorgte dafür, daß er nicht anders als zur Nachtzeit irgendwo an¬
kam. Auf französischem Boden ward er zwar besser behandelt, aber doch zur
Entlassung seiner sämmtlichen alten Diener genöthigt, so daß er in der To¬
desstunde bloß seinen Beichtiger noch bei sich hatte.

Gleich so vielen andern "Völkern", welche die Franzosen damals mit
der lieblichen Rose der Freiheit beschenkten, machte auch das Volk von Rom
nur zu bald die Erfahrung, daß dieselbe mit sehr garstigen Dornen reichlich
garnirt war. Dem Einzuge der Söhne Galliens folgte nämlich auf dem
Fuße die systematische Plünderung Roms. Nicht blos alles Staatseigenthum,
die Kirchen und Klöster, die Paläste der Cardinäle und des Adels wurden
rein ausgeraubt, sondern auch unzähligen Privatleuten alle Dinge von Werth,
besonders Gemälde, Statuen und selbst Bücher, nicht selten aber auch
die elendesten Küchengeschirre gewaltsam entrissen, und sogar die Priesterge¬
wänder des Papstes und der Cardinäle verbrannt, um durch das Feuer die
kostbaren Metalle zu gewinnen, mit welchen sie verziert waren. Aus den elf¬
tausend Zimmern des Vaticans verschwanden nicht allein die reichlichen, zum
Persönlichen Gebrauch des heiligen Vaters bestimmten Geräthe, die bewun-
dernswerthen Gemälde, Büsten, Säulen, Cameen u. s. w., sondern selbst
Thüren, Schlösser und Nägel, so daß das, kurz nachher creirte, National-
Jnstitut von Rom, welches seine Sitzungen darin halten wollte, zuvörderst
für neue Thüren, Schlösser und Nägel sorgen mußte. In dieser uralten
Residenz der Statthalter Christi, in diesem Sammelplatz der herrlichsten und
Prächtigsten Kunsterzeugnisse Italiens und Griechenlands glänzten in der all¬
gemeinen Verwüstung jetzt nur noch die unsterblichen Fresken Raphael's und
Michel Angelo's in einsamer Schönheit. Und das geschah nicht im Kriege,
sondern im Frieden, nicht von Feinden, sondern von Freunden, nicht von
Barbaren, sondern von denen, die schon damals an der Spitze der Civilisation
Marschirtenl Die Plünderung übertraf Alles, was Gothen und Vandalen
gethan hatten; so reinen Tisch hatten sogar die räuberischen Hände der
bestialisch hausenden Soldaten Kaiser Karl's V. nicht gemacht, nachdem die
ewige Stadt von ihnen (1627) erstürmt worden. Für die wenigen Kunst¬
sammlungen, die dem allgemeinen Schicksale ihrer Schwestern entgingen, die
M den Palästen Chigi, Borghese und Doria, mußten ungeheuere Lösegelder
entrichtet werden, so mußte z. B. die Familie Chigi dafür 200,000 Scudi
erlegen. Sehr charakteristisch ist, daß der ehrliche General Gouvion-Saint-
Cyr des ihm später übertragenen Oberbefehls in Rom durch das Directorium
(1799) wieder entsetzt wurde, weil er die Beamten desselben an dem Raube


so großen Anspruch gaben. So lange er noch auf italischer Erde weilte,
wurde er aus seiner Ruhe aufgestört, um vor Tagesanbruch weiter zu reisen,
und man sorgte dafür, daß er nicht anders als zur Nachtzeit irgendwo an¬
kam. Auf französischem Boden ward er zwar besser behandelt, aber doch zur
Entlassung seiner sämmtlichen alten Diener genöthigt, so daß er in der To¬
desstunde bloß seinen Beichtiger noch bei sich hatte.

Gleich so vielen andern „Völkern", welche die Franzosen damals mit
der lieblichen Rose der Freiheit beschenkten, machte auch das Volk von Rom
nur zu bald die Erfahrung, daß dieselbe mit sehr garstigen Dornen reichlich
garnirt war. Dem Einzuge der Söhne Galliens folgte nämlich auf dem
Fuße die systematische Plünderung Roms. Nicht blos alles Staatseigenthum,
die Kirchen und Klöster, die Paläste der Cardinäle und des Adels wurden
rein ausgeraubt, sondern auch unzähligen Privatleuten alle Dinge von Werth,
besonders Gemälde, Statuen und selbst Bücher, nicht selten aber auch
die elendesten Küchengeschirre gewaltsam entrissen, und sogar die Priesterge¬
wänder des Papstes und der Cardinäle verbrannt, um durch das Feuer die
kostbaren Metalle zu gewinnen, mit welchen sie verziert waren. Aus den elf¬
tausend Zimmern des Vaticans verschwanden nicht allein die reichlichen, zum
Persönlichen Gebrauch des heiligen Vaters bestimmten Geräthe, die bewun-
dernswerthen Gemälde, Büsten, Säulen, Cameen u. s. w., sondern selbst
Thüren, Schlösser und Nägel, so daß das, kurz nachher creirte, National-
Jnstitut von Rom, welches seine Sitzungen darin halten wollte, zuvörderst
für neue Thüren, Schlösser und Nägel sorgen mußte. In dieser uralten
Residenz der Statthalter Christi, in diesem Sammelplatz der herrlichsten und
Prächtigsten Kunsterzeugnisse Italiens und Griechenlands glänzten in der all¬
gemeinen Verwüstung jetzt nur noch die unsterblichen Fresken Raphael's und
Michel Angelo's in einsamer Schönheit. Und das geschah nicht im Kriege,
sondern im Frieden, nicht von Feinden, sondern von Freunden, nicht von
Barbaren, sondern von denen, die schon damals an der Spitze der Civilisation
Marschirtenl Die Plünderung übertraf Alles, was Gothen und Vandalen
gethan hatten; so reinen Tisch hatten sogar die räuberischen Hände der
bestialisch hausenden Soldaten Kaiser Karl's V. nicht gemacht, nachdem die
ewige Stadt von ihnen (1627) erstürmt worden. Für die wenigen Kunst¬
sammlungen, die dem allgemeinen Schicksale ihrer Schwestern entgingen, die
M den Palästen Chigi, Borghese und Doria, mußten ungeheuere Lösegelder
entrichtet werden, so mußte z. B. die Familie Chigi dafür 200,000 Scudi
erlegen. Sehr charakteristisch ist, daß der ehrliche General Gouvion-Saint-
Cyr des ihm später übertragenen Oberbefehls in Rom durch das Directorium
(1799) wieder entsetzt wurde, weil er die Beamten desselben an dem Raube


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/431>, abgerufen am 22.07.2024.