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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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ersten deutschen Nordpolerpeditionen, mit Petermann's Namen belegt. Ihre
Höhe war annähernd 3300 Meter. Ein an vier deutsche Meilen langer
Gletscher mit einer prächtigen Mittelmoräne erstreckte sich von derselben bis
ans Meer hinab; sein Ende daselbst war mindestens eine deutsche Meile breit.
Rings am Horizont strebte eine Alpenwelt mit unzähligen, das Niveau von
3000 Meter zum Theil überschreitenden Gipfeln empor. Den Fjord selbst
vermochte man noch gegen zehn deutsche Meilen weit gegen West-Süd-West
zu verfolgen. In dieser Ferne waren noch mehrere Arme zu erkennen, in die
der Fjord sich zu verzweigen und deren größter nach Süden abzubiegen schien.
Deutlich ließ sich durch die perspectivische Trennung der Landmassen die Fort¬
setzung dieser Kanäle jenseit der hohen Jnselmasfive erkennen. Das auffallende
Verschwinden des Hochlandes in südwestlicher Richtung schien zur Annahme
einer Verbindung des Kaiser Franz-Josephs-Fjords mit dem Scoresby- und
Davis-Sund zu berechtigen.

Um 11 Uhr Nachts wurde -- natürlich bei Sonnenlicht -- der Rückweg
angetreten. Anfangs ging es zwischen wilden Felszacken über einen an
80 Klafter geneigten Eishang thalabwärts, immer quer über den Grat des
Berges. Mittels des Bergstocks wurden nothdürftige Stufen in das Eis ge¬
stoßen und mit Benutzung hervorragender Felszacken und des Seiles stieg
Einer nach dem Andern, unter Vermeidung gleichzeitiger Bewegungen bergab.
Dann lief das Grat in verwitterte Abhänge aus, über welche sie leicht auf
den Gletscher der Thalsohle hinabgelangten. Um 7 Uhr Morgens, nach ein-
undzwanzigstündiger Abwesenheit, kehrten sie wieder zum Schiffe zurück, wo
schon Alles zur Abfahrt bereit war. Am Land wurde natürlich vorher ein
Steinkegel errichtet und in demselben ein Document mit den Entdeckungen
der Germania niedergelegt.

Am 13. August Morgens dampfte die Germania in nebligem Wetter
aus dem Fjord rückwärts in nordöstlicher Richtung. Der Nebel zwang, die
Nacht über beizulegen, sodaß der Ausgang des Fjords erst am 14. August
erreicht werden konnte. Ein Besuch des Waltershausen-Gletschers am Nord¬
ende des Fjords war unmöglich, da der Maschinist erklärte, daß der Kessel
diese lange Fahrt von zehn deutschen Meilen hin und ebensoviel zurück un¬
möglich, außer den übrigen Leistungen, die von ihm verlangt wurden, leisten
könne. Als am Abend des 14. der Dampf abgeblasen wurde, fing der Kessel
wieder an, stark zu lecken; es zeigten sich bereits Risse in der Platte. Außer¬
dem fand sich zwischen Kap Bennet und der Bontekoe-Insel eine so starke
Eisstopsung und soviel Treibeis, daß abermals Anker geworfen werden mußte.
Die nächsten Tage wurden daher benutzt, um den nöthigen Ballast und
Wasser einzunehmen. Auch wurden, zur Ergänzung des Fleischvorrathes
noch einige Rennthiere und Moschusochsen erlegt, und am 15. vom Kapitän


ersten deutschen Nordpolerpeditionen, mit Petermann's Namen belegt. Ihre
Höhe war annähernd 3300 Meter. Ein an vier deutsche Meilen langer
Gletscher mit einer prächtigen Mittelmoräne erstreckte sich von derselben bis
ans Meer hinab; sein Ende daselbst war mindestens eine deutsche Meile breit.
Rings am Horizont strebte eine Alpenwelt mit unzähligen, das Niveau von
3000 Meter zum Theil überschreitenden Gipfeln empor. Den Fjord selbst
vermochte man noch gegen zehn deutsche Meilen weit gegen West-Süd-West
zu verfolgen. In dieser Ferne waren noch mehrere Arme zu erkennen, in die
der Fjord sich zu verzweigen und deren größter nach Süden abzubiegen schien.
Deutlich ließ sich durch die perspectivische Trennung der Landmassen die Fort¬
setzung dieser Kanäle jenseit der hohen Jnselmasfive erkennen. Das auffallende
Verschwinden des Hochlandes in südwestlicher Richtung schien zur Annahme
einer Verbindung des Kaiser Franz-Josephs-Fjords mit dem Scoresby- und
Davis-Sund zu berechtigen.

Um 11 Uhr Nachts wurde — natürlich bei Sonnenlicht — der Rückweg
angetreten. Anfangs ging es zwischen wilden Felszacken über einen an
80 Klafter geneigten Eishang thalabwärts, immer quer über den Grat des
Berges. Mittels des Bergstocks wurden nothdürftige Stufen in das Eis ge¬
stoßen und mit Benutzung hervorragender Felszacken und des Seiles stieg
Einer nach dem Andern, unter Vermeidung gleichzeitiger Bewegungen bergab.
Dann lief das Grat in verwitterte Abhänge aus, über welche sie leicht auf
den Gletscher der Thalsohle hinabgelangten. Um 7 Uhr Morgens, nach ein-
undzwanzigstündiger Abwesenheit, kehrten sie wieder zum Schiffe zurück, wo
schon Alles zur Abfahrt bereit war. Am Land wurde natürlich vorher ein
Steinkegel errichtet und in demselben ein Document mit den Entdeckungen
der Germania niedergelegt.

Am 13. August Morgens dampfte die Germania in nebligem Wetter
aus dem Fjord rückwärts in nordöstlicher Richtung. Der Nebel zwang, die
Nacht über beizulegen, sodaß der Ausgang des Fjords erst am 14. August
erreicht werden konnte. Ein Besuch des Waltershausen-Gletschers am Nord¬
ende des Fjords war unmöglich, da der Maschinist erklärte, daß der Kessel
diese lange Fahrt von zehn deutschen Meilen hin und ebensoviel zurück un¬
möglich, außer den übrigen Leistungen, die von ihm verlangt wurden, leisten
könne. Als am Abend des 14. der Dampf abgeblasen wurde, fing der Kessel
wieder an, stark zu lecken; es zeigten sich bereits Risse in der Platte. Außer¬
dem fand sich zwischen Kap Bennet und der Bontekoe-Insel eine so starke
Eisstopsung und soviel Treibeis, daß abermals Anker geworfen werden mußte.
Die nächsten Tage wurden daher benutzt, um den nöthigen Ballast und
Wasser einzunehmen. Auch wurden, zur Ergänzung des Fleischvorrathes
noch einige Rennthiere und Moschusochsen erlegt, und am 15. vom Kapitän


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[0383] ersten deutschen Nordpolerpeditionen, mit Petermann's Namen belegt. Ihre Höhe war annähernd 3300 Meter. Ein an vier deutsche Meilen langer Gletscher mit einer prächtigen Mittelmoräne erstreckte sich von derselben bis ans Meer hinab; sein Ende daselbst war mindestens eine deutsche Meile breit. Rings am Horizont strebte eine Alpenwelt mit unzähligen, das Niveau von 3000 Meter zum Theil überschreitenden Gipfeln empor. Den Fjord selbst vermochte man noch gegen zehn deutsche Meilen weit gegen West-Süd-West zu verfolgen. In dieser Ferne waren noch mehrere Arme zu erkennen, in die der Fjord sich zu verzweigen und deren größter nach Süden abzubiegen schien. Deutlich ließ sich durch die perspectivische Trennung der Landmassen die Fort¬ setzung dieser Kanäle jenseit der hohen Jnselmasfive erkennen. Das auffallende Verschwinden des Hochlandes in südwestlicher Richtung schien zur Annahme einer Verbindung des Kaiser Franz-Josephs-Fjords mit dem Scoresby- und Davis-Sund zu berechtigen. Um 11 Uhr Nachts wurde — natürlich bei Sonnenlicht — der Rückweg angetreten. Anfangs ging es zwischen wilden Felszacken über einen an 80 Klafter geneigten Eishang thalabwärts, immer quer über den Grat des Berges. Mittels des Bergstocks wurden nothdürftige Stufen in das Eis ge¬ stoßen und mit Benutzung hervorragender Felszacken und des Seiles stieg Einer nach dem Andern, unter Vermeidung gleichzeitiger Bewegungen bergab. Dann lief das Grat in verwitterte Abhänge aus, über welche sie leicht auf den Gletscher der Thalsohle hinabgelangten. Um 7 Uhr Morgens, nach ein- undzwanzigstündiger Abwesenheit, kehrten sie wieder zum Schiffe zurück, wo schon Alles zur Abfahrt bereit war. Am Land wurde natürlich vorher ein Steinkegel errichtet und in demselben ein Document mit den Entdeckungen der Germania niedergelegt. Am 13. August Morgens dampfte die Germania in nebligem Wetter aus dem Fjord rückwärts in nordöstlicher Richtung. Der Nebel zwang, die Nacht über beizulegen, sodaß der Ausgang des Fjords erst am 14. August erreicht werden konnte. Ein Besuch des Waltershausen-Gletschers am Nord¬ ende des Fjords war unmöglich, da der Maschinist erklärte, daß der Kessel diese lange Fahrt von zehn deutschen Meilen hin und ebensoviel zurück un¬ möglich, außer den übrigen Leistungen, die von ihm verlangt wurden, leisten könne. Als am Abend des 14. der Dampf abgeblasen wurde, fing der Kessel wieder an, stark zu lecken; es zeigten sich bereits Risse in der Platte. Außer¬ dem fand sich zwischen Kap Bennet und der Bontekoe-Insel eine so starke Eisstopsung und soviel Treibeis, daß abermals Anker geworfen werden mußte. Die nächsten Tage wurden daher benutzt, um den nöthigen Ballast und Wasser einzunehmen. Auch wurden, zur Ergänzung des Fleischvorrathes noch einige Rennthiere und Moschusochsen erlegt, und am 15. vom Kapitän

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/383>, abgerufen am 22.07.2024.