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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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minister zu Gunsten der kleineren Universitäten ausgesprochen. Wer es mit
der deutschen Wissenschaft wohl meint, kann unmöglich Centralisation an
einzelnen Stellen, zumal in größeren Städten und ebensowenig Centralisation
der Leitung aller Universitäten in einer Hand wünschen. Unter den kleineren
Universitäten aber trägt Jena, wie wir oben bereits andeuteten, in sich die
günstigsten Bedingungen. Jena darf stolz sein auf das, was es gerade in
seiner Eigenartigkeit geleistet hat und noch leistet. Ohne alle Selbstüberhebung
kann es, wenn zu entscheiden ist, ob es der Erhaltung durch die Nation
werth sei, dem allgemeinen Urtheile entgegen sehen und glauben, daß es nicht
schlecht gethan sei, wenn diese den Entschluß faßte, sich eine durch ihre ab¬
sonderliche Stellung mehr als irgend eine andere Universität zu Selbständigkeit
und freiester wissenschaftlicher Regung berufene Bildungsstätte zu sichern.

Und die Ausführbarkeit? Auch daran ließe sich, wenn der Plan An¬
klang fände, nicht zweifeln. Ist es unmöglich, eine Summe von etlichen
hunderttausend Thalern zusammenzubringen? Wie viele allein haben in
Jena gelernt und geschwärmt und hängen an dem alten Jena mit treuer
Liebe. Sollte da nicht an tausend Stellen mit Erfolg anzupochen sein, wenn
nur recht bekannt wird, daß es gilt, die Existenz Jenas vor naher Gefährdung
zu bewahren. Wir sind überzeugt, viele haben keine Ahnung von den wirk¬
lichen Verhältnissen und die Opferwilligkeit ist schon zu ganz anderen Zwecken
nicht vergeblich in Anspruch genommen worden, als zu der würdigsten Auf¬
gabe, aus der Nation heraus eine von ihr werth gehaltene Universität auf
eine feste Grundlage zu stellen. Wir hören oft von Stiftungen aller Art,
manchmal zu wunderlichen Zwecken. Sollen wir zweifeln, daß gar Mancher
vorhanden ist, dem Nichts einleuchtender wird, als daß es keine der
schlechtesten Stiftungen wäre, die zu Gunsten deutscher Wissenschaft und Geistes¬
freiheit einem Mittelpunkte der Bildung, wie Jena, gemacht wird?

Man mag die Sache betrachten, wie man will, die Möglichkeit läßt sich
nicht in Abrede stellen, daß durch eine nationale Subscription ein stattlicher
Fonds gebildet werden könnte. Es wird darauf ankommen, ob sich in der
Presse und in weiteren Kreisen die Idee Zuneigung zu erwerben vermag.
Von der Art der Ausführung zu reden, wäre verfrüht. Soviel ergibt sich
von selbst, von einem Jenaischen Lokalkomite' der Bürgerschaft, geschweige
denn der Universität, kann der Anstoß nicht ausgehen. Der Anstoß müßte
von außen kommen. Kommt er und zeigt sich, daß er nicht vergebens sein
wird, dann würde es unschwer sein, der Sache die nöthige Gestalt zu verleihen.

Den Freunden der Jenaischen Universität mag der Gedanke empfohlen
sein. Denn gerade dieser Weg der Hülfeleistung von der Nation aus würde,
worauf Werth zu legen, indem er nur die materielle Existenz sichern hilft,
an dem Charakter der Universität wenig oder nichts ändern, und, was er


minister zu Gunsten der kleineren Universitäten ausgesprochen. Wer es mit
der deutschen Wissenschaft wohl meint, kann unmöglich Centralisation an
einzelnen Stellen, zumal in größeren Städten und ebensowenig Centralisation
der Leitung aller Universitäten in einer Hand wünschen. Unter den kleineren
Universitäten aber trägt Jena, wie wir oben bereits andeuteten, in sich die
günstigsten Bedingungen. Jena darf stolz sein auf das, was es gerade in
seiner Eigenartigkeit geleistet hat und noch leistet. Ohne alle Selbstüberhebung
kann es, wenn zu entscheiden ist, ob es der Erhaltung durch die Nation
werth sei, dem allgemeinen Urtheile entgegen sehen und glauben, daß es nicht
schlecht gethan sei, wenn diese den Entschluß faßte, sich eine durch ihre ab¬
sonderliche Stellung mehr als irgend eine andere Universität zu Selbständigkeit
und freiester wissenschaftlicher Regung berufene Bildungsstätte zu sichern.

Und die Ausführbarkeit? Auch daran ließe sich, wenn der Plan An¬
klang fände, nicht zweifeln. Ist es unmöglich, eine Summe von etlichen
hunderttausend Thalern zusammenzubringen? Wie viele allein haben in
Jena gelernt und geschwärmt und hängen an dem alten Jena mit treuer
Liebe. Sollte da nicht an tausend Stellen mit Erfolg anzupochen sein, wenn
nur recht bekannt wird, daß es gilt, die Existenz Jenas vor naher Gefährdung
zu bewahren. Wir sind überzeugt, viele haben keine Ahnung von den wirk¬
lichen Verhältnissen und die Opferwilligkeit ist schon zu ganz anderen Zwecken
nicht vergeblich in Anspruch genommen worden, als zu der würdigsten Auf¬
gabe, aus der Nation heraus eine von ihr werth gehaltene Universität auf
eine feste Grundlage zu stellen. Wir hören oft von Stiftungen aller Art,
manchmal zu wunderlichen Zwecken. Sollen wir zweifeln, daß gar Mancher
vorhanden ist, dem Nichts einleuchtender wird, als daß es keine der
schlechtesten Stiftungen wäre, die zu Gunsten deutscher Wissenschaft und Geistes¬
freiheit einem Mittelpunkte der Bildung, wie Jena, gemacht wird?

Man mag die Sache betrachten, wie man will, die Möglichkeit läßt sich
nicht in Abrede stellen, daß durch eine nationale Subscription ein stattlicher
Fonds gebildet werden könnte. Es wird darauf ankommen, ob sich in der
Presse und in weiteren Kreisen die Idee Zuneigung zu erwerben vermag.
Von der Art der Ausführung zu reden, wäre verfrüht. Soviel ergibt sich
von selbst, von einem Jenaischen Lokalkomite' der Bürgerschaft, geschweige
denn der Universität, kann der Anstoß nicht ausgehen. Der Anstoß müßte
von außen kommen. Kommt er und zeigt sich, daß er nicht vergebens sein
wird, dann würde es unschwer sein, der Sache die nöthige Gestalt zu verleihen.

Den Freunden der Jenaischen Universität mag der Gedanke empfohlen
sein. Denn gerade dieser Weg der Hülfeleistung von der Nation aus würde,
worauf Werth zu legen, indem er nur die materielle Existenz sichern hilft,
an dem Charakter der Universität wenig oder nichts ändern, und, was er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/338>, abgerufen am 01.07.2024.